Ein Jahr Signa-Insolvenz: 5 Fakten zur größten Firmenpleite Österreichs
Wie konnte es zur Signa Pleite kommen?
Der Anfang vom Ende von René Benkos Signa-Imperium kam mit dem Baustopp des Elbtowers in Hamburg vor einem Jahr. Im November 2023 meldete die erste von inzwischen dutzenden Signa-Gesellschaften Insolvenz an. Tage später folgte mit der Pleite der Signa Holding und ihrer Bilanzsumme von rund 5 Milliarden Euro die größte Insolvenz in Österreich seit dem zweiten Weltkrieg. Auch das geplante Kaufhaus ‘Lamarr’ auf der Wiener Mariahilferstraße ist bis heute eine unfertige Baustelle – zumindest aber fand sich kürzlich hierfür mit Immobilieninvestor Georg Stumpf ein Käufer.
Die Signa-Gruppe ist ein schwer durchschaubares Geflecht. Zu dem Immobilienkonzern gehören insgesamt über 1.000 Gesellschaften. Diese verschachtelte, schwer durchschaubare Struktur ist aber nicht passiert, sie war die Folge einer gezielten Intransparenzstrategie des Unternehmensgründers und mutmaßlich faktischen Geschäftsführers René Benko.
Kapitalgesellschaften wie die Signa-Gruppe müssen eigentlich jährlich Abschlüsse und damit das Geschäftsergebnis vorlegen. Signa verschob diese Jahresabschlüsse bewusst nach hinten und gab nur Einzelabschlüsse ab. Das, obwohl das Gesetz für ein einheitlich geführtes Unternehmen auch einen einheitlichen Abschluss vorsieht. Doch ob Benko wirklich alle Gesellschaften leitete, konnte niemand so recht überblicken. Denn Benko war seit 2012 formal nur noch Vorsitzender eines rein beratenden ‘Beirats’ der Signa Holding, soll aber übereinstimmenden Medienberichten zufolge weiterhin in maßgebliche Entscheidungen der Gruppe involviert gewesen sein. Strafzahlungen für verspätet eingereichte Jahresabschlüsse wiederum wurden den betroffenen Geschäftsführern über höhere Gehälter steuerschonend ausgeglichen.
Das Erfolgsrezept des Unternehmens bestand aus Intransparenz und Risiko. Spätestens mit dem Einstieg bei den deutschen Warenhausgigangen Galeria Karstadt Kaufhof ab 2012 war Signa gleichzeitig Vermieter und Mieter. Dieser Interessenskonflikt wurde jedoch einseitig zu Lasten der Warenhäuser aufgelöst: ihnen wurden enorme Mietsteigerungen verordnet, was den Wert der Immobilien rasant steigen ließ. Mit diesen höheren Werten konnten zusätzliche Kredite besichert und weitere Immobilien erworben werden. All das war von ständig wachsenden Geldflüssen und niedrigen Zinsen abhängig. Als die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank Kredite teurer und die Aufwertung von Immobilien schwerer gemacht haben, wurde schlagartig deutlich, dass dieses Geschäftsmodell nicht nachhaltig funktionieren konnte.
Was hat sich seitdem getan?
Rund um die Signa-Pleite laufen zahlreiche Verfahren. Immer mehr Gesellschaften melden Insolvenz an. Erst kürzlich berichtete der Standard über fünf weitere Pleiten im Firmenreich der Gruppe. Die Unternehmen müssen ihre Immobilien verkaufen. Doch die Verwertung passiert langsam und schleppend. Käufer:innen lassen sich nur schwer finden. Denn einerseits sind Kredite für den Kauf von Immobilien immer noch vergleichsweise teuer. Andererseits gibt es noch große rechtliche Unsicherheiten, die einen Verkauf der Immobilien erschweren. Bei manchen zentralen Gesellschaften, wie der Signa Prime Selection AG oder der Signa Development Selection AG, steht noch immer nicht fest, mit welchem Verfahren die Sanierung ablaufen wird. Das muss der Oberste Gerichtshof erst entscheiden.
Auch Benko steht vor Gericht. International wird ermittelt, wer welche Rolle beim Zusammenbruch der Signa-Gruppe gespielt hat und wohin die Ausschüttungen in den Jahren vor der Insolvenz geflossen sind. Die Aufarbeitung wird wohl noch Jahre dauern.
Wie hoch ist der angerichtete Schaden?
Die Pleite der diversen Signa-Gesellschaften hat nicht nur Investor:innen Milliarden Euro gekostet, sondern vor allem in Deutschland auch vielen Menschen den Job gekostet. Die von Benko einst übernommene deutsche Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof musste seither drei Mal Insolvenz anmelden, Schließung von immer mehr Standorten inklusive. Auch jene Beschäftigten, deren Standorte fortgeführt wurden, mussten Gehaltseinbußen hinnehmen. Ihre Arbeitsbedingungen verschlechterten sich. René Benko ging es jedenfalls nie um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Signa nutzte den Handel primär als Mittel zum Zweck, um die Immobilienwerte der Warenhäuser in die Höhe zu treiben.
Warum ist Benko trotzdem immer noch reich?
René Benko wurde alles abgenommen, was nicht lebensnotwendig ist. Theoretisch zumindest. Denn obwohl er seither sein Sportboot los ist, lebt Benko durchaus noch im Luxus.
An einen Teil des Geldes kommt nämlich niemand heran. Wo genau die Ausschüttungen in den Jahren vor der Pleite hingeflossen sind, ist unklar und Gegenstand investigativer Recherchen. Fix ist jedenfalls: Es waren beträchtliche Summen, die in privaten Taschen und Stiftungen gelandet sind. Begünstigte dieser Stiftungen sind beispielsweise Benkos Mutter, seine Frau oder seine Kinder. Dieses Geld ist also in der Familie geblieben. René Benko muss bloß bei seinen Verwandten danach fragen.
Ob die Geschädigten am Ende doch noch zumindest auf Teile dieses Geldes werden zugreifen können, ist offen. Entscheidend dafür ist es,Geschäftsvorgänge nachzuverfolgen und, wo möglich, rückabzuwickeln. Bis dahin bleibt offen, wo das Gold gebunkert ist. Buchstäblich, wie man aus Berichten weiß.
Was muss sich ändern?
Die größte Insolvenz der zweiten Republik hat Österreich einiges gelehrt. Für kreative Gestaltung von Unternehmensgeflechten finden sich hier zu viele Schlupflöcher. Obwohl die Signa Holding eine Bilanzsumme von 5 Milliarden hatte, galt sie als “Kleine GmbH”. Das war ein Vorteil: Kleine GmbHs müssen ihre Jahresabschlüsse nämlich nicht prüfen lassen und es gibt keinen Aufsichtsrat.
Benkos Strategie der systematische Intransparenz zeigt auch den Bedarf für strengere Transparenzregeln in Österreich. Es braucht wirksamere Sanktionen, wenn Jahresabschlüsse zu spät eingereicht werden. Geldstrafen alleine können Praktiken wiebei Signa offensichtlich nicht verhindern. Stattdessen könnte es beispielsweise ein Auschüttungsverbot geben, solange wesentliche Transparenzregeln nicht erfüllt wurden.
Außerdem braucht es strengere Regeln bei sogenannten Share Deals geben. Signa und andere Immobilienunternehmen umgehen damit geschickt die Grunderwerbsteuer. Denn: Statt der ganzen Immobilie werden nur Anteile von den Gesellschaften verkauft, die die Immobilie besitzen. Folge: Die Steuer muss nicht gezahlt werden. Das sollte sich ändern, solange eine Gesellschaft den größten Anteil und somit die Kontrolle über die Immobilie hat.
Mehr zu Details und Ableitungen aus der Signa-Pleite liefert der Beitrag “Hört die Signa(le): Rechtspolitische Fragen und Ableitungen aus dem Fall der Signa-Gruppe” von Leonhard Dobusch und Jakob Sturn.