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Kapitalismus

René Benko in Haft: Was bedeutet das für die Immobilienbranche?

René Benko in Haft: Was bedeutet das für die Immobilienbranche?
Der Gründer des Signa-Immobilienkonzerns, René Benko. Illustration: Helena Brandtweiner, MOMENT.at
René Benko wurde verhaftet. Nun sollen die strafrechtlichen Fragen rund um die Pleite seines Immobilien-Imperiums geklärt werden. Welche das sind und warum die nicht strafrechtlich relevanten Fragen genauso wichtig sind, erklärt Leonhard Dobusch.

Am 23. Januar 2025 wurde der österreichische Unternehmer René Benko, Gründer der insolventen Signa-Gruppe, in seiner Villa in Innsbruck festgenommen. Nur einen Tag später, am 24. Januar, entschied das Landesgericht Wien, dass Benko in Untersuchungshaft muss. Die Festnahme und anschließende U-Haft markieren einen Wendepunkt im Fall des einst gefeierten Immobilien-Tycoons, dessen Imperium Ende 2023 zusammenbrach. 

Um die Hintergründe und möglichen Konsequenzen dieser Entwicklung besser zu verstehen, haben wir uns im MOMENT Livestream mit Leonhard Dobusch, wissenschaftlicher Leiter des Momentum Instituts, unterhalten. Er gibt Einblicke in die Causa Benko und deren Auswirkungen auf die Immobilienbranche.

MOMENT.at: Jetzt wurde René Benko festgenommen. Warum?

Leonhard Dobusch: Die Gründe sind Verdunkelungsgefahr und Tatbegehungsgefahr. In beiden Fällen geht es darum, dass man ihm vorwirft, die Insolvenz vielleicht verschleppt zu haben, jedenfalls Handlungen gesetzt zu haben, die bestimmte Gläubiger:innen benachteiligen und mutmaßlich sich selbst oder andere bevorteilen. 

Verdunkelungsgefahr bedeutet, dass er sich zum Beispiel mit anderen absprechen könnte, die an diesem mutmaßlich strafrechtlich relevanten Verhalten beteiligt waren. Da mussten andere dabei sein, weil René Benko selbst als nicht operativ tätige Person keine Möglichkeit hatte, das quasi im Alleingang zu machen. 

Selbst wenn er der Mastermind war und derjenige, der als Bestimmungstäter das Ganze veranlasst hat, gab es da Leute, die in Geschäftsführerpositionen, als Vorstände in einer Aktiengesellschaft oder auch als Aufsichtsräte mitgespielt haben. Man denke an jemanden wie Manuel Pirolt, der dadurch bekannt wurde, dass er in über 200 Gesellschaften gleichzeitig Geschäftsführer war.

MOMENT.at: Was bedeutet jetzt diese Festnahme für die ganze Causa Benko, die Causa Signa? 

Dobusch: Ich glaube, es wird auf jeden Fall dazu führen, dass noch mehr als zuvor die Aufmerksamkeit auf den Kriminalfall Benko gelegt wird. Das finde ich schade. Denn die Dinge, um die es jetzt vor allem gehen wird, sind Dinge, die in den letzten ein, zwei Jahren vor der Pleite passiert sind. Das ist natürlich für die Gläubiger:innen relevant. Dadurch können sie noch zu Geld kommen.

Ich finde aber viel interessanter, was in den zehn Jahren davor passiert ist. In zehn Jahren, in denen das Wirtschaftsmagazin “Trend” ihn zweimal als Mann des Jahres gefeiert hat und er beim Törggelen alle Politiker:innen Österreichs vor den Augen aller Kameras und Medien angefüttert hat. Das ist eigentlich die spannende Frage. Und viele dieser Dinge waren legal, wenn auch vielleicht nicht legitim. 

Meine Sorge ist, dass das wirtschaftlich Skandalöse an diesem Fall in den Hintergrund rückt und es nur noch um den Kriminalfall geht. Dabei haben wir alles andere noch lange nicht aufgearbeitet, geschweige denn korrigiert. 

Es wird immer Kriminelle geben. Es wird immer Leute geben, die irgendwelchen betrügerischen Geschäften nachgehen. Das wird man nie ganz verhindern können. Das war aber schon vorher verboten, und damit ist es auch erledigt. Und ich glaube, das wäre ein Fehler, dass wir nur noch über Benko, den mutmaßlich Kriminellen, reden.

MOMENT.at: Was müsste man für Maßnahmen setzen?

Dobusch: Das hört sich alles so an, als wäre 50 Jahre nichts passiert. Schauen wir mal den deutschsprachigen Raum an: um 1994, 1995 herum ist die größte Immobilienpleite nach der Wende passiert. Ein gewisser Jürgen Schneider hatte binnen weniger Jahre Immobilien in einem großen Milliardenbereich aufgebaut. Wenn man die Berichte nachliest, ist immer die Rede von Toplagen in Innenstädten, was uns vielleicht bekannt vorkommt. 1994, 1995 war der Boom nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu Ende. Damit änderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und es krachte. Schneider ging dann noch kurz ins Gefängnis. 

Die nächste große Immobilienpleite in Deutschland war in der Finanzkrise 2008, 2009: Level One, Mastermind war mit Cevdet Caner wieder ein Österreicher. Das war ziemlich genau 15 Jahre nach Schneider und jetzt haben wir wieder 15 Jahre nach Level One den Fall Benko. 

Einmal ist es ein Einzelfall, zweimal ist es ein Zufall, aber dreimal ist es ein Muster.

MOMENT.at: Es ist also Tradition. 

Dobusch: Du hast völlig recht (lacht). Ich finde aber, das ist eine Tradition, mit der wir brechen sollten. 

Eine Möglichkeit, das zu tun, wäre, dass wir für Unternehmen, die primär mit Immobilien zu tun haben, eine eigene Rechtsform mit eigenen Regeln einführen. Das ist in Frankreich oder den Niederlanden bereits der Fall. Dann gibt es weiterhin eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH, aber: Wenn 80 Prozent des Vermögens Immobilien sind, wenn mehr als die Hälfte der Umsätze Mieteinnahmen sind, wenn also dein Geschäft ein Immobiliengeschäft ist – die Grenzwerte kann man sich noch anschauen – dann bist du halt eine Immobilien-GmbH oder eine Immobilien-AG und dann gelten für dich andere Regeln. 

Dann gibt es zum Beispiel auch keine Share-Deals mehr, wo ich sage, ich verkaufe nur Anteile und dafür spare ich mir die Grunderwerbsteuer, sondern dann zahlst du bitte die Grunderwerbsteuer. So wie jeder Häuselbauer auch. Das ließe sich schnell umsetzen und es wäre für den Staat nicht nur kostengünstig, sondern man würde damit Steuervermeidung mit Hilfe von “Zwergerlanteilen” beenden – wie große Wirtschaftsanwaltskanzleien das bewerben. 

Gemeint ist damit: Verkauft wird nicht die Immobilie selbst, sondern nur Anteile an der Gesellschaft, der die Immobilie gehört. Solange jemand anderes 5 Prozent, das ist die Grenze in Österreich, oder 10 Prozent, das ist die Grenze in Deutschland, an der Gesellschaft hält, fällt dann für diesen Deal keine Grunderwerbsteuer an. Dann habe ich nämlich nur Anteile an der Gesellschaft und nicht die Immobilie verkauft. Solche Spaßigkeiten kann man leichter beenden, wenn es die Immobiliengesellschaft als eigene Rechtsform gibt.

MOMENT.at: Wieso sind es denn immer Immobilien?

Dobusch: Weil alle das Gefühl haben, dass Immobilien eine sichere Anlageform sind. Wenn ich auf Nummer sicher gehen will, dann kaufe ich eine Immobilie. Wenn ich Immobilien nicht als Wohnort, sondern als Investment verstehe, sind sie aber immer spekulativ. Warum? Ich muss vorneweg sehr viel Geld in die Hand nehmen. Ich verdiene aber über die Nutzungsdauer zurück. Das heißt, ich muss über Jahrzehnte gut vermieten. Über diesen langen Zeitraum kann sich aber Vieles verändern.

Dann habe ich noch unterschiedliche Möglichkeiten, wie ich das kalkuliere. Zum Beispiel kann ich über Jahrzehnte nur die Zinsen des Kredits zurückzahlen und darauf hoffen, dass die Immobilie mehr wert wird. Dann nehme ich auf diese Immobilie einen neuen Kredit auf, zahle den alten zurück und es bleibt noch etwas übrig. Das hat Benko gemacht. Das ist aber hochspekulativ.

Ich kann auch anders an so etwas herangehen und einfach den Kredit über die Laufzeit zurückzahlen. Danach gehört die Immobilie mir und ich bin schuldenfrei. Es muss auch nicht alles auf einmal sein. Wenn ich zwei Drittel zurückgezahlt habe, ist auch kein großes Risiko mehr da, denn die Immobilie wird immer einen Wert haben. Dann ist es vergleichsweise sicher.

Ein kurzer Blick zeigt auch: Es sind immer Immobilien, aber es sind vor allem die privaten Immobilienmärkte. Ich sage nicht, dass im gemeinnützigen Sektor alles in Ordnung ist. Da gibt es noch Potenzial zu mehr Effizienz, aber die großen Spekulationsskandale liegen im Privaten. Das findet sich im gemeinnützigen Sektor nicht und trotzdem werden Häuser gebaut, wo Menschen wohnen. 

MOMENT.at: Wie lange denkst du, wird uns dieser ganze Benko-Fall noch beschäftigen?

Dobusch: Beim letzten Fall gab es von 2012 bis ungefähr 2020 ein Strafverfahren. Ich würde sagen, es wird jetzt ungefähr 8 bis 10 Jahre dauern, dann ist Benko aufgearbeitet, dann haben wir fünf Jahre Pause und dann … (lacht).

MOMENT.at: Was sollte die Gesellschaft wissen, um zu verstehen, was das Problematische an Rene Benko und Signa war? 

Dobusch: René Benko und seine Firma haben Immobilien gekauft und diese auf Basis höherer Mieten, die anderen Signa-Firmen aufgebrummt wurden, höher bewertet. Mit diesen höheren Bewertungen haben sie größere Kredite von Banken bekommen. Diese Kredite haben sie verwendet, um noch mehr Immobilien zu kaufen. 

Dann haben sie den Prozess wiederholt. Dieses Modell funktionierte, solange die Zinsen niedrig waren und die Immobilienpreise hoch blieben oder stiegen. Als jedoch die Zinsen gestiegen und die Immobilienpreise gefallen sind, ist dieses System zusammengebrochen. 

Die erste Reaktion ist oft: Selber schuld. Da sollte man aus zwei Gründen aufpassen. Erstens werden die Konsequenzen zum Teil von uns allen als Gesellschaft getragen. Im Fall Rene Benko waren es große Versicherungskonzerne aus Deutschland oder Versorgungswerke, die investierten. Sie mussten teilweise große Teile ihrer Investments abschreiben. Das heißt, dass sie weniger Gewinn machen oder dass sie ihre Prämien erhöhen müssen, die wiederum ihre Kund:innen zahlen. Wenn sie aber weniger Gewinn machen, zahlen sie auch weniger Gewinnsteuern. Deshalb ist es für uns alle nicht egal. 

Das Zweite ist, dass in den letzten zehn bis zwölf Jahren, als wir eine Wachstumsdynamik hatten, sehr viel Geld rausgezogen wurde. Wir wissen, Benko hat seinen Privatjet lange Jahre von der Steuer abgesetzt und er hat auch seine Luxus-Chalets teilweise als Repräsentationsräumlichkeiten von der Steuer abgesetzt. Das ist nochmal ein anderer Teilaspekt: Dass er so gierig war, dass er seinen Luxuslebenstil auch noch von uns mitfinanzieren hat lassen. 

Es geht aber nicht nur um die sichtbaren Obszönitäten, sondern darum, dass unfassbar viel Geld daran verdient wird. Mit jedem Refinanzierungskredit gibt es Bonis für die beteiligten Banker:innen. Die ganzen Finanzdienstleister:innen verdienen an diesem nicht nachhaltigen Geschäftsmodell mit. Deshalb spielen auch alle mit. Diese Anreizwirkung ist problematisch und deshalb braucht es besondere Regeln für Immobiliengesellschaften, weil sich sonst immer wieder Banken, Bankiers und Investor:innen finden werden, die mitspielen, weil alle über viele Jahre hinweg so gut verdienen.

Das galt für Signa ganz besonders. Expert:innen, die auf den Turnaround im Handelsbereich spezialisiert sind, sind schockiert, was da für Gehälter an Vorstände und Geschäftsführer gezahlt wurden. Das war völlig aberwitzig. Das ist aber auch kein Zufall. So haben diese Menschen Dingen zugestimmt, die gesellschaftsrechtlich eigentlich nicht gehen.

MOMENT.at: Was meinst du mit diesem Turnaround?  

Schippert ein Handelsunternehmen in den Abgrund, gibt es Leute, die dabei helfen, das wieder zurück auf Kurs zu bringen – also den Turnaround zu schaffen. Dafür kriegst du Überbrückungskapital. Das lassen die sich aber natürlich gut vergüten.  

MOMENT.at: Abschlussfrage: Glaubst du, ist das das letzte Mal, dass du hier über Rene Benko reden wirst? 

Dobusch: Also, das wäre doch schade, oder? Ich habe da großes Vertrauen in die Staatsanwaltschaft und in René Benko selbst, dass er noch weitere Anlässe liefern wird. 

MOMENT.at: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und ich freue mich auf den nächsten Immobilienskandal in 15 Jahren.

Dobusch: Ich nicht.

Hinweis: Das Interview wurde gekürzt und an eigenen Stellen abgeändert. Der Inhalt wurde selbstverständlich nicht verändert. Das ganze Gespräch findest du hier.

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