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Ungleichheit

Wie wir unsere Justiz gerechter machen, in 5 Punkten

Wir verschwenden unsere Ressourcen mit der Verfolgung von kleine Diebstählen und verpassen es, jene zur Verantwortung zu ziehen, die der Gesellschaft wirklich schaden. Das schreibt zumindest der Richter Oliver Scheiber in seinem Buch “Mut zum Recht!”.
Österreichs Justiz begünstigt die Mächtigen und bestraft die Schwachen. Wir verschwenden unsere Ressourcen mit der Verfolgung von kleine Diebstählen und verpassen es, jene zur Verantwortung zu ziehen, die der Gesellschaft wirklich schaden. Das schreibt zumindest der Richter Oliver Scheiber in seinem Buch “Mut zum Recht!”. In zehn Kapiteln und zehn Thesen zeigt er auf, wo die Justiz schwächelt und schlägt dabei gleich die passenden Lösungen vor.

Das sind seine fünf wichtigsten Argumente:

#1 Wir haben eine Zweiklassenjustiz

Wer gebildet ist, Geld hat und sich ausdrücken kann, ist vor Gericht klar im Vorteil. Denn diese können sich teure AnwältInnen leisten. Ärmere Menschen gelangen wiederum leichter in die Fänge der Polizei und in weiterer Folge der Justiz. Ein gutes Beispiel: Der Drogenabhängige bei der U6-Station Josefstädter Straße wird eher aufgegriffen als die koksende Generaldirektorin. Und: Zwar bekommen Angeklagte vor dem Strafgericht PflichtverteidigerInnen an ihre Seite, nach der Verurteilung gibt es aber keine Garantie mehr auf Unterstützung von AnwältInnen. Das ließe sich leicht ändern. Scheiber schlägt vor, allen Angeklagten das Recht auf kostenlose AnwältInnen von der ersten Vernehmung bis zum Ende der Haft zu garantieren.

#2 Die Justiz kümmert sich zu sehr um Ladendiebstähle und zu wenig um jene, die der Gesellschaft wirklich schaden

Ein großer Teil der Ressourcen der Polizei und der Justiz fließt in die Bekämpfung von Straftaten, die der Gesellschaft nicht allzu sehr schaden. Ladendiebstahl, etwa. Dazu kommt, dass oft die unterste Ebene belangt wird – also die Verkäuferin, die ein verdorbenes Lebensmittel verkauft, anstatt das Unternehmen, bei dem sie angestellt ist. Oder die Kollegen eines Bauarbeiters, der nicht richtig gesichert war und verstarb.

Das Verfolgen kleiner MitarbeiterInnen bedeutet, dass sich an den Strukturen, die zu Unfällen und Gesetzesverstößen führen, nichts ändert.

Für die Gesellschaft extrem schädliche Verhaltensweisen wie das vergiften von Trinkwasser und Wirtschaftsbetrug im großen Stil werden wiederum weniger oft strafrechtlich verfolgt. Vielleicht weil der politische Wille dafür fehlt, die Mächtigen zu belangen. Denn das ist schwierig und langwierig.

#3 RichterInnen müssen – vor allem bei der Verhandlung – so sprechen, dass alle Beteiligten sie verstehen

Vielleicht hast du schon mal ein Gesetz gelesen und dir danach nur gedacht: Hä? So geht es vielen und das ist vor allem problematisch, wenn es um das eigene Gerichtsverfahren geht. Scheiber schreibt, dass manche Menschen am Ende eines Verfahrens nicht wissen, ob sie gewonnen haben oder nicht. Das ist ein großes Problem, das sich aber leicht lösen ließe. Die RichterInnen sollen klar und verständlich sprechen. Zusätzlich braucht es kompetente Übersetzung für Verfahrensbeteiligte, die eine andere Erstsprache als Deutsch haben.

#4 Wir sollten weniger Menschen einsperren

Österreich ist ein sicheres Land. Die meisten Menschen, die wir ins Gefängnis stecken, sind für die Gesellschaft ungefährlich. Früher ging es bei der Strafhaft darum, Rache auszuüben, doch das hat sich geändert. Heute wollen wir die Gesellschaft schützen und den Opfern helfen. Der Anteil der Gefangenen, die wir nicht wieder in die Gesellschaft eingliedern können, ist gering. Rund zwei Drittel aller Häftlinge sitzen eine Freiheitsstrafe ab, die kürzer als sechs Monate ist. Das ist ein großer Einschnitt in ihren Leben. Sie verlieren Wohnung, Job und Umfeld. Viele davon könnten wir auch anders “bestrafen”, ohne unsere Sicherheit aufs Spiel zu setzen.

#5 Wir müssen Personal sehr gut auswählen

Die Geschichte zeigt uns, dass RichterInnen nicht zwangsläufig bessere und empathischere Menschen sind. Beim Aufkommen des Nationalsozialismus hat die Justiz versagt. Der überwältigende Großteil der RichterInnen haben verbrecherische Urteile gefällt, viel zu wenige leisteten Widerstand. Nach der NS-Zeit konnten sie dennoch Karriere machen. Ab den 60er Jahren versuchte die Justiz gar nicht mehr, NS-Verbrechen ernsthaft zu verfolgen.

Unser Ziel muss es sein, sie so auszubilden, dass die Demokratie und den Rechtsstaat entschieden verteidigen und ernsthaften Widerstand leisten gegen menschenfeindliche und autoritäre Entwicklungen.

Scheiber schlägt vor, dass alle, die für die Polizei oder die Justiz arbeiten wollen, zuvor in anderen Bereichen Erfahrung sammeln, etwa in Sozial- und Bildungseinrichtungen. Wichtig ist, dass Menschen, die diesen Beruf ergreifen, Menschen auch wirklich mögen.

Fazit

Oliver Scheibers Buch “Mut zum Recht” gibt einen guten und verständlichen Einblick in die größten Probleme in der österreichischen Justiz. Nicht nur das – er liefert auch gleich Lösungen mit. Das Buch ist sinnvoll gegliedert, sodass jene, die es eilig haben, einen schnellen Überblick gewinnen: Auf ein Kapitel mit Beispielen und längeren Ausführungen folgt die These mit den wichtigsten Punkten in aller Kürze. Die Beispiele machen die Probleme auch für Nicht-JuristInnen leicht greifbar. Klare Empfehlung für alle, die sich für Recht und Politik interessieren.

 
Buchcover: Mut zum Recht! von Oliver Scheiber. Der Titel des Buchs ziert einen roten Buchumschlag.

Mut zum Recht! von Oliver Scheiber ist für rund 20 Euro erhältlich

 

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