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Ungleichheit
Demokratie

Wohnen ist ein Menschenrecht: Diese historischen Geschichten musst du kennen

Wir alle müssen irgendwo Wohnen. Das ist aber nicht immer so leicht. Aber Wohnen ist ein Grundrecht und das Bedürfnis von jedem einzelnen. Diese historischen Geschichten übers Wohnen in Österreich solltest du kennen.

Wasbishergeschah.at will historisches Wissen verständlich, spannend und zugänglich machen. Gemeinsam rücken wir die Menschen und ihre Geschichten in den Mittelpunkt. 

#1 Menschenwürdig leben? Nicht für Mägde und Knechte

 
 
 
 
 
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Im 18. Jahrhundert gab es für Mägde und Knechte auf dem Bauernhof keine eigene Unterbringung. Oft mussten sie zu zweit oder zu dritt in Verschlägen am Dachboden, in Vorhäusern oder sogar im Keller schlafen. Besser hatte man es im Stall – dort war es zumindest warm.

Aber egal wo der Bauer seine Mägde und Knechte unterbrachte: Privatsphäre gab es keine, jederzeit konnte jemand hereinkommen. Für alles außer Schlafen war es aber ohnehin zu eng und ungemütlich. Das hier war für einen Knecht noch ein ziemlich luxuriöses Bett. Meist lag auf dem Gestell nur ein wenig Stroh und ein Bettlaken. Wer Glück hatte, bekam noch einen Strohsack und eine Decke dazu – musste das Bett aber noch mit anderen teilen.

Der Obrigkeit war die Unterbringung der Mägde und Knechte lange Zeit egal. Für sie zählte nur, dass Frauen und Männer getrennt schlafen. 

#2 Mein Bett ist dein Bett: Die Geschichte der Bettgeher:innen 

 
 
 
 
 
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Um 1900 lebte die Bevölkerung in Wien auf engstem Raum. Oft waren mehr als 10 Personen in einem einzigen Schlafraum. Um die Jahrhundertwenden waren ca. 170.000 Personen in Wien Bettgeher:innen – rund ein Zehntel der Bevölkerung.

In Ottakring zum Beispiel hatten nur 4 Prozent der Menschen ein eigenes Zimmer. Zehntausende Menschen waren wohnungslos und übernachteten als sogenannte “Bettgeher:innen” für Geld in fremden Wohnungen. Sie teilten sich das Bett quasi. Wenn sie Glück hatten in einem richtigen Bett. Sie schliefen auch auf Tischen oder auf dem Boden. Das bedeutete: sehr wenig Raum für einen selbst und schon gar keine Privatsphäre.

#3 Luxussteuern machen es möglich: Es lebe der Gemeindebau

 
 
 
 
 
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Alle sollen einen guten Platz zum Leben haben. Also führen wir doch Luxussteuern ein, um damit bedürftigen Menschen Wohnungen zu finanzieren. Es klingt heute wie ein Wunschtraum. Vor ungefähr 100 Jahren war genau das das Konzept des Wiener Gemeindebaus.

Um die unwürdige Wohnsituation der Arbeiterschaft zu verbessern, führte das Rote Wien eine neue Steuer ein. Auf Champagner, Casino-Besuche, Dienstboten oder Immobilienbesitz – eine Luxussteuer. Menschen, die sich diesen Luxus leisten konnten, mussten eben mehr abgeben. Zehntausende Wohnungen konnten so finanziert werden. Für hunderttausende Menschen verbesserte sich die Lebensqualität enorm.

Den Reichen passte das natürlich gar nicht. Sie verspotteten den Gemeindebau als “Palast für die Proleten”. Und das nur, weil die Arbeiter:innen in den Wohnungen endlich auch etwas mehr Platz, Licht und Fließwasser zur Verfügung hatten. Heute ist der Wiener Gemeindebau eine Erfolgsgeschichte. Ein Viertel der Wiener:innen wohnt in Gemeindebau-Wohnungen. 2023 hat sogar die “New York Times” über das “Mieterparadies” Wien berichtet.

#4 Hilfe im Grätzl: Wie gemeinsam Zwangsräumungen verhindert wurden

Die Angst, die Miete nicht mehr bezahlen zu können, ist leider nichts Neues. Sie verfolgte schon Menschen im frühen 20. Jahrhundert. Damals drohte vielen Wiener:innen immer wieder die Zwangsräumung. Der Unterschied zu heute: Die Nachbar:innen protestierten gemeinsam gegen Polizei und Vermieter – oft sogar mit Erfolg. 

Rudolf Maurer lebte 1920 in einer Wohnung in der Braunhirschengasse. Weil er seine Miete nicht mehr bezahlen kann, will ihn sein Vermieter rausschmeißen. Als die Polizei anrückt, will Maurer aber seine Wohnung nicht verlassen. Die anderen Mieter:innen im Haus werden darauf aufmerksam und helfen ihm. Immer mehr Menschen versammeln sich und verhindern die Zwangsräumung. Rasch erkennt die Polizei: Hier kommt sie nicht mal mit Gewalt durch. Sie rückt ab und Rudolf Maurer kann erstmal in seiner Wohnung bleiben. 

Wohnungsnot und Wuchermieten bedrohten damals viele Menschen in Wien. Der gemeinsame Protest war oft die einzige Chance, sich gegen Hausbesitzer zu wehren. Diese Solidarität mit anderen Mieter:innen braucht es auch heute. 

#5 Diskriminierung beim Wohnen: Die Rom:nja von Oberwart

Die Rom:nja und Sinti:zze in Österreich wurden jahrzehntelang an den Rand der Gesellschaft gedrängt – und an den Rand der Orte. Sie spürten es am eigenen Leib: Rom:nja und Sinti:zze sind unerwünscht.

In der burgenländischen Gemeinde Oberwart mussten sie einen Kilometer außerhalb der eigentlichen Stadt in viel zu kleinen Wohnungen hausen. Noch 1995 lebten dort in Reihenhäusern 5 bis 10 Personen auf nur 40 bis 55 Quadratmetern. Nicht nur beim Wohnen wurden sie ausgeschlossen. Als in den 1980er Jahren Gastwirte in Oberwart jungen Rom:nja ein pauschales Lokalverbot erteilen wollten, reichte es den Oberwarter Rom:nja schließlich.

Sie gründeten den “Roma Verein Oberwart” und forderten gleiche Rechte wie alle. Und das mit Erfolg. Der Aktivismus mehrerer Vereine zeigte Wirkung: 1993 erhielt die Minderheit den Volksgruppenstatus in Österreich. Ein erschütterndes Ereignis bringt Medienöffentlichkeit: Im Februar 1995 wurden vier Roma von einer Rohrbombe getötet. Mit einer rassistischen Botschaft. Es ist bis heute das schwerste politisch motivierte Attentat der Zweiten Republik.

Auch danach bleibt Österreich rassistisch. Die Rom:nja Siedlung in Oberwart wird endlich renoviert. Aber als einige von ihnen in eine Gemeindewohnung im Ort ziehen sollten, protestierten die Nachbar:innen und schrieben einen Beschwerdebrief an den Landeshauptmann. Die Gemeinde Oberwart ließ diese Hetze gegen Minderheiten diesmal nicht durchgehen: Die Rom:nja zogen ein.

Heute hat sich die Zahl der Bewohner:innen der Siedlung mehr als halbiert. Wie die anderen Oberwarter:innen wohnen die Rom:nja verteilt im ganzen Ort. Auch ihre Jobchancen haben sich verbessert. Viele der alten Vorurteile bleiben aber. 

#6 Als Gastarbeiter in Österreich: Fürs Duschen zum Südbahnhof

Vor 50 Jahren wurden Arbeitsmigrant:innen als sogenannte “Gastarbeiter” nach Österreich geholt. Sie wurden in der Türkei oder Jugoslawien angeworben, um bei uns schwere Arbeit zu erledigen. Arbeit, für die sich hier niemand fand. Menschenwürdiges Wohnen gehörte dabei aber NICHT zum österreichischen Angebot.

Die Migrant:innen waren in engen Massenquartieren untergebracht oder in heruntergekommenen Bruchbuden ohne Wasser, die eigentlich zum Abriss bereit waren. In normalen Wohnungsanzeigen stand hingegen oft ganz klar “Keine Ausländer”. 

Das ist Hüseyin Ünal. Er hat genau das miterlebt. Er kam als Jugendlicher nach Wien. Jeden Tag war er am Bau und verrichtete harte Arbeit. Seine Unterkunft war nur ein einziges Zimmer, das er sich mit mehreren Arbeitern teilen musste. In dem kleinen Raum wurde nicht nur geschlafen, sondern auch gekocht. Einmal die Woche fuhren Hüseyin Ünal und seine Zimmerkollegen dann zum Südbahnhof, um sich in einer Münz-Duschkabine ausnahmsweise eine Dusche zu gönnen.

Mehr spannende Geschichten und Fakten findest du bei Wasbishergeschah.at. Sie wollen historisches Wissen verständlich, spannend und zugänglich machen. Diese Video-Kooperation entstand im Frühling 2024. 

Weitere Quellen:

  • Wiener Stadterneuerung. Der Weg zu lebenswertesten Stadt, Hofmann / Ludwig, 2013
  • New York Times 2023: Social Housing in Vienna
  • Helmut Samer, Die Roma von Oberwart, 2001
  • Peter Payer, „Gehen Sie an die Arbeit“ Zur Geschichte der „Gastarbeiter“ in Wien 1964–1989
  • Michael John, „Kultur der Armut“ 1890–1923 in Wien. Zur Bedeutung von Solidarstruktur, Nachbarschaft und Protest, in: zeitgeschichte, 20/5/6 (1993), 158-–186.
  • Feldbauer, P. (1976). Stadtwachstum und Wohnungsnot : Determinanten unzureichender Wohnungsversorgung, Wien 1848 bis 1914.

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