Antisemitismus: Diese 28 bedenklichen Straßennamen gibt es in Wien noch
Seit einem Jahr ist das Karl-Lueger-Denkmal am Stubentor in Wien mit dem Wort „Schande“ besprüht. Der frühere Wiener Bürgermeister war bekennender Antisemit. Mittlerweile will die Stadt das Denkmal mit einem „neuen künstlerischen Kontext“ versehen. Doch Karl Lueger ist nicht der einzige Feind von Juden und Jüdinnen, den Wien noch in seinen Straßen ehrt.
Insgesamt 170 Straßenschilder gelten laut Zeithistoriker Oliver Rathkolb als problematisch. 28 davon sind Personen gewidmet, die „offensiv und nachhaltig antisemitische Einstellungen und andere gruppenbezogene menschenfeindliche Vorurteile vertreten haben.“ Diese werden mittlerweile mit Erklärtafeln ergänzt.
Der jüdischen Minderheit in Wien ist das nicht genug. Zum 83. Jahrestag der Novemberpogrome des NS-Regimes überklebten jüdische Aktivist:innen 23 der 28 Straßennamen. Mit Namen von jüdischen und nicht-jüdischen Widerstandskämpfer:innen. „“Wir begrüßen die Aktion der Aktivist:innen ausdrücklich“, heißt es von den jüdischen österreichischen Hochschüler:innen. Wir zeigen euch, welche Personen hinter den Straßennamen stecken.
Das sind die 28 bedenklichsten Straßennamen, die nach wie vor Wiener Straßenschilder zieren:
1., Wiesingerstraße
Dr. Albert Wiesinger (1830 bis 1896) war Chefredakteur der Wiener Kirchenzeitung. Seine antijüdischen Polemiken bahnten dem Rassenantisemitismus den Weg.
1., Dr.-Karl-Lueger-Platz und 14., Dr.-Karl-Lueger-Brücke
Dr. Karl Lueger (1844 bis 1910) war von 1897 bis 1910 Wiener Bürgermeister. Sein populistischer Antisemitismus begünstigte die Verbreitung des Nationalsozialismus.
3., Stelzhamergasse
Der Lyriker Franz Stelzhamer (1802 bis 1874) verfasste nicht nur die oberösterreichische Landeshymne, sondern auch viele Werke, die von antisemitischen Klischees durchtränkt sind.
10., Dr.-Eberle-Gasse
Dr. Konrad Eberle (1903 bis 1961) war Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Er denunzierte einen Berufskollegen mit einer jüdischen Ehefrau.
10., Saßmanngasse
Autor Hanns Saßmann (1882 bis 1944) schrieb Drehbücher, die stark von nationalsozialistischem Gedankengut beeinflusst waren.
10., Weldengasse
Franz Ludwig von Welden (1780 bis 1853) war Offizier und Militärschriftsteller und maßgeblich für die rigorose Verfolgung von Oppositionellen verantwortlich.
12., Dr.-Boehringer-Gasse
Dr. Ernst Boehringer (1896 bis 1965) war Mitbegründer des Pharmastandortes Wien und SA- und NSDAP-Mitglied.
13., Josef-Pommer-Gasse
Josef Pommer (1845 bis 1918), Leiter des Österreichischen Volksliedwerkes und Reichsratsabgeordneter der Deutschen Volkspartei. Er vertrat offensiv antisemitische Positionen.
13., Sebastian-Brunner-Gasse
Sebastian Brunner (1814 bis 1893) gründete die „Wiener Kirchenzeitung“ und war Vertreter des österreichischen katholischen Antijudaismus.
14., Müller-Guttenbrunn-Straße
Dr. Adam Müller-Guttenbrunn (1852 bis 1923) war Dramatiker, Romanschriftsteller und Feuilletonist. Er gestaltete Spielpläne am Theater mit antisemitischen Stücken.
14., Josef-Schlesinger-Straße
Dr. Josef Schlesinger (1831 bis 1901) war Mathematiker, Naturphilosoph und Rektor der Hochschule für Bodenkultur. Er bediente sich als christlich-sozialer Politiker einer aggressiven antisemitischen Rhetorik.
16., Josef-Weinheber-Platz
Josef Weinheber (1892 bis 1945) schrieb Wiener Dialektgedichte, war NSDAP-Mitglied und wurde von den Nationalsozialisten für seine Werke verehrt.
16., Pschorngasse
Karl Pschorn (1885 bis 1945) war Mundartdichter, seit 1932 NSDAP-Mitglied und Fachberater für das Mundartschrifttum der NS-Reichsschrifttumskammer.
17., Leopold-Kunschak-Platz
Leopold Kunschak (1871 bis 1953) war Mitbegründer der ÖVP, erster Nationalratspräsident der Zweiten Republik und bekennender Antisemit.
21., Robert-Lach-Gasse
Robert Lach (1874 bis 1958) war ein Musikwissenschaftler und forschte zu inner- und außereuropäischen Musikrichtungen. Lach war NSDAP-Mitglied.
21., Spundagasse
Prof. Dr. Franz Spunda (1890 bis 1963) war ein Schriftsteller, NSDAP-Mitglied und beim „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“, einer NS-Tarnorganisation.
22., Chvostekgasse
Franz Chvostek (1864 bis 1944) war ein Arzt, Gegner des Frauenstudiums und Rassenhygieniker.
22., Dusikagasse
Franz Dusika (1908 bis 1984) war Radrennfahrer und profitierte als NSDAP-Mitglied von der „Arisierung“ eines Fahrradgeschäftes.
22., Haberlandtgasse
Michael Haberlandt (1860 bis 1940) war Begründer und Direktor des „Volkskundemuseums“, welches zum Treffpunkt illegaler Nationalsozialisten wurde.
22., Häußlergasse
Franz Häußler (1899 bis 1958) war ein Autor von Lehrbüchern der Psychologie und Philosophie. Gründete 1934 die Bildungseinrichtung „Jung-Urania“, eine NS-Tarnorganisation, die 1938 in die Hitlerjugend übergeführt wurde.
22., Kasparekgasse
Fritz Kasparek (1910 bis 1954) war ein erfolgreicher Alpinist und SS-Mitglied.
22., Kloepferstraße
Hans Kloepfer (1867 bis 1944) war Dichter, NSDAP-Mitglied und wurde vom NS-Regime gefördert und ausgezeichnet.
22., Seefeldergasse
Richard Seefelder (1875 bis 1949) war Rektor der Universität Innsbruck. Seit 1933 Mitglied der NSDAP und der SS.
23., Manowardagasse
Josef von Manowarda (1890 bis 1942) war Musiker und beteiligte sich aktiv am Nationalsozialismus ab 1933.
23., Maria-Grengg-Gasse
Maria Grengg (1888 bis 1963) malte und illustrierte Heimatromane und war NSDAP-Mitglied. 1936 den österreichischen Staatspreis für Literatur. Ihre Werke sind rassistisch.
23., Pfitznergasse
Hans Pfitzner (1869 bis 1949) war ein deutscher Musiker mit Wahlheimat in Wien. Als Antisemit verharmloste er die Nazi-Verbrechen.
23., Porschestraße
Ferdinand Porsche (1875 bis 1951) ist „Vater des Volkswagens“ und des „Porsche“. Als NSDAP- und SS-Mitglied beschäftigte er Zwangsarbeiter:innen und war in der NS-Rüstungsindustrie tätig.
Quelle:
Stadt Wien: Zusatztafeln für historisch belastete Straßennamen