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Klimakrise

Warum die Wirtschaftskammer gegen Umweltverfahren wettert

Warum die Wirtschaftskammer gegen Umweltverfahren wettert

Die Klimakatastrophe droht. Und auch der Krieg in der Ukraine macht klar, dass wir bei der Energieversorgung schnell unabhängig und nachhaltig werden müssen. Was verhindert, dass wir die von der Klimabewegung seit langem, langem geforderte Energiewende endlich schaffen? Glaubt man der Wirtschaftskammer, dann ist es der Umweltschutz.
 

Die Wirtschaftskammer macht unter dem Titel „Runter mit der Auflagenflut“ gerade Stimmung für die „Beschleunigung der Umweltverträglichkeitsprüfung“. Die leidige Bürokratie bei den Verfahren, die prüfen sollen, ob ein Großprojekt die Umwelt zu sehr belastet oder zerstört, verhindere die Energiewende, meint die Kammer. Sie pflastert ganze Titelseiten mit ihren Forderungen zu.

Verantwortung für die langen Verfahrensdauern

Als Beispiel für lange Verfahren, die angeblich die Energiewende blockieren, müssen häufig die geplanten Wasserkraftwerke herhalten. Oft sind es Umweltschutzorganisationen oder lästige Nachbar:innen, denen die Blockade wichtiger Projekte vorgeworfen wird.
Natürlich ist es leicht auf Umweltverfahren einfach einmal pauschal hinzuhauen. Aber vielleicht dauern sie ja wirklich zu lange oder verhindern wichtige Projekte? Ich hab mir das angeschaut und die Antwort ist: Es werden überhaupt nur 3% der Anträge abgelehnt. Und sobald die Unterlagen vorliegen, dauert ein durchschnittliches Verfahren gerade einmal 7,2 Monate.

Warum dauert es dann zum Beispiel beim Kraftwerk Kaunertal so lange? Dort warten die Behörden aufgrund von Umplanungen schon seit 2012 (!) auf vollständige Unterlagen. Und beim Kraftwerk Kühtai dauerte es siebeneinhalb Jahre, bis alle Unterlagen eingelangt sind.
Und da sind wir schon beim wirklichen Problem: bis die Projektwerbenden alle Unterlagen vollständig vorlegen und das Verfahren überhaupt beginnen kann, dauert das durchschnittlich 8 Monate. Die Gesamtdauer der Verfahren verlängert sich damit auf 15,2 Monate.
Dass Verfahren lange dauern, ist also hauptsächlich auf das Versäumnis der Projektwerbenden zurückzuführen. Das bleibt beim Bashing der Wirtschaft gegen die UVP jedoch meist unerwähnt.

Hausaufgaben für Projektwerbende

Mehrere UVP-Berichte zeigen es unverkennbar: Schuld an langen Verfahren sind: I) schlechte bzw. unvollständige Unterlagen, II) Mangelnde Ressourcen bei Behörden und III) Fehlende Planungen vorab. Viel wichtiger als pauschal „schnellere Verfahren“ zu fordern und damit vielleicht Projekte zu genehmigen, der Folgen nicht gut untersucht werden, wären also andere Verbesserungen:

1. mehr Personal und bessere Ausstattung der Behörde

2. vollständige Unterlagen einzureichen

3. eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und Miteinbeziehung von Klima- und Bodenschutz.

Außerdem sind beim Ausbau erneuerbarer Energien auch die Bundesländer hintennach. Gerade stimmen die Ziele der Bundesländer nämlich noch bei weitem nicht mit denen des Bundes überein. Das sieht man am Beispiel des Ausbaus von Photovoltaik. Die bekannten Pläne der Bundesländer bis 2030 sind gerade einmal ein Drittel dessen, was der Bund als Ziel gesetzt hat – da ist nett gesagt noch viel Luft nach oben!

Warum braucht man überhaupt eine Umweltverträglichkeitsprüfung?

Die Länder müssen nun Pläne vorlegen, die zeigen, auf welchen Flächen ein Ausbau von Erneuerbaren Energien möglich wäre. Und dazu braucht es auch die Beteiligung der Bürger:innen. Das würde vieles beschleunigen.
Aber wozu braucht es Umweltverträglichkeitsprüfungen überhaupt? UVPs werden bei großen Projekten, wie dem Bau von Straßen und anderer Infrastruktur, Bergbau, Abfallsbehandlungsanlagen und vielem mehr, durchgeführt. Sie sollen beurteilen, welche Auswirkungen ein Bauvorhaben hat und sind damit ein wichtiges Werkzeug, um wirtschaftliche Interessen gegen ihre Umweltfolgen abzuwägen und negative Folgen zu minimieren.

Statt um schnellere Verfahren, sollte es also um bessere Verfahren gehen. Die Verbesserungen, die es tatsächlich bei Umweltverträglichkeitsprüfungen bräuchte, werden aber in WKO-Aussendungen nicht gefordert. Da frage ich mich schon, geht es da wirklich um eine rasche Energiewende? Oder um weniger Auflagen?Umweltverfahren abzuschwächen, darf jedenfalls nicht das Ziel sein – gerade in einer Zeit, in der wir mit Artensterben und Klimakrise konfrontiert sind!

Weiterführende Links:

Bericht des Umweltbundesamtes zu UVP Verfahren: https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:aa79b30c-6e93-48b0-8f74-8ce5e768a078/UVP8-Bericht_UA_v2.pdf

Vorschläge des ÖKOBÜROS zur Verbesserung der Verfahren: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220209_OTS0103/oekobuero-uvp-bericht-zeigt-wahre-verfahrensdauern-und-verbesserungspotential

Studie zur Energiewende in den Bundesländern: https://www.erneuerbare-energie.at/ziele-der-bundeslaender

Standard-Artikel „Notwendig sind bessere Umweltverfahren, nicht Schnellschüsse“ von Gregor Schamschula: https://www.derstandard.at/story/2000131274269/notwendig-sind-bessere-umweltverfahren-nicht-schnellschuesse

 

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