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Ungleichheit

Wohnungslosen einfach Geld geben? Experiment zeigt gute Gründe dafür

Experiment mit Obdachlosen in Kanada zeigt: Was Menschen in finanzieller Not brauchen, ist oft einfach nur Geld.

In Kanada hat ein Experiment getestet, was mit Wohnungslosen passiert, denen man einfach Geld gibt. Die Ergebnisse sorgen für Aufsehen.

„Immer mehr Menschen werden wohnungslos, und wir tun immer weiter nur dasselbe dagegen“, sagt Claire Williams gegenüber CNN. Sie ist die Chefin der NGO „Foundations for Social Change“, die eine spannende Studie in Auftrag gegeben hat: 50 Wohnungslose haben in Vancouver etwa 5.000 Euro (7500 Kanadische Dollar) bekommen. Quasi einfach so. Danach haben ForscherInnen 12 bis 18 Monate beobachtet, wie sich das Leben dieser Menschen verändert.

Die Menschen waren bunt ausgewählt. Sie waren zwischen 19 und 64 Jahre alt, 60% waren Männer, 40% waren Frauen und ein Drittel hatte Kinder.

Im Vergleich mit einer Kontrollgruppe aus noch einmal so vielen Obdachlosen in einer ähnlichen Lage gab es große Unterschiede. Die Geld-EmpfängerInnen schafften es deutlich schneller, wieder in sichere Wohnverhältnisse zu kommen. Sie ernährten sich besser und gaben mehr Geld für Essen, Kleidung und Miete aus – aber 39% weniger für Alkohol, Zigaretten oder andere Drogen. Viele konnten damit auch ihre Kinder und Verwandten besser unterstützen.

Die meisten Menschen wissen, was sie brauchen

Das ist ein Ergebnis der Studie, das sich auch in ähnlichen Experimenten (auch zu Grundeinkommen) rund um die Welt immer wieder zeigt: Wenn man armen Menschen mehr Geld zur Verfügung stellt, wissen sie etwas damit anzufangen.

Die TeilnehmerInnen warfen ihr Geld auch hier also nicht zum Fenster raus, sondern investierten es in Dinge, die ihnen langfristig weiterhelfen werden. Etwa in das Fahrrad oder Auto, das sie dann zu ihrer Arbeit bringen konnte (ja, viele Menschen verlieren ihre Wohnung, obwohl sie arbeiten – etwa eineR von vier Wohnungslosen in der Studie). Oder einen Computer, mit dem man etwa auch einfacher Arbeit suchen und arbeiten kann. Einige brachten sogar kleine Geschäftsideen ins Rollen.

Die Menschen gaben das Geld auch nicht auf einmal aus. Im Schnitt hatten die TeilnehmerInnen sogar nach 12 Monaten noch etwa 650 Euro vom erhaltenen Geld übrig. Die zusätzlichen Mittel ermöglichten ihnen offenbar einfach dauerhaft mehr Spielraum und Freiheit, um gute Entscheidungen zu treffen.

Geld zu geben, kann Geld sparen

Das Experiment wurde durch private Spenden finanziert. Es hätte dem kanadischen Staat laut den ForscherInnen aber auch Geld gespart, wenn der die Studie komplett bezahlt hätte. Pro TeilnehmerIn hätten herkömmliche soziale Maßnahmen im Beobachtungszeitraum fast 400 Euro (600 kanadische Dollar) mehr gekostet, als die einfache Auszahlung.

„Keine Wunderwaffe, aber ein nützliches Werkzeug“

„Direkte Geldzahlungen sind keine Wunderwaffe“, sagt aber auch Williams. Sie seien aber ein nützliches Werkzeug im Kampf gegen diese Form der Armut.  

Ihr Experiment, das von der University of British Columbia durchgeführt wurde, unterlag nämlich bewusst mehrere Einschränkungen. Zum einen wurden Menschen ausgewählt, die im Schnitt seit ungefähr sechs Monaten von Wohnungslosigkeit betroffen waren. Zum anderen wurden diese danach ausgewählt, dass sie ein sehr geringes Risiko für eine Drogenabhängigkeit und psychische Probleme haben. Es gibt also ziemlich sicher Gruppen, für die die Aussagen nicht gelten – aber wenn sich die Ergebnisse bestätigen eben auch solche, denen man mit diesem Ansatz gut helfen könnte.

Ein Peer-Review der Studie – also eine wissenschaftliche Prüfung durch andere unabhängige Wissenschafter – steht allerdings noch aus. Es wird mit Spannung verfolgt werden.

Kanada hat 38 Millionen Einwohner. Etwa 35.000 Menschen sind jeden Tag obdachlos – insgesamt betrifft das rund 235.000 KanadierInnen pro Jahr. Die Regierung will die Wohnungslosigkeit bis 2028 um 50% zu verringern. Dazu sind derzeit laut Regierungsangaben Investitionen in Höhe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro vorgesehen.

Dabei sind auch „Housing First“-Ansätze vorgesehen. Das ist ein anderer vielversprechender Ansatz, über den wir hier geschrieben haben.

 
 
 

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