Wien-Wahlen: "Ich bin hier geboren, aber meine Stimme zählt nicht"
In Wien leben insgesamt 590.000 Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft. Sie alle dürfen ihre Stimme bei der Wiener Gemeinderatswahl nicht abgeben.
„Ich habe mich schon immer für Politik interessiert“, sagt Natalia. Sie ist 19 Jahre alt, macht gerade ihre Lehre in einer Supermarktkette, hat ihre eigene Wohnung. Natalia ist in Wien zur Welt gekommen und hat hier ihr gesamtes Leben verbracht. Doch wenn die Bevölkerung Wiens im Oktober den Gemeinderat wählt, wird sie zu Hause blieben müssen. Sie darf nicht wählen.
So wie Natalia geht es rund 88.400 WienerInnen. Sie sind in Österreich geboren, haben aber eine andere Staatsbürgerschaft. „Vor den Wahlen steht auf Social Media überall: Geht wählen! Eure Stimme zählt! Aber das stimmt nicht, meine Stimme zählt nicht“, sagt sie.
Das Problem ist noch größer. In Wien leben insgesamt 590.000 Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft, mehr als 480.000 davon im wahlfähigen Alter. Sie alle dürfen ihre Stimme bei der Wiener Gemeinderatswahl nicht abgeben. Der Großteil von ihnen wurde im Ausland geboren, lebt aber seit mindestens fünf Jahren hier.
„30 Prozent der WienerInnen im wahlfähigen Alter dürfen nicht wählen“, sagt Ilkim Erdost, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Jugendzentren. „Und es werden immer mehr.“
Während die Bevölkerung jedes Jahr wächst, sinkt die Zahl der wahlberechtigten Menschen sogar. Den Grund dafür sieht Phillip Hammer vom Integrationsmonitoring der Stadt Wien in den sinkenden Zahlen der Einbürgerungen. „Das Gesetz wurde verschärft“, sagt er.
„Die Kriterien sind viel zu streng“, sagt Erdost. „Wenn junge Menschen von Anfang an ausgeschlossen werden, verlernen sie Demokratie. Das ist ein Problem für die gesamte Gesellschaft.“ Sie sieht die Politik in der Verantwortung, den Zugang zu Wahlen vor allem jungen Menschen zu ermöglichen.
Natalia hofft darauf, dass die Gesetze geändert werden. „Ich möchte auch wählen“, sagt sie. „Wenn all die Menschen, die hier wohnen, wählen dürfen, wird das Ergebnis anders aussehen. Besser.“
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Wir haben aus dem Artikel gelernt, dass mehr als 50% der nicht Wahlberechtigten bereits 10 Jahre oder länger hier leben und vier Fünftel bereits länger als 5 Jahre. Der für die Erlangung der Staatsbürgerschaft notwendige ununterbrochene Aufenthalt in Österreich beträgt 10 Jahre. Allerdings gibt es etliche Ausnahmen, für die er nur 6 Jahre beträgt, z.B. EWR Staatsangehörige, Krankenpfleger, hier geborene, mit Österreichern verheiratete etc. Daher wäre meine grobe Schätzung, dass diese Hürde für ca. 75% der Betroffenen keine Hürde mehr ist.
Dass ein Nachweis für einen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt erbracht werden muss, finde ich auch nicht verwerflich. Er beträgt für eine Einzelperson 883€. Natalia wird diesen nach Abschluss ihrer Lehre sicher erbringen können.
Wo ich dir sicherlich recht gebe, das sind die Kosten. 130€ für den Antrag geht ja noch aber bis zu 1.500€ bei der Verleihung in Wien finde ich unverhältnismäßig. Gebühren die der Staat einnimmt sollen den Aufwand entschädigen aber keine Einnahmequelle sein. Da kann ich wirklich nicht erkennen was an diesem Verfahren so teuer sein soll.
Insgesamt hat mich deine Argumentation aber noch nicht überzeugt. Ich denke nach wie vor, dass der Hauptgrund, warum es so wenige Einbürgerungen gibt darin besteht, dass die meisten ihre alte Staatsbürgerschaft einfach nicht aufgeben wollen.
Auf der anderen Seite finde ich es aber schon wichtig, dass nur jene Menschen Einfluss auf unsere Politik nehmen sollten, die sich auch zu unserem Gemeinwesen und seinen Grundwerten wie Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung bekennen.
(Kein Betreff)
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(Kein Betreff)
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In Natalias Fall geht es konkret ums Einkommen, das sie in der geforderten Höhe einfach nicht hat. In anderen Fällen geht es um das fehlende Wissen, wie das funktioniert. Die Kriterien sind von offizieller Stelle nicht unbedingt einfach formuliert. Wenn man da keine Unterstützung hat, kann das als junger Mensch ganz schön schwer sein. Ich erinnere mich noch daran, wie ich bei Wiener Wohnen ein Wohnticket beantragt habe. Das alleine fand ich persönlich ziemlich kompliziert. Ich glaube, diese Hürden dürfen wir nicht unterschätzen. Österreich hat im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr niedrige Einbürgerungsrate, das nur mit der Motivation der Menschen abzutun, wird dem nicht gerecht, wie ich finde.
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