Lektionen aus dem Benko-Prozess: Fehlende Schenkungssteuern und problematische Privatstiftungen
Am Mittwoch wurde René Benko von einem Schöffensenat am Innsbrucker Landesgericht zu 24 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe wegen betrügerischer Krida verurteilt. Er hat seiner Mutter 300.000 Euro geschenkt, um das Geld dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
In diesem Verfahren ging es nur um die Insolvenz von Benko als Privatunternehmer. Das komplizierte Signa-Geflecht aus hunderten Firmen in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Italien war in dem Prozess kein Thema. Die Liste der noch offenen Ermittlungsstränge der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist dementsprechend lang.
Dennoch wurden bereits in diesem ersten Verfahren zwei Aspekte von Benkos Vorgehensweise besonders gut ausgeleuchtet, die auch von politischer Relevanz sind: die große Bedeutung von Schenkungen und die fehlende Transparenz von Privatstiftungen.
Steuerfrei im Kreis schenken
Es waren nämlich beträchtliche Summen, die – auch nach Angaben von Benkos Verteidigung im Prozess – zwischen Benko, diversen Privatstiftungen und deren Begünstigten hin- und hergeschenkt wurden. Auch wenn im jetzt verhandelten Fall die Schenkung als betrügerische Krida beurteilt wurde, gilt das für viele andere zeitlich vorgelagerte Schenkungen nicht. Im Ergebnis erschwert die Kombination aus Privatstiftungen und Schenkungen den Zugriff auf Vermögenswerte im Falle einer Insolvenz massiv.
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In weiteren Verfahren wird zu klären sein, ob bzw. bei welchen dieser Schenkungen es sich um bloße Scheingeschäfte gehandelt, Benko also die Verfügungsgewalt über die Vermögenswerte gar nicht verloren hat. Unabhängig davon demonstrieren diese Vorgangsweisen aber das Problem fehlender Schenkungssteuern in Österreich. Nicht nur wegen der fehlenden Einnahmen, die damit einhergehen, sondern weil dadurch mutmaßliche Umgehungskonstruktionen wie die Privatstiftungen im Benko-Umfeld überhaupt richtig attraktiv werden.
Eben diese Privatstiftungen waren im Benko-Prozess ebenfalls Thema. So betonte Benko-Anwalt Norbert Wess, dass die Liechtensteinische Ingbe-Stiftung den letzten Zufluss im Jahr 2015 erhalten und danach “alleine gewirtschaftet” habe. Doch wann die letzte Zuwendung erfolgt ist, ist überhaupt nicht entscheidend für die Aufklärung fragwürdiger Geldflüsse. Maßgeblich für die Aufarbeitung des Benko-Signa-Komplexes ist vielmehr, womit und wie diese Stiftungen seit ihrer Gründung gewirtschaftet haben.
Wenn Privatstiftungen „alleine wirtschaften“
Im Fall der Ingbe-Privatstiftung bestand dieses “Wirtschaften” regelmäßig darin, Anteile an zentralen Signa-Gesellschaften wie Signa Development und Signa Prime an andere Signa-Gesellschaften wie die Signa Holding GmbH zu verkaufen – und auf diese Weise beträchtliche Veräußerungsgewinne zu erzielen.
Ein weiteres, prominentes Beispiel ist der Kauf des ehemaligen Leiner-Hauses in der Wiener Mariahilferstraße 10, wo gerade der Rohbau des gescheiterten Kaufhausprojekts Lamarr wieder abgerissen wird. Käufer des Leiner-Hauses war nämlich zunächst nicht eine Signa-Gesellschaft, sondern die Laura Privatstiftung. Diese hatte das Gebäude 2017 dank, Zitat Sebastian Kurz, “serviceorientierter Verwaltung”, zwischen Weihnachten und Neujahr um schlappe 60 Millionen Euro erworben. Gerade einmal 15 Monate später, im März 2019, hat die Laura Privatstiftung das Gebäude dann um sagenhafte 190 (!) Millionen an eine Signa-Firma weiterverkauft.
Das bedeutet, dass hier mutmaßlich mehr als 120 Millionen Euro nur für diese eine Transaktion in der Laura Privatstiftung hängen geblieben sind. Wenn man jetzt noch davon ausgeht, dass René Benko mutmaßlich sowohl in der Laura Privatstiftung als auch in den Signa-Gesellschaften faktisch das Sagen hatte, dann erscheint die Aussage von Anwalt Norbert Wess, die Stiftungen hätten ja keine Zuwendungen mehr bekommen, in einem völlig anderen Licht.
Es braucht nämlich keine Zuwendungen im klassischen Sinne, wenn über derartige Insider-Geschäfte, die mutmaßlich auch verbotene Einlagenrückgewähr darstellen dürften, Millionen und Abermillionen in die Einflusssphäre von diesen Benko-Privatstiftungen verschoben worden ist. Ganz abgesehen davon, dass auf Zuwendungen eine Stiftungseingangssteuer in Höhe von aktuelle 3,5 Prozent anfällt. Immo-Geschäfte können im Gegensatz dazu von Stiftungen sogar besonders steuerschonend abgewickelt werden.
Fragwürdige Kreisgeschäfte mit Privatstiftungen
Solche Deals zwischen Privatstiftungen im Benko-Umfeld und Signa-Firmen gab es immer wieder. Schon im Jahr 2014 erwarb eine Tochterfirma der Ingbe-Stiftung 21 Prozent der Anteile an einer luxemburgischen Immobiliengesellschaft von einer Tochter der Signa Prime Selection, nur um sie dann im Jahr 2016 wieder mit mutmaßlich sattem Millionen-Gewinn an dieselbe Tochter der Signa Prime Selection zurückzuverkaufen. Auch hier stellt sich die Frage, ob derartige Kreisverkäufe nicht eine rechtswidrige Schädigung von anderen Signa-Investoren bedeutet haben.
Viele diese fragwürdigen Kreisgeschäfte rund um Stiftungen im Benko-Umfeld sind aber nur deshalb öffentlich bekannt, weil sie von Investigativjournalist:innen zu Tage gefördert oder im Zuge der Insolvenz bekannt wurden. Mit ein Grund dafür sind geringe Publizitätspflichten von Privatstiftungen: im Unterschied zu einer GmbH ist der Jahresabschlluss einer Stiftung nicht öffentlich einsehbar.
Zusammengefasst sind es also just die mutmaßlichen Schutzbehauptungen (“Es waren Schenkungen!”) und manche Aussagen von Benkos Verteidigung, die den Scheinwerfer auf politischen Handlungsbedarf lenken. Zeit, über die Besteuerung hoher Schenkungen und mehr Transparenz von Privatstiftungen zu diskutieren.
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