Zweiter Lockdown: Was heißt das für uns alle?
Was heißt ein zweiter Lockdown für die Unternehmen? Was heißt ein zweiter Lockdown für die ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen? Die wichtigsten Fragen erklärt.
Wie schädlich ist ein zweiter Lockdown für die Wirtschaft?
Klar ist: Die Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 fällt dadurch weiter im Vergleich zum Vorjahr, und wir werden noch einmal zehntausende Arbeitslose mehr haben. Grob geschätzt geht die Wirtschaftsleistung von minus 7% nach aktuellen Vorhersagen eher in Richtung minus 10% mit einem zweiten Lockdown. Jeder zehnte Euro, der 2019 noch verdient wurde, wird 2020 nicht verdient. Einiges wird aber noch davon abhängen, wie lange der Lockdown ist, wie gut er wirkt, und wie das Weihnachtsgeschäft & der Wintertourismus danach verläuft. Ein erneuter Lockdown im November 2020 hat auch Auswirkungen in die nächsten Jahre hinein: überschuldete Unternehmen, hohe Arbeitslosigkeit. Für 2021 rechnen WIFO & IHS daher nicht mehr mit Wirtschaftswachstum und noch einem weiteren verlorenen Corona-Jahr.
Aber was ist jetzt wichtiger? Gesundheit oder die Wirtschaft bzw. Arbeitsplätze?
Grundsätzlich ist es falsch einen Gegensatz zwischen Wirtschaft und Gesundheit herzustellen – wenn die Infektionszahl außer Kontrolle gerät, die Intensivstationen überlastet sind und ein Massensterben auftritt, dann geht monatelang niemand mehr einkaufen und feiern. Umgekehrt geht die Kontrolle über das Virus einher mit besserer Konsumlaune und wirtschaftlicher Aktivität.
Wen trifft ein zweiter Lockdown am härtesten?
Das erfahren wir für Österreich erst am Samstag nach der PK der Regierung. Wir können uns aber Deutschlands zweiten Lockdown anschauen. Unternehmen und Beschäftigte in folgenden Branchen sind betroffen:
Was schließt?
Was bleibt beim zweiten Lockdown offen?
Was heißt es für die Unternehmen? Welche Hilfen braucht es jetzt?
Für viele wird es jetzt noch einmal Wirtschaftshilfen brauchen. Der Regierung fällt jetzt alles auf den Kopf, was sie für kleine und mittlere Betriebe noch nicht geregelt hat. Viele Selbstständige haben keinen Zugang zur Arbeitslosenversicherung, wenn ihr Geschäft jetzt scheitert. Da braucht es eine Lösung.
Was ist z.B. mit den Mietzahlungen? Da brauchen Kleinunternehmen endlich gesetzlich Klarheit, dass die zum Teil erlassen werden müssen – das darf nicht vom Gutdünken der Vermieter abhängig sein. Deutschland will jetzt nach Abzug der Erlöse und Staatshilfen für kleinere und mittlere Unternehmen bis zu 75% der Umsätze des November 2019 auszahlen. Das ist zwar prinzipiell eine gute Idee, ob 75% aber eine angemessene Höhe sind, ist zu hinterfragen. Viele Unternehmer hätten im November 2020 sowieso nicht drei Viertel des Umsatzes des Vorjahres gemacht. Staat und Private müssen sich die Kosten der Pandemie teilen, so, dass die Unternehmen durch die Krise kommen und überleben. Aber auch nicht mehr.
Wichtig ist, dass Wirtschafts- und Arbeitsmarkthilfen besser als bisher bei den Richtigen ankommen – vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen, die Probleme haben. Großunternehmen, die zuerst Kurzarbeit und Wirtschaftshilfen in Anspruch nehmen, dann sich selbst aber eine üppige Ausschüttung zuschanzen, darf es nicht mehr geben. Da müssen wir in Österreich aufpassen. In Österreich gelten für den Zuschuss des Staates zu den Fixkosten der Unternehmen absurd hohe Grenzen, der erste sah bis zu 90 Millionen vor, der zweite nur wegen der EU weniger, aber Finanzminister Blümel hätte gerne 5 Mio. Da reden wir von Höhen, die nur Konzerne erreichen. In Deutschland gelten da nur ein paar Hunderttausend als maximale Grenze. Deutschland passt also besser auf, dass größere Konzerne sich nicht mit Corona-Hilfen sanieren. Der zweite Lockdown wäre eine gute Gelegenheit diese Fehler im System zu korrigieren.
Was heißt es für die ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen?
Zehntausende werden erneut ihre Arbeit verlieren. Die Zugangskriterien zur Kurzarbeit wurden verschärft. Da müsste die Regierung mit den Sozialpartnern morgen für den Lockdown noch einmal nachdenken, ob man die für manche Branchen nicht wieder entschärft, damit Kurzarbeit in den betroffenen Branchen des Lockdowns wieder leichter möglich ist.
Für Arbeitslose braucht es jetzt endlich die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Die Regierung ist uneins, heraus kommt immer wieder eine unzulängliche Einmalzahlung. Die meisten, die jetzt neu im November durch den zweiten Lockdown arbeitslos werden, werden laut aktuellem Plan nicht einmal die vollen 450 Euro bekommen. Das gehört endlich gelöst, indem das Arbeitslosengeld auf zumindest 70% des letzten Verdienstes angehoben wird.
Außerdem braucht es eine Aufstockung der Mindestsicherung/Sozialhilfe – 100 Euro mehr wären das Mindeste. Rund 270.000 Personen österreichweit bekommen Mindestsicherung – davon sind über 100.000 Kinder. Schon seit März gehen mehr Leute zu den Essensausgabestellen der Caritas. Die Regierung hat jetzt zwar auf 945 Euro netto erhöht, aber das wird erst 2021 wirksam und reicht in einer Pandemie nicht, wenn Arbeits- und Zuverdienstmöglichkeiten weg sind.
Können wir uns einen zweiten Lockdown überhaupt leisten?
Ja. Erst gestern wurde die Zahl publik, dass die Europäischen Zentralbanken 71% der zusätzlichen Staatschulden durch Corona indirekt aufgekauft haben. Deswegen sind die Zinsen für Staaten bei Null. Das bleibt auch noch jahrelang so, weil alle Regierungen in Europa in der gleichen Situation sind. Die Zinslast des Staates sinkt trotz stark steigender Verschuldung deshalb im Moment sogar. Und entscheidend für die langfristige Tragfähigkeit von staatlicher Verschuldung ist die Höhe der Zinslast und nicht die Höhe der Schulden.
Was sollte während des Lockdowns passieren? Was hat man verabsäumt?
Während des zweiten Lockdowns müssen wir einiges besser vorbereiten für die Zeit danach. Das Contact-Tracing gehört besser aufgesetzt, damit wir nach Ende des Lockdowns ab Dezember nicht bald darauf in den 3. Lockdown rutschen.
Wir müssen uns verabschieden von dem Dogma, dass der Staat nicht viel ausgeben soll, und alles möglichst effizient mit wenig Personal zu erledigen hat. In der Pandemie ist die beste Investition staatliche Beschäftigung, zum Beispiel Contact-Tracer anzustellen. Wenn ich dann wie das Land Oberösterreich 1.100 Euro für Studenten zahlen will, anstatt professionell vernünftige staatliche Jobs in großer Zahl zu schaffen, dann kann das nur schiefgehen. Wir haben 400.000 Arbeitslose, dann stellen wir halt 10.000 davon zusätzlich als Contact-Tracer auf Abruf an. Das wäre die beste Investition der Geschichte dieser Republik, wenn es den dritten Lockdown mit Milliardenkosten für die Republik verhindert.
Und nach dem Lockdown?
Wohin geht die Reise? Bis zum Impfstoff, der wohl im Frühjahr kommen wird und wirken wird, müssen wir die Infektionszahlen unter Kontrolle halten, um Überlastung der Intensivstationen und Übersterblichkeit zu verhindern. Bis dahin könnte laut Christian Drosten, dem bekannten deutschen Virologen des Robert-Koch Instituts, sogar noch ein 3. Lockdown nötig werden. Unternehmen und Beschäftigte müssen bis dahin durchgetragen werden. Danach muss eine Wirtschaftsankurbelung erfolgen, die wahrlich historische Ausmaße annimmt. Das Prinzip vergangener Regierung „Ein bisschen hier, ein bisschen da“ reicht da nicht bei weitem nicht aus. Ein guter Teil der Privatwirtschaft wird permanenten Schaden davontragen. Ein staatlicher Plan zum „Wieder in Gang bringen“ der Wirtschaft muss her – egal ob man das zweites Konjunkturpaket, Green New Deal oder Neuer Marshallplan nennen will. Sonst bleiben uns 100.000 Arbeitslose mehr.