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Ungleichheit

Angehörige erzählt: "Ein Frauenmord ist kein Beziehungsdrama"

Katrin Biber, 34, hat vor sieben Jahren ihre Schwester Larissa verloren. Sie wurde ermordet, von ihrem damaligen Freund. Seitdem beschäftigt sich Katrin mit Trauer, hat sogar ein Buch über die Zeit zwischen dem Mord an Larissa und dem Schuldspruch des Täters geschrieben. Die Berichterstattung über Frauenmorde macht sie heute noch wütend. Wieso, das erzählt sie für die Serie "Was ich wirklich denke".

Gerade hat ein Mann in Kärnten mutmaßlich zwei Frauen ermordet. Er war amtsbekannt, über ihn wurden Betretungsverbote verhängt. Im Frühstücksfernsehen habe ich dann einen Beitrag über den Fall gesehen. Anstatt darüber zu sprechen, wieso ein gewalttätiger Mann nicht aufgehalten werden konnte oder darüber, wie die PolitikerInnen jetzt reagieren müssten, ging es um Bier. Ja, tatsächlich. Zwischen den Morden war der Mann wohl ein Bier trinken und im Fernsehen sprachen sie nicht über die viel zu häufige Männergewalt an Frauen, nein, sie interviewten die Besitzern des Cafés, die dem Mann das Bier servierte. Wem sollen diese Informationen helfen?

Falsche Interviews

Im Jahr 2013 wurde meine Schwester Larissa ermordet. Ich weiß aus erster Hand, was die ständige, sensationsgierige Berichterstattung mit den Angehörigen macht. Ich erinnere mich noch, wie wütend ich geworden bin, wenn in den Medien ihr Name oder ihr Alter falsch angegeben wurde. Über den Täter hingegen wusste man alles, von der Frisur, bis zu dem Outfit, das er bei der Tat trug.

Die Medien haben im Nachspiel von Larissas Tod viel kaputt gemacht. Bei ihrer Beerdigung, am schlimmsten Tag meines Lebens, habe ich hinter einem Grabstein einen Fotografen entdeckt. Ein paar Tage später war das Foto groß in der Zeitung. Neun Monate lang gab es beinahe jede Woche einen neuen Bericht. Bekannte haben mir die Artikel zugeschickt, lange nachdem ich selbst beschlossen habe, mir das nicht mehr anzutun. Ich war mit meiner Schwester beim Arzt, das Radio lief und der Sprecher kündigte Neuigkeiten in Larissas Fall an. Wir mussten uns die Ohren zuhalten, um nicht im Wartezimmer komplett zusammenzubrechen. Dann ist in einer Zeitung ein Interview mit meiner Mutter erschienen, das sie nie gegeben hat. Heute überlege ich mir drei Mal, ob ich glaube, was in der Zeitung steht. Die Medienberichte haben uns lange verfolgt.

Platzkarten vor Gericht

Als es dann endlich soweit war und der Prozess neun Monate nach Larissas Tod begonnen hat, habe ich mich dazu entschieden, wegzufahren. Ich bin alleine mit meiner Schwester im Herzen an den Gardasee gefahren und habe versucht, ihren Tod zu verarbeiten. Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Der Gerichtsprozess war wie ein Schauspiel. Tage zuvor wurden Platzkarten verteilt, weil der Andrang so groß war. Das hätte ich schwer ausgehalten, die fremden, gaffenden Menschen im Gerichtssaal.

In dieser ganzen Zeit ist immer der Täter im Fokus gestanden. Die Tat. Jedes Detail. Ich wollte, dass Larissa im Mittelpunkt steht, der wunderbare Mensch, der sie war, unsere Liebe zu ihr. Das ist ein Grund, wieso ich ein Buch geschrieben habe über Larissas Vermächtnis. Die Trauer um meine Schwester hat meine Welt erschüttert. Ich habe die Kraft gefunden, mich aufzuraffen, etwas zu tun. Ich arbeite mit Frauenhäusern zusammen und helfe Trauernden mit Sport durch ihren Schmerz. Ich wollte nicht untätig dabei zusehen, wie wir daran scheitern, dass wir mit dem Tod nicht umgehen können.

Ein Frauenmord ist kein Drama

Wenn ich heute im Bezug auf einen Frauenmord das Wort „Beziehungsdrama“ lese, klingt das für mich nach Theaterstück, nach Krimi. Dabei sind echte Menschen gestorben. Der Begriff verschönert die schmerzhafte Realität. In Österreich bringen Männer regelmäßig Frauen um. Wir müssen dringend anfangen, über die Strukturen zu sprechen, die sich dahinter verbergen. Diese Obsession mit den Details der Tat verschleiert nur, dass wir ein gesamtgesellschaftliches Problem haben. Ich möchte Artikel darüber lesen, wie wir Gewalt in der Zukunft verhindern können, Hinweise für Betroffene und Angehörige im Fernsehen sehen, ich will, dass wir offen über Trauer sprechen.


Du bist von Gewalt betroffen oder kennst jemanden? Hier kannst du dich melden:

Katrins Buch: „Larissas Vermächtnis“ ist 2020 erschienen.

 
Cover des Buchs von Katrin Biber "Larissas Vermächtnis" zeigt Biber und ihre Schwester Larissa.
 
 

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