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Arbeitswelt
Kapitalismus

Auch Akademikerinnen und Akademiker finden derzeit keinen Job

Auch Akademikerinnen und Akademiker finden derzeit keinen Job
Jung, fertig studiert - und arbeitslos. Die Wirtschaftskrise trifft auch Akademiker und AkademikerInnen. Foto: Pexels.com/Andrea Piacquadio
Im Vergleich zum Vorjahr gibt es um 20 Prozent mehr arbeitslose Akademiker:innen im Alter von 20 bis 34 Jahren. Wer jetzt fertig studiert hat und arbeitslos ist, hat mitunter ein Leben lang mit Nachteilen zu kämpfen. Viele Absolvent:innen bekommen also keinen Job - und keine staatliche Hilfe. Andere Länder fangen sie viel besser auf.
Klemens Lobnig ist 29 Jahre alt und ist heuer im Sommer mit seinem Master-Studium in Internationale Entwicklung fertig geworden. Eigentlich wollte er nach der Diplomprüfung ein Monat Pause machen und sich dann langsam um einen Job umsehen. Doch ihm war klar, dass es aufgrund der Corona-Krise am Arbeitsmarkt trüb aussieht. So hat er sofort zahlreiche Bewerbungen geschrieben – bekommt jedoch nur Absagen. “Ich habe mich auch auf Stellen beworben, für die ich überqualifiziert bin. Da stellt sich mein Abschluss eher als Nachteil heraus. Aber ich bin jung und im vollen Besitz meiner Kräfte, ich möchte arbeiten und bin bereit, alles Mögliche zu tun,” erzählt der Akademiker.
 
Klemens Lobnig sitzt mit Kopfhörern im Ohr in seinem Zimmer.

Klemens Lobnig findet auch als Akademiker derzeit keinen Job. Foto: Privat

 

Klemens hat das Pech, einfach inmitten einer Wirtschaftskrise mit dem Studium fertig geworden zu sein. Nicht nur er, sondern viele seiner Kolleg:innen haben nun Probleme einen Job zu finden oder haben ihn verloren. Während des ersten Lockdowns waren im Mai und April weit über 13.000 Akademiker:innen im Alter von 25 bis 35 Jahren arbeitslos. Im Vorjahr waren es in diesen Monaten nur rund 9.000. Soziologe Johann Bacher glaubt, dass diese Zahlen nur die Spitze des Eisberges darstellen: “Es studieren sicher viele weiter, machen einen Master oder ein Doktorat, weil sie eben nichts finden.”

Noch hat sich Klemens nicht auf Jobs beworben, die mit seiner Ausbildung gar nichts mehr zu tun haben. Er hofft, doch noch etwas halbwegs passendes zu finden, hat zu seinem Glück auch einen kleinen finanziellen Polster und kann eine zusätzliche Ausbildung machen. “Ich weiß, dass ich da in einer privilegierten Situation bin”, erzählt er.

Kein Arbeitslosengeld, keine Familienbeihilfe und kein geringfügiger Job

Klemens ist da bestimmt in einer besseren Position als andere Studierende, doch wie viele andere hat auch er nebenbei gearbeitet. Er hat Veranstaltungen organisiert, die wurden jedoch aufgrund der Corona-Krise abgesagt. 

Der Soziologe Bacher und der Wirtschaftswissenschafter Dennis Tamesberger schätzen, dass rund 7.400 Studierende ihren Job verloren haben. Ein Großteil dieser Gruppe kommt im Monat nicht über die Geringfügigkeitsgrenze – das heißt, dass der Lohn so gering ist, dass davon keine Steuern und keine Versicherung bezahlt werden müssen. Doch diese paar Hundert Euro im Monat sind für viele notwendig, um die Lebenshaltungskosten decken zu können.

Kein Arbeitslosengeld bei geringfügiger Beschäftigung

Wer Familienbeihilfe oder ein Stipendium bezieht, darf eine gewisse Zuverdienstgrenze nicht übersteigen, um die finanziellen Förderungen nicht zu verlieren. Viele kommen aber ohnehin nicht über die Geringfügigkeitsgrenze – denn fürs Studium muss ja auch noch Zeit bleiben. Der Nachteil der geringfügigen Beschäftigung: Wer nicht in einen Versicherungstopf einbezahlt, bekommt dann auch kein Arbeitslosengeld. Und da gerade in der Krise die Gastronomie stark betroffen ist und für geringfügige Tätigkeiten zunächst keine Kurzarbeit beantragt werden konnte, ging ein Groß dieser Jobs als erstes verloren.

Für jene, die heuer ihr Studium abgeschlossen haben, kommt mitunter eine verhängnisvolle Verkettung von Ereignissen zusammen: Sie erhalten keine Familienbeihilfe mehr, Job finden sie keinen, die geringfügige Nebentätigkeit ist mitunter weg oder wirft zu wenig zum Leben ab und Arbeitslosengeld gibt es auch keines. Wer da keine Eltern hat, die einem finanziell unter die Arme greifen, ist schnell aufgeschmissen.

Student:innen und Absolvent:innen. Aus der ersten Krise nichts gelernt

Wie sehr eine Krise Absolvent:innen trifft, zeigen Studienergebnisse von der Wirtschaftskrise 2009, wie Martin Unger vom Institut für Höhere Studien erklärt: “Die Daten zeigen, dass die Student:innen, die damals gerade mit dem Studium fertig geworden sind, bis heute seltener erwerbstätig sind, als andere Gruppen von Absolvent:innen.” 

Damals ging auch die Anzahl der Studienanfänger:innen und jenen hoch, die ihr Studium eigentlich schon abgebrochen hatten – besser studieren oder eine Ausbildung machen, als arbeitslos sein. Die Universitäten waren damals mit diesem Andrang überfordert, die Studienbedingungen in manchen Richtungen miserabel – was in den “Uni brennt”-Studentenprotesten mündete.

Wer in jungen Jahren länger arbeitslos ist, hat mitunter ein Leben lang Nachteile

Die Forschung weiß längst, dass frühe Arbeitslosigkeit das Berufsleben langfristig prägen kann. Wissenschaftler:innen bezeichnen diese bleibenden Narben “Scarring-Effekte”: Wer in einer Krise den Job verliert, läuft Gefahr, auch später auf einem niedrigeren Einkommensniveau zu bleiben und hat ein höheres Risiko, erneut arbeitslos zu werden. Studien aus Schweden zeigen, dass junge Menschen, die kurz nach ihrem Schulabschluss mindestens 50 Tage am Stück arbeitslos sind, auch fünf Jahre später 17,5 Prozent weniger verdienen als der Durchschnitt. Auf Österreich umgelegt heißt das: Berechnet nach dem typischen Einstiegsgehalt von 1.600 Euro, verdienen kurz nach der Matura arbeitslos gewordene Absolvent:innen fünf Jahre nach Jobantritt noch immer 280 Euro weniger als der Durchschnitt.

Unger beklagt, dass die Politik keine Studien in Auftrag gibt, um angesichts dieses Wissens  in Österreich die Situation von Student:innen und Absolvent:innen zu erforschen – während andere Länder längst Maßnahmen gesetzt haben um zu verhindern, dass junge Menschen trotz guter Ausbildung ein Leben lang negative Folgen von dieser Wirtschaftskrise spüren.

Andere Länder zeigen vor, wie Student:innen und Absolvent:innen geholfen werden kann

In Singapur hat die Regierung bereits zu Beginn der Krise im Frühling reagiert und hunderte staatliche Jobs für Absolvent:innen geschaffen, sowie Geld für Praktika, weiterführende Ausbildungen und Stipendien für jene, die nach einem Studium nun weiterstudieren wollen.  

In Thailand bezahlt die Regierung die Hälfte des Gehalts für ein Jahr, wenn Firmen jetzt Absolvent:innen anstellen. 

Die kanadische Regierung hat im Juni hat ein Rettungspaket in der Höhe von 600 Millionen geschnürt, um Student:innen und Absolvent:innen in der Corona-Krise zu helfen. Es gibt nun großzügige Stipendien und wer etwa keinen Sommerjob bekam, der wurde für gemeinnützige Arbeit entlohnt.

Von der österreichischen Regierung kamen bislang keine Ideen, um Student:innen zu unterstützen. Im Gegenteil wird derzeit eine Studienrechtsnovelle ausverhandelt, die Studierende zukünftig unter mehr Leistungsdruck setzen soll – wer keine Mindeststudienleistung erbringt, der kann nun vom Studienfach ausgeschlossen werden und könnte erbrachte Studienleistungen verlieren. Kein Wunder, dass die österreichische Hochschülerschaft dies heftig kritisiert: “Wir fordern Mindestunterstützung, statt Mindeststudienleistung!” 

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