„Wokeismus von rechts“ – wie Richard David Precht und Markus Lanz Rechtsextremismus verharmlosen

Eigentlich sollte man ihnen gar nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Aber die beiden Herren betreiben einen, vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark beworbenen Podcast. Immer wieder fallen sie durch unbedarfte Takes auf. In ihrer neuen Folge verstiegen sich Markus Lanz und Richard David Precht zu einer verharmlosenden Wortschöpfung.
Die beiden präsentieren sich in ihrem Podcast als Experten für alles und besprechen im Männer-Tandem die Angelegenheiten des Weltgeschehens. Soweit so üblich. Dass sie dabei keine intellektuellen Tiefseetaucher sind, ist angesichts der Besetzung nur logisch.
„Wokeismus von rechts“
Beim Besprechen der USA taucht nun die Begriffsschöpfung „Wokeismus von rechts“ auf. Das ist eine Zumutung für jede Person, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt. Was aber ist damit gemeint?
In dieser Weltsicht ist „Wokeismus“ der Nullpunkt und das Schlimmste, was aktuell so existiert. Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar. Es pendelt irgendwo zwischen übereifrigen Aktivismus, individualistischer, moralinsaurer Nabelschau, traditionellen Bürgerrechtsanliegen, bürgerlichen Anstand und jedweder positiven Bezugnahme auf progressive oder linke Anliegen. Im Prinzip ist „woke“ zu einer Worthülse für alles verkommen, was man gerade nicht mag. Es hat kaum noch eine eigene Bedeutung, sondern ist in Beziehung zum Gegenstück zu verstehen, das sich als rational, überlegt und moralisch überlegen positioniert.
Faschistische Anti-Wokeness
So ist es daraus nur folgerichtig, dass „woke“ als Gefahr der Zeit erkannt wird. Wohin das führt, sieht man in den USA. Dort wird im Namen der ebenso beliebigen „Anti-Wokeness“ ein autoritärer Staat errichtet, gerahmt durch eine faschistische Bewegung. Die wichtigste und hochgerüstete Demokratie der Erde positioniert sich so „anti-woke“, dass sie dafür Demokratie und Rechtsstaat aufgibt.
Man möchte nun meinen, dass den hiesigen anti-woken Kulturkämpfern ein Lichtlein aufgeht und sie erkennen, dass es auch noch andere Gefahren gibt. Stur bleiben Precht und Lanz auf Linie und framen die faschistischen Versuchungen nun als „Wokeness von rechts“. Hier greift also wieder das etwas denkscheue Prinzip: „Alles, was ich nicht mag, ist dasselbe“. Alles woke.
Historikerstreit reloaded
Doch das löscht die Kategorie Rechtsextremismus oder gar Faschismus völlig aus. Wenn man nicht mehr benennen kann, was man vor sich sieht, dann verliert man die Sprache. Doch gerade in dieser prekären Zeit sind präzise Benennungen wichtiger denn je.
Mehr noch löscht es die Gründe und Bedingungen für Faschismus aus. Es wird suggeriert, als würde die extreme Rechte einfach nur die Linken kopieren, aber erfunden haben es die Linken. Die eigentliche Wurzel des Übels ist also nicht der Faschismus, sondern die Linken. Sie sind der Gradmesser der Schlechtigkeit. Diese Debatte, mit anderem Inhalt, erinnert fatal an den Historikerstreit, als man die Konzentrationslager als Erfindung der Sowjetunion umdefinieren wollte. Der Nationalsozialismus hätte sich nur dem bedient, was ohnehin schon von anderer Seite erfunden wurde.
Lanz und Precht haben wahrscheinlich wenig Kenntnis über diese historischen Parallelen – und doch führen sie denselben Tanz unbewusst erneut auf: Die extreme Rechte bediene sich nur dem üblen Werkzeug der Linken.
Verharmloster Faschismus
Das verharmlost auf sehr klare Art und Weise die extreme Rechte und den Faschismus, die eigenständig agieren und ein eigenständiges Arsenal und Strategien und Waffen haben. Faschismus ist keine Umkehr linker Agitation, er ist eine Reaktion auf die konkreten Krisen des Kapitalismus.
Wer nicht benennen kann oder will, was er vor sich sieht, sollte diese Möglichkeit für Neugier und Erkundung nutzen, anstatt überall denselben imaginierten Feind zu sehen. Das kann man auch von zwei inhaltlichen Oberflächen-Surfern verlangen.