Ein Ökonom im falschen Haus

Die Wiener Börse AG verfolgt klare Eigeninteressen: Sie möchte mehr Geld aus der staatlich organisierten Altersvorsorge in den Aktienmarkt lenken. Das ist das Profit-Interesse ihrer Besitzer:innen: Banken und Versicherungen. Ein öffentlich finanzierter Ökonom stellt einer privaten Kapitalgesellschaft seine wissenschaftliche Autorität zur Verfügung, um den Privatinteressen der Börse Schützenhilfe zu geben.
Kein harmloser PR-Termin
Man fragt sich, was er dort macht? Es ist keine akademische Debatte, keine Beratung der Regierung oder Information der Öffentlichkeit. Der Auftritt bei einem Privatkonzern ist kein harmloser PR-Termin. Denn wenn der WIFO-Chef dort auftritt, wirkt das wie eine politische Flankierung der Banken und Versicherungen – nicht wie unabhängige Forschung.
“Mit dem hart verdienten Geld der Arbeitnehmer:innen sollte man nicht Roulette spielen”
Ebenso problematisch ist, was Gabriel Felbermayr inhaltlich gesagt hat. Er erklärte wörtlich: „Wir werden nicht darum herumkommen, dass wir unsere Altersvorsorge stärker auf die Kapitalmärkte ausrichten.“ Doch Österreichs umlagefinanziertes Pensionssystem ist nachhaltig und langfristig stabil. Es ist deutlich weniger krisenanfällig als ein Pensionssystem, das Geld am Aktienmarkt anlegt.
Mit dem hart verdienten Geld der Arbeitnehmer:innen sollte man nicht Roulette im Finanzcasino spielen. Spätestens die Finanzkrise und die Corona-Pandemie haben gezeigt, dass Börsen keine verlässlichen Altersvorsorgepartnerinnen sind. Aktienmärkte schwanken und sind kein neutraler Sparapparat – sie sind volatil, mit Gewinner:innen und Verlierer:innen. Verluste tragen dort nicht die Fondsmanager:innen, sondern die Versicherten.
Wer das staatliche System schwächt und durch private Vorsorge ersetzt, setzt die Altersversorgung breiter Bevölkerungsschichten unkalkulierbaren Risiken aus. Noch dazu, wenn dafür Geld aus dem öffentlichen System hinausgezogen werden soll. Wo wir doch angesichts der Budgetsanierung jeden Euro dort gut gebrauchen können.
“Lohnzurückhaltung” schadet
Auch in der Lohnpolitik vertritt Felbermayr eine Linie, die wirtschaftlich kontraproduktiv ist. Er sprach sich für „Lohnzurückhaltung“ im öffentlichen Dienst aus. Das mag harmlos klingen, spielt aber mit einem verbreiteten Vorurteil. Denn der öffentliche Dienst besteht nicht nur aus gut bezahlten Ministerialbeamt:innen, sondern auch aus Justizwachebeamt:innen, Polizist:innen, Lehrer:innen, Pflegekräften und Verwaltungsmitarbeiter:innen – Berufe, die gesellschaftlich unverzichtbar sind, aber oft unterdurchschnittlich entlohnt werden.
Lohnzurückhaltung in diesen Bereichen bedeutet Kaufkraftverluste. Wenn Beschäftigte weniger ausgeben können, sinkt die Nachfrage, es wird weniger produziert, Unternehmen investieren weniger. Das schadet der heimischen Wirtschaft, insbesondere dem Mittelstand.

Außerdem: Die Gehaltserhöhung, von der Felbermayr spricht, wurde noch von der Vorgängerregierung aus ÖVP und Grüne verhandelt. ÖVP, Grünen, FPÖ und SPÖ stimmten im Nationalrat dafür. Man einigte sich darauf, dass die Bezüge 2025 um 0,3 Prozentpunkte unter der Inflation und dafür 2026 um 0,3 Prozentpunkte über der Inflation steigen. Die Beamt:innen und deren Vertreter:innen verzichteten also auf Gehalt – mit der Vereinbarung, dass dies 2026 ausgeglichen wird. Ihnen diesen vereinbarten Ausgleich nun zu streichen, ist schlicht ungerecht und vertragsbrüchig.
Zudem machen niedrige Löhne den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber unattraktiver. In Zeiten des Fachkräftemangels führt das zu Personalengpässen in Schulen, bei der Exekutive und im Gesundheitssystem. Wer den öffentlichen Dienst aushungert, gefährdet nicht nur sozialen Zusammenhalt, sondern auch die Sicherheit und die wirtschaftliche Stabilität.
Dass ein führender Wirtschaftsforscher solche Positionen ausgerechnet auf einer Bühne der Börse präsentiert, ist mehr als ein unglücklicher Auftritt. Es untergräbt die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit wirtschaftspolitischer Beratung in Österreich. Wer das politische Klima mitgestaltet, sollte sich gut überlegen, in wessen Haus er spricht – und wessen Interessen er bedient.