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Demokratie

Auch im Fall Wöginger: Immer Opfer - die ÖVP

Auch im Fall Wöginger: Immer Opfer - die ÖVP
August Wöginger bei einem Ministerrat 2020 (Foto: Bundesministerium für Finanzen - 2020, CC BY 2.0, Link)
Die Diversion für August Wöginger im Postenschacher-Prozess war nie ein Freispruch. Die ÖVP feierte sie trotzdem so. Jetzt wo die Oberstaatsanwaltschaft Einspruch einlegt, stürzt sie sich wieder in die Opferrolle. Natascha Strobl kommentiert.

Vor wenigen Wochen musste sich ÖVP-Klubobmann August Wöginger wegen politischer Freunderlwirtschaft vor Gericht verantworten. Für eine Stelle am Finanzamt Braunau bekam ein Parteikollege den Vorzug vor einer besser qualifizierten Frau ohne ÖVP-Parteibuch. Wöginger hatte für ihn interveniert. Er kam mit einer Diversion davon, feierte dies aber wie einen Freispruch. 

Nun gibt es Einspruch gegen die Diversion und die ÖVP versucht, sich in bester Kurz-Manier als Opfer darzustellen.

Der Fall Wöginger: Feiern statt Demut

Man muss sich das vorstellen: Ein Spitzenpolitiker kommt in einem Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gerade noch davon, aber statt dies stillschweigend hinzunehmen, feiert er es wie einen Derbysieg. Vom Kanzler abwärts gratulieren alle dem guten Freund Gust, als käme er als Olympiasieger nach Hause. 

Dabei sollte ein Spitzenpolitiker nie in die Lage kommen, in der für die Öffentlichkeit offensichtlich ist, dass er Sachen gemacht hat, die nicht in Ordnung sind. Posten zuzuschanzen, ist für viele trotzdem alltägliches Geschäft. Wöginger hat allerdings nicht damit gerechnet, dass sich die unterlegene und viel besser qualifizierte Kandidatin das nicht gefallen lässt. 

Diversion – Ein Instrument für geringfügige Fälle

Und so landete die Sache gut dokumentiert vor Gericht. Eine Verurteilung war nicht unwahrscheinlich. Trotz der Schwere der Tat und dem großen Ansehensverlust von Parlament und Politik an sich wurde ihm eine Diversion angeboten. Das geht, wenn kein schwerwiegender Schaden durch eine Tat entstanden ist. Eine Diversion bedeutet, dass Angeklagte ihre Schuld eingestehen, sich glaubhaft entschuldigen und eine symbolische Wiedergutmachung leisten. 

Dieses Instrument wurde eigentlich für Müllmänner eingeführt, die unabsichtlich mehr als die pro Haushalt erlaubte Menge Müll mitnehmen und so der Gemeinde einen (geringen) Schaden verursachten, der aber keiner Verurteilung oder dienstrechtlicher Mittel bedurfte. Also für Fälle, wo es eine Einsicht gibt, aber nichts Schlimmes geschehen ist. Zusammengefasst als “Blöd gelaufen”.

Hier muss man kritisch fragen: Trifft das auf Wöginger überhaupt zu? Er ist kein „ungenauer Müllmann“, sondern einer der höchsten Politiker der Republik. Er hat das Gesetz nicht aus Versehen übertreten, sondern bewusst interveniert. Es geht nicht um einen Schaden im dreistelligen Euro-Bereich. Eine Frau wurde um ihre Karriere gebracht. Und die Republik muss ihr den Schaden mit Steuergeld ersetzen.

Danach zeigte er zumindest in der Öffentlichkeit weder Reue noch Dankbarkeit oder Einsicht in sein Fehlverhalten. Stattdessen demütigte er die Frau erneut, indem er seinen sogenannten Sieg feixend feierte.

Die ÖVP inszeniert die Opferrolle

Es verwundert kaum, dass die Oberstaatsanwaltschaft sich dieses Schauspiel nicht gefallen lässt und die Diversion nun anfechten lässt. Wöginger und die ÖVP haben die Bedingungen für die Diversion (Reue und Entschuldigung) innerhalb der Einspruchsfrist selbst unterlaufen. Das tut man nur, wenn man entweder sehr doof ist, oder sehr sicher sein kann, dass einem ohnehin nichts passieren kann. Die Bedingung war Reue und Entschuldigung. Statt einer öffentlichen Entschuldigung bei der Frau herrschte Derbysieg-Stimmung.

Die ÖVP wacht nun mit Katerstimmung auf und fühlt sich einmal mehr als das größte Opfer der Justiz. Im ÖVP-nahen Kurier wird bereits Stimmung gemacht und der ÖVP-Tenor lautet: „Wir lassen uns den Gust nicht so rausschießen wie Sebastian Kurz“. Die implizite Darstellung ist: Kurz hat nichts falsch gemacht und Wöginger auch nicht. Sie seien arme Opfer einer feindlichen Justiz. Der Gedanke, dass Wöginger längst zurücktreten müsste, kommt gar nicht erst auf. Es kurzelt schon wieder in der ÖVP. Respekt vor der Justiz, allgemeiner politischer Anstand oder zumindest der Versuch, das Ansehen der Politik nicht weiter zu beschädigen, hat keinen Platz.

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