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Arbeitswelt
Kapitalismus

Abschluss für öffentlich Bedienstete: NEOS schießen gegen eigenes Kernthema Bildung

Abschluss für öffentlich Bedienstete: NEOS schießen gegen eigenes Kernthema Bildung
Die NEOS forderten eine Nulllohnrunde für die öffentlich Bediensteten. Eine schlechte Idee, kommentiert Lisa Wohlgenannt. Foto: MOMENT.at/Ingo Pertramer und Parlamentsdirektion/Thomas Topf.
Alle Zeichen standen auf Streik, dann einigten sich Gewerkschaften und Regierung doch noch auf den KV für Beamt:innen: Im Durchschnitt gibt es 3,5 Prozent Gehaltsplus für die öffentlich Bediensteten. Das bedeutet einen Reallohnverlust. Für die NEOS ist das trotzdem zu viel. Damit schießen sie auch gegen ihr eigenes Kernthema: Bildung. Eine schlechte Idee, kommentiert Lisa Wohlgenannt.

Rund 30.000 Menschen wurden bei der Großdemo der öffentlich Bediensteten in Wien erwartet. Sie waren bereit, für faire Gehälter in Zeiten der Teuerung zu kämpfen. Bislang waren die Verhandlungen für den KV Beamte gescheitert. Dann überraschend doch noch die Einigung: Im Durchschnitt 3,5 Prozent Gehaltserhöhung, sozial gestaffelt. Mindestens 82,40 Euro, maximal 437,80 Euro. Die Demo wurde abgesagt. Ein Kompromiss in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, mit dem soweit alle zufrieden zu sein scheinen. Außer die NEOS.

Reallohnverlust beim KV für Beamt:innen: Öffentlich Bedienstete können sich 2025 weniger leisten

Die Erhöhung liegt unter der aktuellen Inflation von 3,8 Prozent. Für diese Berechnung sind die vergangenen 12 Monate relevant. Die Teuerung des vergangenen Jahres wurde also im Schnitt nicht abgedeckt. Viele öffentlich Bedienstete können sich 2025 für ihr Gehalt weniger leisten. Für 2026 wurde bereits vereinbart: Inflation plus 0,3 Prozent. 1,06 Milliarden Euro soll das Plus in den kommenden zwei Jahren ausmachen.

„Allzu oft wird vergessen, dass der öffentliche Dienst in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft steht. Der öffentliche Dienst muss daher auch über Gehaltsabschlüsse weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber bleiben“, mahnte Vizekanzler Werner Kogler in einer Aussendung und macht deutlich: „Die Bediensteten in Bund, Länder und Gemeinden leisten einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren unseres Staates und unseres Zusammenlebens.“ 

Wer sind denn diese „öffentlich Bediensteten“? Unsere Lehrer:innen, Pfleger:innen und Co.

Damit hat er Recht. Im öffentlichen Dienst arbeiten auf Bundesebene 368.710 Menschen. In welchen Berufen sie arbeiten, hat sich das Momentum Institut kürzlich angesehen. Der größte Teil ist im Bildungswesen tätig. Das sind auch unsere Lehrer:innen. Darauf folgt der Bereich Inneres mit beispielsweise Polizist:innen, die Landesverteidigung, Justiz und Finanzen. 

„Die Vorstellung von ausschließlich Beamten am Schreibtisch trifft nicht zu. Öffentlich Bedienstete sind auch die Lehrer in Brennpunktschulen“, macht das Momentum Institut in einer Aussendung deutlich.

Es sind die Lehrer:innen, die vor wenigen Wochen vor der Bildungsdirektion demonstrierten, unter dem Motto: „Wir schaffen das nicht mehr!“ Lehrer:innen, die über Überlastung, Personalmangel und Bürokratie klagen. Es sind die Polizist:innen, die vor einem „kritischen Personalmangel“ warnen. Die 25 Prozent mehr Personal fordern und dafür „leistungsgerechte Gehälter“. Auch für Bedienstete auf Landes- und Gemeindesebene mit eigenen Kollektivverträgen bietet der Abschluss auf Bundesebene eine Richtschnur. Kindergartenpädagog:innen und Pflegekräfte profitieren also beispielsweise auch von fairen Abschlüssen auf Bundesebene.

Diese Berufe müssen aufgewertet werden, um unseren Staat und unser Zusammenleben zu sichern. Eine Nulllohnrunde würde sie hingegen abwerten.

NEOS schießen gegen eigenes Kernthema Bildung

Außerdem mindestens spannend: Ein Tag vor Einigung auf den Gehaltsabschluss wurden die NEOS für ihre Reformpläne im Bildungsbereich kritisiert. Das verkaufen sie als ihr Kernthema und in den aktuellen Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ scheint das Bildungsressort in greifbarer Nähe. Ideen hat die neoliberale Partei durchaus: Kostenloses Mittagessen für alle Kinder bis 14 Jahre, kleinere Gruppen in Kindergärten und auch mehr Personal. Diese und andere Maßnahmen würden laut Berechnungen jährlich zusätzlich 4,5 Milliarden Euro kosten. 4,1 Milliarden Einmalausgaben kommen noch dazu. Nun gegen Gehaltserhöhungen – auch für Lehrer:innen – Stimmung zu machen, wirkt unschlüssig. Gerade, wenn man mehr Menschen für den Bereich gewinnen will.

Angesichts der hohen Ausgaben im Vergleich zu den staatlichen Einnahmen hätte es laut den Neoliberalen eine Nulllohnrunde gebraucht. Ja, das Budgetdefizit ist hoch. Österreich droht ein EU-Strafverfahren. Doch bei jenen Jobs zu sparen, die unser Zusammenleben ermöglichen, die bereits schlecht bezahlt sind und deswegen zu wenig Personal finden, das ist fatal. Die Bereiche drohen bereits zusammenzubrechen. Dabei hängt nicht weniger als unser Zusammenleben an ihnen.

Es gibt bessere Stellen, um zu sparen

Ja, verzichtbare Ausgaben sollen möglichst eingespart werden. Man kann diskutieren, was unverzichtbar und was verzichtbar ist. Dass systemrelevante Berufe unverzichtbar sind, sagt aber schon die Bezeichnung „systemrelevant“. Wer anderer Meinung ist, soll das zumindest klar sagen, statt “20.000 neue Lehrkräfte” auf die Wahlplakate zu schreiben.

Im Sinne einer gerechteren, nachhaltigen Gesellschaft könnte man beispielsweise bei klimaschädlichen Subventionen wie Dieselprivileg oder Pendlerpauschale sparen. Rund sechs Milliarden Euro gibt Österreich laut Wirtschaftsforschungsinstitut jährlich dafür aus.

Andere Möglichkeiten, dem Budgetdefizit entgegenzuwirken, wären Steuern. Gegen neue Steuern wehren sich die Neoliberalen vehement. Darin liegt aber ein riesiges Potential, von dem die meisten unserer Gesellschaft profitieren würden.

Eine Vermögenssteuer würde – je nach Modell – rund fünf Milliarden in die Staatskasse spülen. Eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen brächte eine weitere Milliarde Euro. Stärkere Besteuerung von Immobilien und Gründstücken brächten zusätzlich Geld. Den Konzernen schenken wir durch Steuersenkungen gerade wieder Milliarden – jedes Jahr. Das könnte man rückgängig machen. Und das alles würde vor allem die Reichsten unserer Gesellschaft betreffen. 

Der Großteil würde profitieren. Indem wir beispielsweise Pflegepersonal oder Lehrer:innen angemessen bezahlen, die Jobs damit aufwerten und mehr Fachkräfte dafür gewinnen können. Und so unser Zusammenleben verbessern können.

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    Kommentare 2 Kommentare
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  • frizzdog
    29.11.2024
    lösung ganz einfach: alle kindergärtnerinnen und lehrerinnen bekommen die 437,80 Euro, wer sonst??
    Antworten
    • Alles klar?
      04.12.2024
      Und was ist mit Kanalarbeiter, U-Bahnfahrer, Stadtgärtner, Müllabfuhr, Polizisten etc.?