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Demokratie

Abschiebungen nach Afghanistan: Wie die Grünen sich selbst relativieren

Soll es einen Stopp für Abschiebungen nach Afghanistan geben? Die Debatte entbrennt in Europa. Seit dem Abzug der USA gewinnen die extremistischen Taliban überall im kriegsgebeutelten Land wieder Gebiete zurück. Es ist nicht sicher. Die Grünen wollen Abschiebungen beenden, schwächen ihre eigene Position in der Auseinandersetzung mit der ÖVP aber selbst. Warum, analysiert Natascha Strobl.

Vor einigen Tagen erschien ein Interview mit Ingrid Felipe. Die Landeshauptmann-Stellvertreterin aus Tirol ist eine der wichtigsten grünen Politikerinnen des Landes. Thema waren die Abschiebungen nach Afghanistan, wo gerade die Taliban große Teile des Landes zurückerobern.

 
Ingrid Felipe im "APA-Sommerinterview" zu Abschiebungen nach Afghanistan

Ingrid Felipe im „APA-Sommerinterview“ zu Abschiebungen nach Afghanistan

In dieser bemerkenswerten Passage offenbart sich, warum die Grünen rhetorisch (und damit politisch) so oft von der ÖVP überrollt werden. Die Forderungen nach einem (logischen) generellen Abschiebestopp relativiert Felipe ganz von selbst, indem sie meint, „Frauen und Mädchen“ nach Afghanistan abzuschieben sei „letztklassig“.

Hier baut sie einen Strohmann auf, den sie leicht als Erfolg verkaufen kann. Falls man gegen die ÖVP nicht durchsetzen kann, dass grundlegende Menschenrechte oder die Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten werden, dann kann man immerhin behaupten verhindert zu haben, dass Frauen und Mädchen abgeschoben wurden.

Frauen werden fast nie nach Afghanistan abgeschoben

Die Krux: Frauen und Mädchen werden auch ganz ohne die Ansagen von Ingrid Felipe normalerweise nicht abgeschoben, mit einer Ausnahme im Jahr 2019 (mit Dank an Lukas Gahleitner-Gertz und Doris Schneitinger, die dies recherchiert haben).

Demgegenüber wurden 585 Männer zwischen 2015 und 2019 nach Afghanistan abgeschoben. Es ist also sehr einfach zu sagen, man habe die Abschiebungen von Frauen und Mädchen verhindert, wenn diese sowieso so gut wie gar nicht vorkommen. Es ist nicht schwer, sich darauf zu einigen und das als Erfolg zu verkaufen. Nur musste man dafür gar nichts tun.

Man tut dann so, als hätte man etwas erkämpft – obwohl es ohnehin schon Realität war. Das ist eine Strategie, die dazu dient, die eigene Basis zu beruhigen und vorzugeben, auch Erfolge zu erringen bzw. harte Ansagen zu machen.

Mit einer Minimalforderung in die Verhandlung

Gleichzeitig geht man mit so einer Ansage schon mit einem Kompromiss in etwaige Verhandlungen mit dem Koalitionspartner und schwächt sich selbst. Bloß nicht zu viel fordern, auch wenn das „Viel“ nur das kleinste zivilisatorische Minimum ist. Lieber gleich einen scheinbar vernünftigen Kompromiss anbieten, der niemandem weh tut und der so wirkt, als hätte man das Maximum rausgeholt.

Auch mit dieser angstvollen Selbstrelativierung befördert man als Koalitionspartner eine Partei wie die ÖVP. Entschlossen dagegenhalten sieht in jedem Fall anders aus. 

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