Mietpreisbremse: Gut, aber nicht gut genug
Jeder Zweite, der zur Miete wohnt, fürchtet sich davor. Davor, sich das Wohnen bald nicht mehr leisten zu können. Das sind eine ganze Menge Menschen: Die Hälfte aller Menschen in Österreich wohnt schließlich zur Miete.
Und die fürchten sich … ganz zu Recht! Denn die Mietpreise sind in den vergangenen Jahren nach oben geschossen wie sonst nur die Profite der Rüstungsindustrie. Die neue Bundesregierung macht jetzt endlich was. Das ist gut? Oder? Ist es … gut genug?
Moment mal!
1. Die Preise steigen wieder. Was sind die wichtigsten Preistreiber?
Die Wohnkosten haben sich in den letzten Jahren zur größten Belastung entwickelt. Sie sind rasant gestiegen, insbesondere die Mieten auf dem privaten Markt. Das ist alles ganz automatisch passiert, denn in Österreich sind die Mieten an die Inflation gekoppelt. Das heißt: Steigen die Preise, ziehen sie die Mieten mit nach oben.
Das Blöde an dieser Automatik ist aber: Wenn die Mieten steigen, wird das wiederum in die offizielle Teuerung hineingerechnet … auf deren Basis ja, wie wir gerade gehört haben, die Erhöhung der Mieten berechnet wird. Ein absurdes Konstrukt, vor allem weil Wohnraum kein Konsumgut ist wie Brot oder Milch. Immobilien sind Anlagegüter.
Wenn du ein Brot kaufst, verbrauchst du es. Du isst es. Und danach ist es weg. Wenn du morgen wieder Brot haben willst, musst du ein neues kaufen. Brot wird also konsumiert und hat keinen bleibenden Wert über die Zeit hinweg. Eine Wohnung dagegen wird nicht „verbraucht“. Sie bleibt bestehen und kann immer wieder vermietet werden. Wer eine Wohnung besitzt, kann damit Monat für Monat Geld einnehmen, ohne dass sich die Wohnung “verbraucht”.
Bei Konsumgütern wie Brot steigen die Preise, wenn die Produktionskosten steigen. Weil Gas und Strom teurer werden. Oder die Löhne für Bäcker:innen. Aber bei den Mieten ist das anders. Steigende Preise anderswo führen nicht automatisch zu höheren Kosten für den Vermieter – für ihn bedeuten höhere Mieten oft nur mehr Gewinn.
Plus: sogar der Wert einer Wohnung kann mit der Zeit steigen, wenn der Wohnraum in der Gegend knapper wird. Oder wenn das Stadtviertel auf einmal hip wird. Oder wenn eine U-Bahn vor die Tür gebaut wird. Aber auch das passiert, ohne dass die Kosten für den Vermieter steigen … ihm gehört ja die Wohnung schon. Unterm Strich heißt das also: Bei Konsumgütern rechtfertigen die steigenden Produktionskosten einen Preisanstieg, aber die Mietensteigerung in den vergangenen Jahren war für die Vermieter:innen einfach nur ein schönes Geschäft.
Dazu kommt: Es wird einfach gerade zu wenig gebaut. Die Baukosten sind in den letzten Jahren gestiegen, neue Wohnungen wurden weniger errichtet. Das treibt die Preise zusätzlich in die Höhe. Besonders in den Städten ist Wohnraum knapp.
2. Warum ist der „Mietenindex“ ab 2028 eine gute Idee?
Bisher haben sich die Mieten also wie in einem Teufelskreis mit der Teuerung im Gleichschritt nach oben gepeitscht. Ab 2028 soll ein neuer „Mietenindex“ gelten, der diesen Effekt begrenzen soll. Und zwar gedeckelt auf drei Prozent pro Jahr – auch, wenn die Inflationsrate darüber liegt. Das soll helfen, extreme Mietsprünge zu verhindern.
Aber warum erst 2028? Die derzeitige Regelung ist ein Zugeständnis an die Vermieter:innen. In Wahrheit hat die jahrzehntelange automatische Mietsteigerung bereits aberwitzige Zusatzeinnahmen in die Kassen gespült. Die Begrenzung müsste viel, viel schneller kommen.
3. Wie wirkt die Mietpreisbremse, die nun beschlossen wurde?
Bis der neue Mietindex in Kraft ist, soll deshalb eine verschärfte Mietpreisbremse die Haushalte entlasten. Heuer werden Mieterhöhungen in Altbau- und Genossenschaftswohnungen gesetzlich ausgesetzt. Nächstes Jahr dürfen sie um maximal ein Prozent steigen, 2027 um maximal zwei Prozent. Ab 2028 kommt dann der neue Mietenindex. Also: Ja, das dämpft Mietsteigerungen langfristig.
Über die nächsten 5 Jahre sparen sich die Mieter:innen je nach Mietvertrag dank der Bremse im Schnitt zwischen 130 Euro und rund 250 Euro pro Jahr. Aber: Gänzlich leer gehen die Mieter:innen mit freien Mietverträgen aus.
Das ist die große Schwachstelle: Private Mieten bleiben bis 2028 ungeregelt. Ob es dann, in drei Jahren, überhaupt noch Inflationsraten über drei Prozent gibt, ist fraglich. Die Mieterhöhungen der Vergangenheit werden nicht rückgängig gemacht und sie laufen noch drei Jahre unreguliert weiter: Die Deckelung kommt dann für viele zu spät. Dabei sind genau dort, im privaten Markt, die Mieten am höchsten.
Und während Bauträger von Genossenschaftswohnungen sozialen Wohnbau betreiben und gezwungen sind, auf Mieterhöhungen zu verzichten, können private Vermieter:innen weiterhin die Preise erhöhen. Das führt dazu, dass der teurere, unregulierte Mietmarkt noch unleistbarer wird, während den gemeinnützigen Bauträgern Einnahmen fehlen … und mit weniger Geld können sie weniger neue Wohnungen bauen.
4. Leerstand in Österreich: Wie viele Wohnungen stehen ungenutzt?
Und das wird die Lage weiter verschärfen, denn in Österreich steht zu viel Wohnraum leer. Während die Mieten immer weiter steigen, stehen österreichweit bis über 600.000 Wohnungen leer – ohne dass eine Person dort gemeldet ist. Besonders hoch ist der Leerstand in Niederösterreich, in Wien und der Steiermark.
Die Eigentümer:innen horten diese Wohnungen als Betongold, als Anlageobjekt. Die Wertsteigerung ist ihnen wichtiger als Miet-Einnahmen. Damit sich das ändert, muss eine Leerstandsabgabe eingeführt werden … die auch finanziell spürbar ist. Mindestens 200 Euro pro Quadratmeter im Jahr wären nötig, um einen echten Anreiz zur Vermietung oder zum Verkauf zu schaffen.
Die bisherigen Abgaben sind zu niedrig. Manche Bundesländer haben Leerstandsabgaben zwischen 3 und 30 Euro pro Quadratmeter eingeführt – viel zu wenig, um Spekulant:innen zum Umdenken zu bewegen. Würden wir Leerstand ausreichend besteuern, wären auf einen Schlag Zehntausende Wohnungen wieder verfügbar.
5. Warum führt eine Mietpreisbremse nicht automatisch zu einem Baustopp?
Die Immobilienlobby argumentiert gerne, dass strengere Mietregulierungen den Wohnbau abwürgen würden. Doch das stimmt nicht. In Österreich wird der Wohnbau stark durch gemeinnützige Bauträger und öffentliche Mittel getragen. Der Hauptgrund für weniger Neubau sind hohe Baukosten und die steigenden Grundstückspreise – nicht die Regulierung der Mieten.
6. Warum treiben befristete Mietverträge die Mieten nach oben?
Wer befristet wohnt, wohnt richtig teuer. Das ist doppelt ungerecht, denn unsicherer ist sein Mietverhältnis noch dazu. Im Altbau zahlen Mieter:innen mit befristeten Verträgen durchschnittlich 8,70 Euro pro Quadratmeter, während unbefristete Mietverhältnisse nur 6,80 Euro pro Quadratmeter kosten. Das ist ein Aufschlag von über 27 Prozent. Noch extremer ist die Lage im Neubau: Dort kostet die durchschnittliche Miete bei unbefristeten Verträgen 6,50 Euro pro Quadratmeter, während befristete Verträge 9,80 Euro kosten – ein Aufschlag von 50 Prozent.
So teuer wohnen vor allem die Jungen. 4 von 10 Leuten unter 34 wohnen in befristeten Mietverträgen, während es bei den über 64-Jährigen nur 6,6 Prozent sind. Die Jungen zahlen also die überhöhten Mieten, während ältere Mieter:innen in günstigeren, unbefristeten Verträgen wohnen bleiben. Wer jünger ist, verdient noch nicht so viel. Ausgerechnet die, die also ohnehin weniger verdienen, müssen die teurere Miete zahlen. Drastische Schranken für befristete Mietverträge sind überfällig – insbesondere für gewerbliche Vermieter:innen.
7. Was ist zu tun?
Übers Wohnen verteilen wir von unten nach oben um, dass es nur so scheppert. Die Mieteinnahmen am privaten Mietmarkt gehen fast ausschließlich an die wohlhabendsten Haushalte. Vier von fünf Miet-Euros landen in den Taschen der reichsten 10 Prozent.
Das bedeutet, dass hohe Mieten nicht nur den finanziellen Spielraum ärmerer Haushalte beschränken, sondern auch das Vermögen der ohnehin schon reichen Oberschicht weiter vermehren – eine stetige Umverteilung von unten nach oben.
Da muss man ansetzen – indem wir das Wohnen wieder leistbar machen. Österreich investiert zu wenig in Wohnbau. Frankreich gibt 0,43 Prozent der Wirtschaftsleistung für Wohnbau aus, in Österreich sind es nur 0,16 Prozent. In den letzten 20 Jahren sind die öffentlichen Wohnbauausgaben um 60 Prozent gekürzt worden. Das rächt sich jetzt: Die Zahl der Baubewilligungen ist eingebrochen, die Zahl neuer Wohnungen nimmt ab. Mehr geförderter Wohnbau würde nicht nur Mieten dämpfen, sondern auch Arbeitsplätze schaffen.
Zusätzlich muss das Mietrecht an die Realität angepasst werden. Die aktuelle Regelung schützt Mieter:innen im Altbau besonders gut. Aber die Zahl dieser Wohnungen nimmt mit der Zeit ab, weil die Häuser abgerissen werden. Langfristig fallen also immer weniger Wohnungen unter den Mietschutz und der Anteil frei vermieteter (teurerer) Wohnungen steigt.
Eine dynamische Grenze wäre gerechter: Alle Gebäude, die älter als 30 Jahre sind, könnten automatisch ins sogenannte Richtwertsystem, also in den am besten geschützten Bereich, überführt werden. Nur dann bliebe der Bestand an geschützten Wohnungen stabil – weil laufend neue Häuser dazu kommen. Und befristete Mietverträge müssen endlich wieder die absolute Ausnahme werden, nicht die Regel.