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Was tun gegen Verschwörungserzählungen? “Fragen stellen, respektvoll dagegenhalten und cool bleiben”

Die Digitalexpertin und IT-Kolumnistin Ingrid Brodnig hat ein Buch über Verschwörungserzählungen geschrieben. In "Einspruch!" gibt sie Tipps für Diskussionen. Fünf Fragen an die Expertin.
“Das Corona-Virus ist erfunden“ oder “Die Impfung verändert die DNA.” Auch schon mal gehört? Verschwörungserzählungen scheinen derzeit nur so aus dem Boden zu sprießen. Aber wieso glauben Menschen eigentlich daran? Ist es der richtige Weg, sie als dumm oder verrückt abzustempeln? Und was kann man tun, wenn man im Gespräch mit einer Verschwörungserzählung konfrontiert wird? Die Digitalexpertin und IT-Kolumnistin Ingrid Brodnig hat ein Buch über Verschwörungserzählungen geschrieben. In „Einspruch!“ gibt sie Tipps für Diskussionen. Fünf Fragen an die Expertin.  

#1 Was sind Verschwörungserzählungen eigentlich?

Brodnig: Verschwörungserzählungen bieten eine große Erklärung und geben ihren AnhängerInnen das Gefühl, die Wahrheit erkannt zu haben. Der Wissenschaftler Michael Butter hat das mal schön zusammengefasst: Verschwörungsmythen gehen davon aus, dass nichts aus Zufall geschieht. Sie behaupten, dass alles geplant wurde, dass es einen dunklen Plan gibt, dass alles zusammenhängt. Und sie nehmen an, dass nichts so ist wie es scheint. Verschwörungserzählungen sind meist so aufgebaut, dass sie Gegenargumente nicht zulassen. Dann werden etwa wissenschaftliche Ergebnisse plötzlich zu einem Teil der vermeintlichen Verschwörung uminterpretiert.

 
Zitat von Ingrid Brodnig

#2 Warum glauben Menschen daran?

Brodnig: Verschwörungserzählungen bieten einfache Antworten auf alle möglichen Fragen. Menschen glauben eher daran, wenn sie den eigenen Erwartungen und Wünschen entsprechen. Und gerade in Phasen der Verunsicherung, in denen Menschen das Gefühl haben, dass ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird – genau dann werden solche Erzählungen attraktiv. So glauben Personen, die große Angst in der Corona-Krise haben, auch eher an pandemiebezogene Verschwörungserzählungen. Das hat das Management Center in Innsbruck schon vergangenen Sommer festgestellt. Für diese Menschen ist es womöglich angenehmer zu glauben, das Corona-Virus wäre eine Erfindung und eigentlich könnten wir zur Normalität zurückkehren. Dann müssen sie die Realität nicht akzeptieren, nämlich dass die Corona-Pandemie eine reale Gefahr ist.

#3 Was kann man tun, wenn das Gegenüber eine Verschwörungserzählung verteidigt?

Brodnig: Zuerst vorfühlen, wie stark die Person von der Erzählung überzeugt ist. Für manche sind Verschwörungserzählungen zwar verlockend, aber sie sind noch nicht davon eingenommen. Da ist es noch leichter, auf die Unstimmigkeiten hinzuweisen. Wenn jemand komplett überzeugt ist, funktioniert die Faktenebene nicht mehr. Bei extremen Fällen sollte man professionelle Hilfe suchen, zum Beispiel bei der Bundesstelle für Sektenfragen.

 

#4 Welche konkreten Tipps haben Sie für eine Diskussion?

Brodnig: Erstmal Fragen stellen. Zum Beispiel: „Wieso glaubst du das?“, „Woher hast du diese Information?“ oder „Warum glaubst du genau dieser Quelle?“ Man neigt oft dazu, gleich mit Fakten zu kontern. Und dann ist man frustriert, weil die Fakten beim Gegenüber abprallen. Man kann also den Spieß umdrehen und nachfragen, welche Motive die Person dazu führen, dass sie an diese Verschwörungserzählung glaubt. Freundliches Nachfragen kann darauf abzielen, dass die Person vielleicht selbst die Ungereimtheiten erkennt. Außerdem: Bei einem Thema bleiben und das genau anschauen. Nicht von einer Erzählung zur nächsten hüpfen – so muss sich das Gegenüber mit der Kritik auseinandersetzen.

#5 Wie geht man damit um, wenn FreundInnen oder Familienmitglieder an Verschwörungserzählungen glauben? 

Brodnig: Respektvoll dagegenhalten und dabei möglichst cool bleiben. Den Widerspruch nicht als Angriff auf die gesamte Persönlichkeit formulieren. Kritik an den Inhalten äußern, aber gleichzeitig sagen, dass man die Person als Mensch schätzt. Diskussionen über Verschwörungserzählungen sind oft sehr ärgerlich. Wenn man das Gegenüber dann abwertend behandelt oder gar beschimpft, besteht die Gefahr, dass die Person noch weniger von der Erzählung Abstand nimmt. Worte wie „AluhutträgerIn“ oder „CovidiotIn“ lösen eine noch stärkere Abwehrhaltung gegen Argumente aus. Dann wird die Situation noch angespannter und das Gespräch geht verloren. Darum lautet meine Empfehlung: Wertschätzend bleiben.

 

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