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Klimakrise
Fortschritt

Die Sache mit dem Greenwashing

Mit Greenwashing wollen Unternehmen sich in Klima- und Umweltfragen besser dastehen lassen, als sie wirklich sind. Und wir glauben es ihnen allzu gerne. Nunu Kaller hat in der Eskallertion genug davon.
 

Greenwashing

Nunu: Hallo bei der Eskallertion. Ich bin Nunu Kaller und wir sprechen hier einmal im Monat über Nachhaltigkeit, unsere Konsumwelt – und was damit nicht stimmt. Heute reden wir über Greenwashing.

Nunette: „Im Supermarkt achte ich immer drauf, was auf den Sachen draufsteht. „Naturnah“ zum Beispiel! Das ist doch super, da kann ich sichergehen, dass es nicht irgendein chemischer Scheiß ist.“ 

Nunu: „Erklär mir mal, was naturnah eigentlich genau bedeutet. Nah an der Natur? Sollten deine Paradeiser in deiner Packerlsuppe nicht AUS der Natur kommen und nicht nur aus der Nähe? Und das Palmöl drin, das ist ja auch von echten Ölpalmen, Natur, Pflanze und so, aber ist es deswegen plötzlich nachhaltig?“

Nunette: „Ach paperlapapp. Ich find das toll, dass so viele große Unternehmen jetzt kapieren, dass sie nachhaltig sein müssen – ich kauf jetzt nur noch Kleidung aus recycelten Materialien. Recyceltes Polyester, voll super, meine Bluse war mal mehrere Plastikflaschen!“ 

Nunu: Will was sagen, sagt nix mehr, hält sich stattdessen die Hand vors Gesicht und seufzt. Atmet kurz durch. 

„So, ich glaub, ich muss da was erklären. Die Aufmerksamkeitsspanne von KonsumentInnen ist kurz. Man redet uns schnell mal ein, wie schön grün und nachhaltig und naturnah die Packerlsuppe nicht ist. Und weiter… denken wir gar nicht nach. 

Guter Konsum ist keine Raketenwissenschaft

Wir sind davon schon befriedigt. Weil wir unbewusst nicht davon ausgehen, dass so ein Konzern uns gerade anlügt. Schon klar, bewusst wissen wir es, aber wer hat vorm Packerlsuppenregal nicht auch schon mal gedacht, oh, super, diese eine Suppe hier ist aus „natürlichen Zutaten“, aber umgekehrt nicht überlegt, woraus die anderen dann gemacht sind? 

An sich ist der Weg zu gutem Konsum nicht wirklich Raketenwissenschaft: Wir sollten weniger kaufen und das, was wir kaufen, sollte bitte bio und fair und nachhaltig sein. Klingt super. Und jedes Mal, wenn wir es wirklich schaffen, der Verführung des Billigjoghurts zu widerstehen und erst recht zum doppelt so teuren Bio-Joghurt im Mehrwegglas zu greifen, freuen wir uns. Wir haben dann das Gefühl, gerade dazu beizutragen, dass diese Welt eine bessere wird. 

Das ist jetzt nur halb so ironisch gemeint, wie es klingt, dieses Glücksgefühl bei ökologischem Konsum ist eine Tatsache – und genau diese wird von vielen Unternehmen eiskalt ausgenutzt. Einem Produkt einen grünen Anstrich zu geben, ist verkaufsfördernd – und praktischerweise lassen sich solche Produkte auch gleich teurer verkaufen. Aus Profitgründen ist aber oft nur der Anstrich grün – echt nachhaltige Produktion würde die Margen für einige viel zu sehr verringern. 

Und es passiert andauernd. 

Beispiele für Greenwashing

Beispiele gefällig? Hier mal ein paar der bekanntesten:  

Der Luxusmode und -taschen-Hersteller Louis Vuitton arbeitet mit sehr viel Leder und mit vinylgetränkter Baumwolle. Man erfährt aber nichts zu Fragen wie der Herkunft des tierischen Leders, Chrombelastung, zu Weichmachern oder zu recycling-Möglichkeiten.

Es gibt viele Möglichkeiten, da für Verbesserungen zu sorgen. Doch anstatt auf die eigenen Materialien zu achten, sprang Louis Vuitton 2011 auf ein anderes Thema auf, das damals sehr beliebt war: Die Rettung der Bienen. Statt an der eigenen Herstellung zu arbeiten, stellte man auf dem Champs-Elysees in Paris Bienenstöcke auf. Macht ein tolles grünes Image, hat aber nichts mit ihrem Kerngeschäft zu tun. 

McDonalds beschloss 2009, den roten Hintergrund des weltberühmten Logos durch einen grünen auszutauschen. Man erklärte selbst, dass der Farbwechsel „als Bekenntnis zum Respekt vor der Umwelt zu werten“ sei. Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll: Der Konzern verkauft weltweit Billigfleischprodukte aus Tiere quälenden Betrieben, die obendrein ungesund und fettig bis dorthinaus sind, in Einwegverpackungen. Viel unökologischer geht’s eigentlich nicht, außer sie hätten auch noch eigene Tankstellen vor den Filialen. 

Genauso berühmt: Saufen für den Regenwald. Die deutsche Brauerei Krombacher warb wiederholt damit, dass sie beim Kauf einer Kiste Bier einen gewissen Betrag an den WWF spenden würde, der dadurch einen Quadratmeter Regenwald in Zentralafrika schützen würde. Das war, zumindest zu Beginn, eine reine Imagekampagne, die Geld an den WWF regnen ließ, weil die Deutschen sich brav Quadratmeter für Quadratmeter ersoffen. Im eigenen Unternehmen auf Nachhaltigkeit zu schauen, das kapierte Warsteiner erst Jahre später. Das schadete ihnen aber nicht. Ihr Umsatz stieg enorm. 

Nunette nimmt einen Schluck Bier. 

Better Cotton Initiative: Konzerne machen sich Regeln selbst

Nunu: Ein ganz beliebtes Tool bei Greenwashern: Sie gründen Initiativen. Zum Beispiel die Better Cotton Initiative. Die wurde 2005 unter anderem von adidas, Ikea und H&M sowie einigen NGOs wie dem WWF gegründet. Die BCI erklärte, sich um „bessere Baumwolle“ – daher der Name – bemühen zu wollen. In den Standards der BCI stand aber ganz klar: Wir sind offen für gentechnisch verändertes Saatgut und auch die Liste der Pestizide, die nicht verwendet werden dürfen, ist jetzt nicht rasend lang.

Der Oberclou: Man muss sich nicht mal an alle Maßnahmen der BCI halten, sondern nur um die notwendigsten, um die Baumwolle als BCI-Produkt verkaufen zu können – es zählt lediglich der Nachweis kontinuierlicher Verbesserung. Das ist total praktisch, das heißt nämlich, man kann als IKEA theoretisch Baumwolle von einem komplett konventionell und umweltzerstörerisch produzierenden Werk kaufen, das kurz zuvor gesagt hat: Hey, wir wollen bei BCI dabei sein und exakt diese Baumwolle den KundInnen bereits als „besser“ und ergo „nachhaltiger“ verkaufen. Und es geht nur ums Produkt, nicht um die Ernte. Die kann von Kindern auch durchgeführt werden, egal, ist trotzdem „bessere Baumwolle“. Es gibt noch andere Probleme mit dem Siegel. Kurz: Große Konzerne haben sich die Regeln selbst geschrieben und erklären uns nun, das sei nachhaltig. Nö, ist es nicht. 

Der Schmäh mit der Conscious Collection

Diese Liste wäre nicht komplett, ohne meinen liebsten Greenwasher zu erwähnen:  den Textilschweden. Um dessen vollmundige Ankündigungen, dass bis 2020 alle Produkte aus Better Cotton – Zwinker Zwinker – oder anderen „nachhaltigeren“ Materialien wie recycletem Polyester sein würden, ist es inzwischen ruhiger geworden. Dafür haben sie nun die  sogenannte Conscious Collection, also die eine oder, ok, zwei Vorzeigekollektionen, die aus den restlichen fünfzig Kollektionen, die stinknormal umweltschädlich produziert wurden, herausstechen sollen. Die Kollektion besteht aber gar nicht mal nur aus nachhaltigen Materialien. Das ist so daneben, dass der norwegische Verbraucherschutz H&M 2019 für seine „irreführende Vermarkung“ ihrer Conscious Collection kritisierte.“

Nunette schaut traurig auf ihre Bluse: „Ja aber sorry, wie soll ich das alles so genau wissen?“ 

Nunu: „Genau da liegt das Problem: Von einzelnen KonsumentInnen kann man nicht erwarten, dass sie bis ins Detail über die Produktionsweise der von ihnen gekauften Produkte informiert sind. Außerdem arbeiten sogar viele tunlichst daran, die Herkunft ihrer Produkte ordentlich zu verschleiern. Und nicht nur wird uns KonsumentInnen die Schuld für die Umweltverschmutzung zugeschoben, nein, unser Wunsch nach einer sauberen Umwelt wird sogar noch per Marketing und Werbung eiskalt ausgenutzt. Niemals würde ich die Verantwortung für die eigenen Kaufhandlungen in Frage stellen, aber wie soll ich wissen, ob mein Shirt wirklich aus „besserer“ Baumwolle und „eh halbwegs fair“ produziert ist? Erzählen kann man es mir. Ich kann nicht erkennen, ob es bio ist oder nicht. Und genau das wird ausgenutzt. Man spekuliert darauf, dass KundInnen sich im Detail nicht auskennen. 

Woher kommt Greenwashing?

Übrigens, schon der Ursprung des Begriffs Greenwashing zeigt die Verhältnismäßigkeiten und Verantwortungsverschiebungen auf, um die es (mir) geht. Er wurde in den 1980er Jahren vom Umweltaktivisten Jay Westerveld aufgebracht, der in einem Aufsatz die Zustände der damaligen Hotelindustrie kritisierte. Damals begannen Hotels, in den Badezimmern Schilder aufzuhängen, auf denen darum gebeten wurde, dass man doch das Handtuch aufhängen solle, wenn man es weiterverwenden wolle – oder auf den Boden werfen, wenn es gewaschen werden soll. Man erklärte den Hotelgästen, dass sie damit einen relevanten Beitrag dazu leisten konnten, dass im Hotel Wasser, Waschmittel und Energie gespart werden würde. Im Vergleich zu den sonstigen Dingen, die sich in einem konventionellen Hotel abspielen, von Klimaanlagen über sonstige Energiefresser bis hin zu der großen Lebensmittelabfallmenge, die bei großen Hotels anfällt, ist das aber auf gut Deutsch nicht mal der Dreck unterm Fingernagel. Beim Gast blieb aber hängen: Hey, super, die achten sogar in Details auf den Umweltschutz, und ich kann etwas beitragen. 

Ja, mit gutem Gewissen lässt sich verdammt gut Umsatz machen. 

Nunette schaut in die Kamera und lässt ein Handtuch fallen. 
 

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