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Arbeitswelt

Ein österreichischer Mindestlohn: Wie viel uns Arbeit wert sein muss und was das allen bringt

Ein Sack gefüllt mit Geld.
Ein 2.000 Euro Mindestlohn in Österreichs Kollektivverträgen würde Schluss machen mit Niedrigstlohnjobs. Auch die Unternehmen brauchen ihn.

„Arbeite, und dir wird ein Leben in bescheidenem Wohlstand möglich sein.“ Das galt lange Jahrzehnte als das Aufstiegsversprechen für die Nachkriegsgenerationen. Doch dass Arbeit vor Armut schützt, stimmte schon vor der Teuerungskrise für viele nicht. Verkäufer:innen, Köch:innen, Kellner:innen, Paketbot:innen, und Reinigungspersonal – alle bekommen sie ein niedriges Gehalt. Dass zudem gerade diese Jobs besonders hart und selbst mit einer Seuche vor der Tür unter allen Bedingungen zu machen sind, das hat uns die Corona-Krise noch einmal vor Augen geführt.

Was ist es unserer Gesellschaft wert, dass Menschen, die hart arbeiten, auch davon leben können? Die Antwort darauf muss jede Gesellschaft für sich treffen. Sie wird immer wieder neu verhandelt, zwischen Arbeitgeber:innen, die die Löhne drücken wollen, und Arbeitnehmer:innen, die armutsfeste Löhne verlangen. Über die Bande spielt der Staat mit, indem er manchmal gesetzliche Mindestlöhne setzt oder Arbeitsbedingungen regelt.

Der Wert der Arbeit steigt mit kollektivvertraglichen Mindestlöhnen

Die Antwort der österreichischen Gewerkschaften auf die Frage nach dem minimalen Wert der Arbeit: 2.000 Euro brutto pro Monat. Für jede Stunde Arbeit mindestens 13 Euro und 45 Cent, wenn man Urlaubs- und Weihnachtsgeld einrechnet. Geht es nach den Gewerkschafter:innen, soll niemand mehr in Österreichs Kollektivverträgen weniger als das verdienen. Für 625.000 Beschäftigte würde das Gehalt dadurch teils deutlich steigen. Egal ob Vollzeit oder Teilzeit: Jede fünfte unselbstständig beschäftigte Frau verdient pro Stunde so wenig, dass sie selbst bei Vollzeit keine 2.000 Euro erreicht. Bei den Männern ist es jeder Neunte.

Ausgerechnet dort, wo Unternehmen besonders oft nach Arbeitskräften suchen, verdienen Menschen am häufigsten weniger: Gastro, Handel, Reinigung. Berufe, in denen allen voran Frauen arbeiten. Ein Mindestlohn in dieser Höhe würde insbesondere ihre Arbeit aufwerten. Ein Mindestlohn nützt auch jenen indirekt, die über dem gesetzlichen Minimum verdienen. Es stärkt die Position in Lohnverhandlungen. Wer auf Jobsuche ist, oder den Job wechselt, kann nicht um weniger als den Mindestlohn angestellt werden. Den herben Kaufkraftverlust, den die Teuerung mit sich bringt, kann ein Mindestlohn stückweit abfedern. Alleine ein Mindestlohn in deutscher Höhe würde die Kaufkraft in Österreich um rund 950 Millionen Euro stärken.

Deutschland schafft den Kurswechsel, erhöht den Mindestlohn

Unser Nachbarland Deutschland ist berüchtigt für seinen großen Niedriglohnsektor – der größte in Westeuropa. Ein Ergebnis der wirtschaftlich verpatzten deutschen Einigung und der Hartz IV Reformen vor zwei Jahrzehnten. Im EU-Markt wurden Preise aufgrund der niedrigen Löhne in Deutschland gedrückt. Das hatte nicht nur einen niedrigen Lohn für die deutschen Beschäftigten zur Folge, sondern übte Druck auf die anderen Mitgliedsstaaten aus, die Löhne ebenfalls niedrig zu halten. Ganz einfach, um im Wettbewerb mithalten zu können.

In Deutschland wurde dieses Ungleichgewicht zu Lasten der Arbeitnehmer:innen erkannt. Die neue Regierung hat nun gehandelt. Mit der stufenweisen Erhöhung des Mindestlohns wird den Beschäftigten ein Mindeststandard an Bezahlung ihrer Arbeit gesichert. 6,6 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor verdienen nun mehr. Weil die Kollektivverträge dort schon ausgehöhlt wurden, erhöhte das Land seinen gesetzlichen Mindestlohn.

Die Antwort, die Deutschland auf den Wert der Arbeit aktuell gibt: zwölf Euro pro Stunde. Das macht bei Vollzeit ein Bruttogehalt von 1.782 Euro – vierzehn mal im Jahr. Nicht einmal diesen Mindestwert der Arbeit hat Österreich bisher erreicht. In Österreich würden 305.000 Menschen und deren Familien direkt profitieren, gäbe es einen Mindestlohn wie in Deutschland. Die Armutsgefährdung trotz Arbeit wäre damit deutlich reduziert.

Der Wettbewerb um Mitarbeiter:innen geht an Österreich nicht spurlos vorbei

Wollen Unternehmen verhindern, dass mobile Arbeiter:innen demnächst nach Deutschland abwandern, sollten sie für ihre Löhne eine Untergrenze festziehen. Köch:innen, Kellner:innen, Pflegekräfte. Sie alle können zwischen mehreren Ländern wählen und müssen für ihren Job oft ohnehin aus der Heimat wegziehen. Hierzulande beklagen sich Unternehmen lautstark, dass sie nach Arbeitskräften suchen müssen. Allzu oft liegt es aber am niedrigen Gehalt, dass sich niemand meldet. Nicht zuletzt ist es also auch im Interesse der österreichischen Unternehmer:innen, in Niedriglohnbranchen künftig besser zu bezahlen.

 

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