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Kapitalismus

Signa-Insolvenz: So funktionieren die Tricks von René Benko

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Die Signa-Gruppe von René Benko war als "kleines Unternehmen" einer der größten Immobilien-Konzerne in Europa. Nun ist sie insolvent. Wie konnte er sich so lange halten? Wir decken auf: Das sind seine Tricks.

Die Signa-Gruppe von Rene Benko war einer der größten Immobilien-Konzerne in Europa. Die Truppe hat Immobilien im Wert von über 20 Milliarden Euro verwaltet! Wenn so ein Containerschiff Schlagseite bekommt, dann bedrohen die Wellen auch viele andere kleine Schifferl und Boote in der Nähe. Das wissen alle, auch der Gesetzgeber – und genau deshalb sind die Vorschriften für die Offenlegung für und die Kontrolle von so großen Konzernen ja auch ganz besonders streng … damit da nix passieren kann … Moment Mal!

Theorie und Praxis großer Konzerne

Je größer der Konzern, desto mehr Verantwortung: für die Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Zulieferbetriebe, Investoren und für die Gesellschaft insgesamt. Deshalb sind die Regeln für große Konzerne auch strenger als für kleine Ein-Mann- oder Frau-Betriebe. Ein Konzern muss zum Beispiel viel mehr von seinen Zahlen und Daten öffentlich herzeigen als der Würstelstand ums Eck. Zumindest auf dem Papier. 

Das Beispiel von René Benko und seiner Signa-Gruppe zeigt: In der Realität schaut das leider oft ganz anders aus. Von Transparenz keine Spur. Niemand hat den Durchblick, was hier eigentlich genau passiert ist: Niemand, der die Pleite beobachtet hat; niemand, der mittendrin steckt. Nicht einmal die, die Geld reingesteckt haben in den Firmendschungel und denen Signa nun was schuldet. 

Wie Benko die Signa aufstellte war kein unabsichtlicher Fehler

Das war aber kein Upsi, das ist, leider, beim Machen absichtlich so geworden. Die Intransparenz hat Methode, sie ist die Strategie der Benko-Truppe. Jedes noch so kleine Schlupfloch wurde von ihnen ausgenutzt, um möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit und unbehelligt von der Aufsicht ihren Geschäften nachgehen zu können. 

Das Ergebnis: Signa hat es mit gleich drei Gesellschaften in die Top 5 der größten Unternehmenspleiten der Republik geschafft. Zweimal hat es die Signa sogar aufs Stockerl geschafft: auf Platz 1 – und damit die größte Pleite in der Geschichte der Republik Österreich ist die Signa Holding, dicht gefolgt auf Platz 2 von der Pleite der Signa Prime.  

Welche Geschäfte wollten Benko und Co so dringend geheim halten? Und wie zur Hölle haben sie das hingekriegt? Hier sind die 3 Tricks, die Signa erst groß und dann kaputt gemacht haben:

Der 1. Trick: Die Kauf-Vermiet-Aufwertung-Kredit-Spirale

Seit 2012 hat Signa schrittweise die Mehrheit in der deutschen Kaufhausketten Karstadt und Galeria Kaufhof übernommen. Mit der Kaufhauskette hat Benko auch viele Immobilien in den Top-Lagen der deutschen Innenstädte gekauft. Und eigentlich ist es ihm nur um die gegangen: Die beiden Sparten wurden fein säuberlich auseinandergehalten, beide gehören zwar zur Signa-Gruppe. Sie wurden aber in zwei unterschiedlichen Gesellschaften geparkt. Eine für die Immobilien, eine für das Handelsgeschäft. Erste Amtshandlung nach der Trennung: Die Immo-Gesellschaft hat der Kaufhaus-Gesellschaft kräftig die Mieten erhöht. Die Kohle fehlt in der Handelsparte dann natürlich, die hohe Mietzahlungen machen es schwerer, das Kaufhausgeschäft profitabel zu betreiben. Aber: Die Immo-Gesellschaft freut sich über steigende Mieten und damit über eine Wertsteigerung der Immobilie – zumindest in den Büchern.

Der Wert eines Gebäudes hängt von zwei Faktoren ab:

A) Mit welchen Mieteinnahmen ist in Zukunft zu rechnen? Je höher also die Mieten, desto höher der Wert der Immobilie.

B) Welche Zinsen müssen bezahlt werden, wenn man den Kauf der Immobilie mit einem Kredit finanziert. Steigen die Zinsen, sinkt der Wert der Immobilie. 

Die geschmalzenen neuen Mietvorschreibungen bei gleichbleibend niedrigen Zinsen haben die Kaufhausgebäude also schlagartig, über Nacht, wertvoller gemacht – auf dem Papier. Nun kommt der eigentliche Clou: Diese auf dem Papier so wertvollen Immobilien kann ich als Sicherheit angeben, um mir bei den Banken frisches Geld zu checken. Denn ich will ja wieder auf Einkaufstour gehen.

Und die Spirale dreht sich weiter: Neuer Kauf, neue Mieterhöhung, satte Wertsteigerung am Papier, neuer Kredit. Was am Papier alles möglich ist, wie weit man dieses Spiel treiben kann, das hat  Benkos “Signa Prime Selection” gezeigt. Eine seiner Immogesellschaften: 2010 gegründet, damals war sie 750 Millionen Euro wert. Nur zehn Jahre später war das Immo-Vermögen der Gesellschaft um 2.000 Prozent höher: 2020 war die Prime Selection 15 Milliarden Euro wert. 

Wachstum wie im Märchen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann wachsen sie noch heute? Dieses Märchen ist nicht gut ausgegangen, weil irgendwann doch der böse Wolf gekommen ist: Die Zinsen sind gestiegen.

Diese Spirale dreht sich nämlich nur so lange nach oben, so lange die Zinsen unten bleiben. Und so lange die Handelssparte irgendwie am Leben bleibt  und die Mieten auch zahlen kann. Covid und Teuerungskrise haben dem Handel nicht gut getan; die rapiden Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank als Antwort auf die Teuerungskrise haben die Spirale dann endgültig unterbrochen: Die Party war vorbei, Signa legt eine Bruchlandung hin. 

Der zweite Trick: Das Cash-Karussell

Signas Kaufhausgeschäft ist mit Corona erstmals ins Stocken geraten. Da haben noch öffentliche Hilfsgelder über die ärgsten Untiefen hinweg geholfen. Mit Ausbruch der Teuerungskrise ist die  aber wieder Luft dünn geworden. Wieder wurden Warenhäuser geschlossen, wieder wurden öffentliche Hilfsgelder beantragt – und eingesackt. 

Und während die Steuerzahler:innen brav geholfen haben, hat sich die Immobiliengesellschaft von Signa stur geweigert, der Kaufhaus-Gesellschaft auch nur einen Mietnachlass zu gewähren. Lieber wollte man direkt mit Geld aushelfen. Ist ja auch logisch: Die hohen Mieteinnahmen sind ja – Trick Nummer eins! – ein zentraler Baustein, damit der Immobilienwert ordentlich aufgeblasen werden kann. Hätte man da mit einem Mietnachlass den Stöpsel gezogen, hätte sich ein Teil der Aufwertungsgewinne der Signa-Immobilien wieder in Luft aufgelöst. Und das Kartenhaus wäre zusammengekracht.

Das musste um jeden Preis verhindert werden, also hat man stattdessen munter Geld zwischen den verschiedenen Signa-Gesellschaften hin- und hergeborgt. Wo es am dringendsten gefehlt hat, wurde Cash reingeschüttet. Ein Cash-Karussell, das sich dank der verschachtelten Struktur von Signa wie geschmiert gedreht hat. Ob das rechtlich immer ganz sauber war, werden im Zuge des Insolvenzverfahrens die Gerichte klären. 

Der brave Steuerzahler bleibt auf der Rechnung übrigens hübsch sitzen: Mit der Pleite der Signa Holding kann man deren zugesagte Unterstützung von rund 200 Millionen Euro für die Rettung der Kaufhaussparte abschreiben. Die haben sich – Puff – in Luft aufgelöst. 

Der dritte Trick: Ich bin so klein, mich sieht man gar nicht 

Nach der Handelssparte hat es mit den stark gestiegenen Zinsen Ende letzten Jahres auch das Immobiliengeschäft erwischt: die auf dem Papier hohen Bewertungen lassen sich bei stark gestiegenen Finanzierungskosten einfach nicht mehr rechtfertigen. Ergebnis dieser Entwicklung: Auf den Großbaustellen wie dem Hamburger Elb-Tower oder dem Kaufhaus Lamarr in der Wiener Mariahilferstraße steht seither alles still. Mit Signa Prime und Signa Development haben schließlich die zwei wichtigsten Gesellschaften der Signa-Gruppe Insolvenz angemeldet.

Insolvenzverwalter kämpfen sich nun durch das Dickicht aus miteinander verschachtelten Signa-Gesellschaften. Über 1.000 Unternehmen haben im Namen der Signa Geschäfte gemacht – und viele stehen trotzdem als Firmen für sich allein. Das ist doch seltsam: Wieso gibt es keine gemeinsame, über alle Signa-Unternehmen hinweg integrierte Bilanz?

Benko und seine Truppe haben eine Regulierungslücke im österreichischen Unternehmensrecht geschickt ausgenutzt. Wir unterscheiden bei Unternehmen nämlich nach Größe: Was für einen kleinen Laden mit zwei Leuten unnötige Bürokratie wäre, ist für einen Multi-Milliarden-Konzern ein wichtiger Transparenz-Baustein. Damit wir sicher gehen können, dass sich alle an die Spielregeln halten. Für kleine Kapitalgesellschaften gelten also andere, weniger strenge Regeln. Eine GmbH gilt dann als klein, wenn sie zwei von drei dieser Kriterien erfüllt. Wenn sie: 

  • Weniger als 10 Millionen Euro Umsatz macht
  • Weniger als 50 Mitarbeiter:innen hat
  • oder weniger als 5 Millionen Euro Bilanzsumme hat

Wenn eine GmbH zwei Kriterien erfüllt, dann gilt sie als “klein” und das macht einen riesigen Unterschied: Sie muss ihren Jahresabschluss nicht von einem Wirtschaftsprüfer prüfen lassen. Gewinn- und Verlustrechnung muss sie gar nicht vorlegen. Und sie braucht keinen Aufsichtsrat. 

Und genau das hat die Signa ausgenützt. Es müssen ja nur zwei von drei Kriterien erfüllt werden, so konnte die Signa Holding GmbH mit einer Bilanzsumme von über 5 Milliarden (!) Euro trotzdem als “kleine GmbH” geführt werden. Und so wurde aus einer “kleinen” GmbH die größte Insolvenz in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg.

Kaum Kontrolle und Transparenz

Trotz 5 Milliarden Euro Bilanzsumme kaum Kontrolle, kaum Transparenz, keine gemeinsame Konzernbilanz. Und kein Aufsichtsrat, der die Geschäfte kontrolliert. Stattdessen hat Benko sich einen “Beirat” erfunden: Ein selbst ausgedachtes Fantasie-Gremium, das noch dazu bis kurz vor der Insolvenz von René Benko selbst geleitet wurde. (Siehe dazu: Hat Alfred Gusenbauer Sorgfaltspflichten verletzt?)

Fassen wir noch einmal zusammen: Mehr als zehn Jahre lang haben René Benko und seine Signa-Truppe eine spekulative Aufwertungs-Kredit-Spirale befeuert. Als der Handel in die Krise gerutscht ist und die Zinsen gestiegen sind, hat man mit einem sich schneller und schneller drehenden Cash-Karussell versucht, zu retten, was nicht mehr zu retten war. 

Möglich war das alles nur, weil man alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um Kontrolle und Transparenz auszuhebeln. 

Aber was geht uns das an? Warum ist das für uns alle wichtig? Von den Pleiten sind immerhin keine kleinen Anleger*innen unmittelbar betroffen. Signa hat die öffentlichen  Kapitalmärkte weitgehend gemieden – logisch, dort gelten strengere Transparenzvorschriften als für eine “kleine GmbH”.

Doch wir alle müssen noch mehrfach die Zeche für die für die Benko-Party zahlen:

  • Die Hilfszahlungen aus Steuergeldern, vor allem in Deutschland, sind mit der Insolvenz endgültig versickert.
  • Die vielen Signas schulden dem Staat – also … uns! – noch viel Geld. Steuern, Sozialversicherungsbeiträge. Dazu kommen Arbeitslosengeld und Umschulungsmaßnahmen: All das sind die unmittelbaren gesellschaftlichen Folgekosten dieser Pleite. 
  • Auch indirekt werden wir alle für die Pleite mitzahlen. Die größten Gläubiger der Signa Prime sind Versicherungskonzerne wie Signal Iduna mit fast einer Milliarde Euro oder die R+V und die Allianz mit jeweils über 300 Millionen Euro. Der Großteil dieser Investments ist wohl futsch und wird abgeschrieben werden. Bezahlen werden das einerseits die Kunden und Kundinnen dieser Versicherungen über höhere Prämien. Und uns allen gehen Steuereinnahmen verloren, denn die Abschreibung der Investments senkt die Gewinnsteuern dieser Konzerne, die sonst fällig wären

Was es braucht: Strengere Regeln für Konzerne

Mit großer unternehmerischer Kraft kommt große Verantwortung. Darum braucht es strengere Regeln für großen Konzerne. 

  • Der Trick mit der unfassbar großen “Kleinen GmbH” gehört schleunigst abgestellt. Bei Aktiengesellschaften haben wir dafür schon gesorgt: Wer eines der drei Kriterien um mehr als das 5-fache überschreitet, gilt automatisch als “große” Kapitalgesellschaft, wurscht, was die anderen Indikatoren sagen. Für GmbHs muss das genauso gelten.
  • Wenn Unternehmen systematisch Transparenzregeln unterlaufen, braucht es strengere Strafen. Signa hat zum Beispiel Jahresabschlüsse nicht oder nur stark verspätet eingereicht. Die dafür vorgesehenen Strafen von wenigen tausend Euros hat man den betroffenen Geschäftsführern aus der Portokasse ersetzt. Weil sie als Teil des Gehalts ausgezahlt wurden, wurde das sogar noch von der Steuer abgesetzt. Wenn die Strafe so gering ist, dass niemand sich fürchten muss, dann verliert sie ihre Wirkung. Hier müssen wir schleunigst nachschärfen und die Strafen so empfindlich raufziehen, dass sich ein Foulspiel niemand mehr leisten kann. 
  • Und wir brauchen angemessene Unternehmens- und vermögensbezogene Steuern. Die Kosten, wenn ein Unternehmen Krachen geht, werden zu einem beträchtlichen Teil von uns allen getragen. Es ist nur fair, wenn sich Konzerngewinne über Gewinn- und vermögensbezogene Steuern daran beteiligen. 

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