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Kapitalismus

Signa-Insolvenzen: Hat Alfred Gusenbauer Sorgfaltspflichten verletzt?

Alfred Gusenbauer und Rene Benko bei einem Fest: Die Rolle Gusenbauers bei den Signa-Insolvenzen muss geklärt werden
Hat Alfred Gusenbauer bei den Insolvenzen von Rene Benkos Signa alles richtig gemacht? Foto: Karl Schöndorfer / APA / picturedesk.com
Alfred Gusenbauer war Aufsichtsratsvorsitzender, Beirat und Berater in unterschiedlichen Signa-Gesellschaften von Rene Benko. Er hat dabei auch viel Geld verdient. Drohen ihm nach den Insolvenzen im undurchsichtigen Firmengeflecht auch Konsequenzen?

Immerhin hat sich Alfred Gusenbauer den Fragen von Ö1-Journalist Michael Fröschl gestellt. Das unterscheidet ihn von René Benko und den allermeisten seiner Getreuen, die auch nach den jüngsten Insolvenzanträgen Signas Intransparenz-Strategie treu bleiben und eisern schweigen. Denn eigentlich wäre es Aufgabe des Vorstands Erhard Grossnig, die Gesellschaften nach Außen zu vertreten und nicht jene des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Als jahrelanger Aufsichtsratsvorsitzender der beiden zentralen Signa-Gesellschaften Prime und Development, die beide Ende letzten Jahres Insolvenz angemeldet haben, sowie als Mitglied des Beirats der Signa Holding GmbH war und ist Gusenbauer einer der zentralen Verantwortungsträger im Signa-Unternehmensgeflecht. Außerdem war Gusenbauer auch als hoch bezahlter Berater tätig, hat dafür laut Medienberichten Honorare von mehreren Millionen Euro erhalten – ein Vielfaches seiner Vergütung als Aufsichtsrat. 

Im Ö1-Interview fragt Fröschl ganz explizit nach dieser Doppelrolle als Aufsichtsrat und Berater, ob hier nicht ein Interessenskonflikt vorliege, und zitiert Berichte, wonach Gusenbauer seine Beraterverträge in den Aufsichtsräten nicht habe genehmigen lassen. Gusenbauer bestätigt in seiner Antwort, keine solche Genehmigung eingeholt zu haben, weil diese aktienrechtlich nicht erforderlich gewesen sei:

“Ich habe keinen Beratungsvertrag in der Signa Development. Ich habe keinen Beratungsvertrag in der Signa Prime. Diese Beratungsverträge wären selbstverständlich genehmigungspflichtig. Ich habe weit über meine Funktion in diesen Firmen hinausgehend die Signa Holding beraten und bin dafür entlohnt worden. Ein Konflikt mit dem Aktienrecht liegt nicht vor.”

Die Bestimmung, um die es hier geht, ist § 95 Absatz 5 Ziffer 12 Aktiengesetz (AktG), der eine Genehmigungspflicht vorsieht für den

Abschluss von Verträgen mit Mitgliedern des Aufsichtsrats, durch die sich diese außerhalb ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat gegenüber der Gesellschaft oder einem Tochterunternehmen (§ 189a Z 7 UGB) zu einer Leistung gegen ein nicht bloß geringfügiges Entgelt verpflichten. Dies gilt auch für Verträge mit Unternehmen, an denen ein Aufsichtsratsmitglied ein erhebliches wirtschaftliches Interesse hat;

Der Zweck dieser Bestimmung ist klar: Aufsichtsrät:innen sollen Unternehmen und hier insbesondere deren Management kontrollieren. Dabei sollen sie vor allem die Interessen der Anteilseigner:innen im Blick haben. Wenn sie jetzt aber vom Management hohe Honorare für Beratung erhalten, kann das zu Loyalitäts- und Interessenkonflikten führen. Deshalb müssen solche Verträge nicht nur offengelegt, sondern sogar explizit genehmigt werden.

Nun ist es offensichtlich so, dass Gusenbauer formal den Beratungsvertrag mit der Signa Holding und nicht mit jenen Signa-Gesellschaften abgeschlossen hat, denen er als Aufsichtsrat vorsteht. Als Beteiligungsgesellschaft hält die Holding Anteile an Signa Prime und Development, ist damit aber eben auch keine Tochter-, sondern eher eine Muttergesellschaft.

Dass Muttergesellschaften in § 95 Abs. 5 Z 12 AktG nicht erwähnt werden, ist nicht verwunderlich: in einem Konzernverbund wird der Aufsichtsrat ja von der Muttergesellschaft bestellt, einen Interessenskonflikt sollte es damit eigentlich nicht geben, wenn diese zusätzlich Beraterhonorare auszahlt. Wenn hier eine Genehmigungspflicht besteht, dann im Aufsichtsrat eben dieser Muttergesellschaft. 

In der Signa Holding, die trotz einer Bilanzsumme im Milliarden-Euro-Bereich nur als “kleine GmbH” im Firmenbuch eingetragen ist, gibt es jedoch keinen Aufsichtsrat, der etwas hätte genehmigen können. 

Hat Gusenbauer also recht und es gibt keine Probleme mit seiner Doppelrolle als Berater und Aufsichtsrat? 

Nicht so schnell. 
 

A) Ist die Signa Holding ein “Unternehmen, an denen ein Aufsichtsratsmitglied ein erhebliches wirtschaftliches Interesse” hat?

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob der letzte Satz von § 95 Abs. 5 Z 12 AktG auf den Fall der Beratungsverträge von Gusenbauer anwendbar ist. 

Dies gilt auch für Verträge mit Unternehmen, an denen ein Aufsichtsratsmitglied ein erhebliches wirtschaftliches Interesse hat.

Denn die Signa-Gruppe ist alles andere als ein üblicher Fall. Es gibt keine übergreifende (sogenannte “konsolidierte”) Konzernbilanz. Es handelt sich also nicht um das in der einschlägigen Literatur behandelte, klassische Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft.

Da die Signa Holding nur eine von mehreren Anteilsinhaber:innen der Signa Prime und Development ist, könnte hier eben durchaus ein Interessenskonflikt mit anderen Miteigentümern bestehen. Dem Schutzzweck der Bestimmung entsprechend könnte deshalb eine Genehmigungspflicht in den Aufsichtsräten von Prime und Development bestehen. Das “erhebliche wirtschaftliche Interesse” ließe sich angesichts der Höhe der Honorare wohl bejahen. 

In Österreich gibt es keine einschlägigen Gerichtsurteile zur Auslegung dieser Bestimmungen. Höchstrichterliche Entscheidungen in Deutschland zu ähnlichen Regelungen im deutschen Aktiengesetz legen aber eine eher weite Interpretation nahe. Eine diesbezügliche Klage in Österreich scheint vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht völlig aussichtslos zu sein. 

Hinzu kommt, dass die Geschäftsbeziehungen zwischen Signa Holding einerseits und Signa Prime und Development andererseits über das bloße Beteiligungsmanagement hinausgingen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es so, dass Signa Prime und Signa Development der Signa Holding beträchtliche Summen in Form von Darlehen überlassen haben. Etwas, das für sich genommen schon rechtlich fragwürdig ist, weil es eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellen könnte. Aber auch unabhängig davon liefern diese mutmaßlich unbesicherten, hohen Darlehen von Signa Prime und Development an die Signa Holding ein weiteres Argument dafür, dass die hochdotierte Beraterverträge mit dem Empfänger solcher Geldflüsse auch in den dortigen Aufsichtsräten hätten offengelegt werden müssen.
 

B) Ist der “Beirat” der Signa Holding wie ein Aufsichtsrat zu behandeln?

Aber selbst wenn am Ende eine Klage wegen des Versäumnisses der Genehmigung von Beraterverträgen in den Aufsichtsräten von Prime und Development scheitern sollte, ist Gusenbauer noch nicht auf der sicheren Seite. Denn dann stellt sich die Frage, ob Gusenbauer die Verträge auf Ebene der Signa Holding genehmigen ließ.

Zwar gibt es bei der Signa Holding GmbH keinen Aufsichtsrat, allerdings gab es den auch prominent auf der Homepage der Signa-Gruppe präsentierten Signa Beirat – mit Alfred Gusenbauer als Mitglied. Allerdings hat der OGH in Entscheidungen zur Mitbestimmung (§ 110 ArbVG) sowie zur Haftung von Aufsichtsräten (§ 33 GmbhG) festgestellt, dass die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen auch auf einen „Beirat“ oder ähnlich benannte Überwachungsorgane einer GmbH anwendbar sind, sofern wesentliche und typische Aufsichtsratskompetenzen diesem Organ gemäß Gesellschaftsvertrag zukommen.

Insoweit also der Beirat der Signa-Holding Aufgaben eines Aufsichtsrats übernommen hat, könnten dieser Rechtsprechung zufolge auch die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen analog anzuwenden sein. Und in § 30J Abs. 5 Z 10 GmbHG findet sich genau die gleiche Vorschrift wie in § 95 Abs. 5 Z 11 AktG.

Folgende Geschäfte sollen jedoch nur mit Zustimmung des Aufsichtrats vorgenommen werden:

… der Abschluss von Verträgen mit Mitgliedern des Aufsichtsrats, durch die sich diese außerhalb ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat gegenüber der Gesellschaft oder einem Tochterunternehmen (§ 228 Abs. 3 UGB) zu einer Leistung gegen ein nicht bloß geringfügiges Entgelt verpflichten. Dies gilt auch für Verträge mit Unternehmen, an denen ein Aufsichtsratsmitglied ein erhebliches wirtschaftliches Interesse hat;

Wenn schon nicht in den Aufsichtsräten von Signa Prime und Development, dann hätte Gusenbauer seine Beratungshonorare also wahrscheinlich im Beirat der Signa Holding genehmigen lassen müssen. Ob das passiert ist, ist bislang öffentlich nicht bekannt.
 

C) Wer, wenn nicht Alfred Gusenbauer, hätte eine Konzernbilanz einfordern müssen?

Die fehlende Genehmigung seiner Beratungshonorare sowie etwaige damit verbundene Interessenskonflikte sind aber nicht die einzigen Sorgfaltspflichtverletzungen, die eine private Haftung von Gusenbauer gegenüber Gläubiger:innen und Anteilseigner:innen begründen könnte. Wie oben bereits kurz erwähnt, ist eine der größten Themen rund um die Signa-Gruppe die Frage, warum es keine gemeinsame Konzernbilanz über die diversen Teilgesellschaften hinweg gab. Das Fehlen so einer integrierten Konzernbilanz ist einer der Gründe für fehlende Transparenz über Gesellschaften hinweg sowie für die Komplexität der jetzt laufenden Insolvenzverfahren, die verschiedene Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen Sanierungsverwaltern betreffen.  

Wie aus Dokumenten hervorgeht, die dem Magazin News zugespielt wurden, wurde spätestens seit 2018 ganz explizit großer Aufwand betrieben, um eine sogenannte “Konsolidierungspflicht” zu vermeiden. Eine solche Pflicht ist unter anderem dann gegeben, wenn es eine “einheitliche Leitung” (244 Abs. 1 UGB) gibt. In dem internen Papier der Steuerberatungskanzlei TPA heißt es dazu unter anderem, “die Feststellung des Vorliegens einheitlicher Leitung ist grundsätzlich als grenzwertig einzustufen”. 

Als Aufsichtsratsvorsitzender der zwei wichtigsten Signa-Gesellschaften sowie Mitglied des Signa-Beirats auf Holding-Ebene war Gusenbauer mutmaßlich selbst Teil dieser “einheitlichen Leitung” mit René Benko an der Spitze. Auch hier ist das zitierte Ö1-Interview mit Alfred Gusenbauer aufschlussreich, weil er dort die Verantwortlichkeit für Aufstieg und Fall “der Signa” in seiner Gesamtheit an dessen Gründungsfigur festmacht: 

René Benko ist lange Zeit ein sehr erfolgreicher Unternehmer gewesen und hat ein hohes Risiko genommen, er hat die Signa aufgebaut. Und ebenso wie er die Verantwortung für die großartige Entwicklung trägt, trägt er in gleichem Ausmaß die Verantwortung dafür, dass es mit dem Unternehmen jetzt nach unten gegangen ist. – Alfred Gusenbauer

Wenn es also Kläger:innen gelingt, eine solche “einheitliche Leitung” durch René Benko und maßgebliche Personen wie Holding-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber, der zusätzlich jahrelang CEO von Signa Prime und Development war, gerichtsfest nachzuweisen, dann hätte Alfred Gusenbauer als zentraler Kontrolleur ebenfalls großen Erklärungsbedarf. 

Denn bei einheitlicher Leitung kann es nach § 100 AktG auch dann zu einer Haftung kommen, wenn die Organe der Muttergesellschaft – hierunter würde dann auch analog der “Beirat” der Holding zählen – “die Organe der Tochtergesellschaft dazu bestimmen, zum Schaden der Tochtergesellschaft zu handeln, um Sondervorteile zu erhalten” (siehe die PWC-Broschüre “Der Aufsichtsrat im Konzern”).

Und genau das könnte im Verhältnis von Signa Holding zu Signa Prime und Development passiert sein.

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