Wieso Menschen nicht wählen gehen
Die Anzahl der Nichtwähler und Nichtwählerinnen steigt seit den 1980er Jahren rasant an. Die Wahlbeteiligung ist wiederum viel geringer als früher.
Am Sonntag wählt Österreich den neuen Nationalrat. Doch auch dieses Mal wird vermutlich über eine Million der Wahlberechtigten zu Hause bleiben. Denn bei allen vier Wahlen seit 2006 war das der Fall.
Dass die absolute Zahl in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen ist, hat mit mehreren Dingen zu tun. Ganz grundlegend hat Österreich immer mehr EinwohnerInnen. Es gibt heute über zwei Millionen mehr Wahlberechtigte als noch 1949.
Eine andere Entwicklung ist bedenklicher: „Arme, Armutsgefährdete und Menschen mit niedrigem formalen Bildungsabschluss und weniger hohem Einkommen gehen seltener wählen“, sagt Politikwissenschaftlerin Tamara Ehs. Warum? Viele Menschen sind enttäuscht und finden, die Politik habe keine Antworten auf ihre Probleme. Das ist ein Teufelskreis, denn umgekehrt richtet die Politik sich auch nach den Menschen, die wählen gehen.
Den Höhepunkt der Politikverdrossenheit erreichte Österreich bei der Nationalratswahl 2013. Damals blieben rund 1,6 Millionen der Wahlberechtigten zu Hause, die Wahlbeteiligung lag bei knapp 75 Prozent.
Dabei ist die Nationalratswahl noch die Wahl mit einer hohen Beteiligung. Zum Vergleich: Bei der EU-Wahl in diesem Jahr gingen nicht einmal 60 Prozent der Menschen wählen – und dieses Ergebnis ist eines der besseren. 2004 waren es nur 42 Prozent, die ihre Stimme abgaben.
Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts IMAS (PDF, S.7) ist Politikverdrossenheit der häufigste Grund, wieso Menschen nicht wählen gehen (24 Prozent). Ebenso viele Menschen gaben an entweder gleichgültig oder desinteressiert zu sein.
Ein weiterer Grund, wieso die Wahlbeteiligung bis in die 80er zu hoch war, ist die Wahlpflicht bei der Nationalratswahl, die in einigen Bundesländern bis 1992 gesetzlich verankert war. Bei der Bundespräsidentschaftswahl dauerte es sogar bis 2004 bis alle Bundesländer die Wahlpflicht entgültig abschafften.
„Die Wiedereinführung der Wahlpflicht wäre eine einfache und radikale Variante“, sagt Ehs, „aber ich möchte PolitikerInnen nicht so einfach davonkommen lassen.“ Denn die Politik sei dafür verantwortlich, Menschen zum Wählen zu motivieren.