print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Kapitalismus

Pleite von Kika/Leiner: “Zu 90 bis 95 Prozent gibt es kein Wiederauferstehen”

Pleite von Kika/Leiner: “Zu 90 bis 95 Prozent gibt es kein Wiederauferstehen”
Leiner-Filiale in Wien-Penzing. Den Möbelhäusern droht nach der Insolvenz von Kika/Leiner das Aus, 1.400 Beschäftigten der Jobverlust. // Foto: Herzi Pinki (CC BY-SA 4.0)
Der Möbelhändler Kika/Leiner ist insolvent. Schon wieder und wohl für immer. Über Jahre schrumpfte das Unternehmen. Tausende verloren ihre Jobs, Filialen wurden geschlossen, Immobilien verkauft. Investoren wie Signa-Gründer René Benko gaben sich die Klinke in die Hand. Den verbliebenen 1.400 Beschäftigten droht der Jobverlust. Im österreichischen Möbelhandel könnte einer profitieren: der übergroße Konkurrent XXXLutz. Ganz still kaufte der elf bereits geschlossene Filialen von Kika/Leiner auf.

Möglicherweise war es ein Vorbote: Die Onlineshops von Kika und Leiner waren offline, da gab es die Meldung über die bevorstehende neuerliche Insolvenz des einstigen Möbelriesen noch nicht. Zu Beginn dieser Woche wurden Kaufinteressenten vertröstet, die bei Kika/Leiner online ein Sofa, einen Sessel oder einen Schreibtisch ordern wollten. Man arbeite “intensiv an einer Neugestaltung, um unser Angebot für Sie noch attraktiver zu machen”, war zu lesen. 

Dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Die “Leiner & kika Möbelhandels GmbH” mit Sitz im niederösterreichischen St. Pölten stellte einen Insolvenzantrag. Der einstige Möbelriese ist pleite. Betroffen sind 1.400 Beschäftigte in zuletzt noch 17 Filialen in Österreich. “Für sie bedeutet das ein Höchstmaß an Ungewissheit, jetzt in der Vorweihnachtszeit so eine Nachricht zu bekommen”, sagt Michael Pieber, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten GPA. 

Kika/Leiner: Insolvenz kam „überraschend“

Dass Kika/Leiner jetzt Insolvenz anmelden muss, “kam sehr überraschend”, sagt Pieber zu MOMENT.at. “Wir waren zuversichtlich, dass Kika/Leiner durchs Weihnachtsgeschäft kommt und dann vielleicht den Turnaround schafft.” Was die Pleite für die Beschäftigten bedeutet, lasse sich noch nicht sagen. Nur soviel: “Wir können nur raten, nichts voreilig zu unterschreiben”, sagt Pieber. Beschäftigte sollten nicht selbst kündigen, um mögliche Ansprüche nicht zu gefährden.

Dabei mussten die Mitarbeiter:innen der einst stolzen Kette in den vergangenen Jahren schon einiges mitmachen. Im Sommer 2023 wurden 1.900 Beschäftigten gekündigt und 23 Filialen geschlossen. Das war Teil einer Radikalsanierung unter dem neuen Manager Hermann Wieser. Nur Tage nachdem er das operative Geschäft übernommen hatte, meldete Kika/Leiner Insolvenz an. “Wir retten jetzt, was zu retten ist”, hieß es damals von Wieser. 

Doch es gelang nicht. In der Bilanz zum 30. September 2023 für das abgeschlossene Geschäftsjahr meldete Kika/Leiner 144 Millionen Euro Verlust bei knapp 600 Millionen Euro Umsatz. In diesem Jahr mussten vor der neuerlichen Zahlungsunfähigkeit schon 500 Beschäftigte gehen. Aber: Noch vor etwas mehr als einem Monat ließ das Unternehmen verlauten, keine Filialen schließen zu wollen. Man wolle das Unternehmen “nachhaltig und gesund in die Zukunft führen”.

Verschwindet Kika/Leiner jetzt ganz?

Davon ist ein paar Wochen später keine Rede mehr. Kostensteigerungen und Konsumflaute hätten die Rettung von Kika/Leiner zu einer “nicht bewältigbaren Aufgabe” gemacht, so das Unternehmen. MOMENT.at fragte bei der Presseagentur von Kika/Leiner, was dies für die Beschäftigten und Filialen heißt: Sperrt die Möbelhaus-Kette komplett zu? Sind sämtliche Jobs im Unternehmen in Gefahr? Wann war klar, dass der Weg in die Insolvenz unvermeidlich ist? Wir erhielten keinen Rückruf und keine Antworten.

“Es gibt eine sehr sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass Kika/Leiner verschwindet”, sagt Christian Wimmer, Geschäftsführer der Einkaufsverbände Garant und Wohnunion. Unter deren Dach regeln rund 300 Handelsunternehmen der Branche ihre Einkäufe bei den Produzent:innen von Möbeln und Einrichtungen. “Bedauerlich” nennt er das drohende Ende von Kika/Leiner. Aber: “Zu 90 bis 95 Prozent wird es keine Wiederauferstehung geben”, sagt der Branchenkenner.

Übrig bliebe ein Quasi-Monopolist: XXXLutz und seine vielen angeschlossenen Ketten an Einrichtungshäusern. “Das ist das Schädlichste im Markt überhaupt”, sagt Wimmer. Denn beherrscht ein Unternehmen den Handel mit Möbeln in Österreich, “bekommen die Lieferanten dahinter auch Druck, jetzt schlechtere Konditionen anzunehmen”. Für die Kund:innen in den Möbelhäusern und Webshops sei es schwieriger, Angebote und Preise miteinander zu vergleichen. Fehlt ein Konkurrent wie Kika/Leiner, fällt es schwerer zu sagen, ob Couchen und Küchen von XXXLutz und seinen spin-offs zu angemessenen Preisen angeboten werden.

“Für die Beschäftigten von Kika/Leiner ist das jetzt der Super-Gau”, sagt Wimmer. “Wenn du 20 Jahre dort tätig warst und jetzt im Alter von 50 Jahren den Job verlierst, dann kann dir nichts Schlechteres passieren.” Für Produzenten, die fast ausschließlich nur für Kika/Leiner Möbel herstellen, könnte ein Totalausfall fatal enden. Dass ein weiterer Investor die Möbelhäuser übernimmt und versucht zu sanieren, schließt Wimmer aus. “Irgendwann kommt das Schiff in so eine Schieflage, dass du es nicht mehr aufrichten kannst”, sagt er.

Kika/Leiner hat bereits drei solcher Übernahmen hinter sich. Immer wieder kam die Möbelkette ins Schlingern. Ab 2013 kaufte sich der inzwischen aufgelöste Steinhoff-Konzern aus Südafrika bei Kika und Leiner ein. Im Jahr 2018 drohte wegen des Ausfalls einer Kreditversicherung die Zahlungsunfähigkeit bei Kika/Leiner. Es folgte der Auftritt von René Benko. Mit seiner Signa-Gruppe übernahm er die Möbelhauskette und “sichert 5.000 Arbeitsplätze”, wie damals geschrieben wurde.

Für Benko war’s ein „sehr gutes Investment“

Fünf Jahre später und mit über 1.100 Beschäftigten weniger, wurde Kika/Leiner weitergereicht. Signa verkaufte im Juni 2023 die Häuser der Handelskette an die Supernova-Gruppe – einem Entwickler von Einzelhandelsimmobilien. Das operative Geschäft trat Benkos damals noch nicht insolvente Signa-Gruppe für einen symbolischen Euro an Hermann Wieser ab. Dann kam die Radikalsanierung. Benkos Signa nannte den Ein- und Ausstieg bei Kika/Leiner hinterher ein „sehr gutes Investment“.

Für Kika/Leiner brachte das ein Problem: In den eigenen Filialen ist der Möbelhändler nur mehr Mieter. Geschlossene Standorte etwa anderweitig zu verwerten, war nicht möglich – weil sie Kika/Leiner nicht mehr gehören. “Die Trennung von Immobiliengeschäft und operativem Geschäft, lässt für das operative Geschäft nicht mehr viel übrig”, sagte Handelsexpertin Cordula Cerha von der Wiener Wirtschaftsuniversität in der ZiB2. Drastisch formuliert es Christian Wimmer: “Das operative Geschäft ist nix wert. Der dafür gezahlte eine Euro war im Grunde zu viel.”

Tatsächlich hat Supernova im Rahmen des Sanierungsverfahrens Mietzahlungen gestundet und Kika/Leiner auch eine Anschubfinanzierung von 30 Millionen Euro geleistet. Aber Supernova tat noch mehr. Im Zuge der Pleite von Kika/Leiner jetzt, fiel dem Kurier auf: Elf der 23 im vergangenen Jahr geschlossenen Filialen sind inzwischen an eine SAR Leasing GmbH verkauft worden. Diese Firma gehört dem alten und inzwischen übergrößen Konkurrenten von Kika/Leiner und Platzhirschen im Möbelhandel in Österreich: XXXLutz.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 2 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

  • frizzdog
    14.11.2024
    es fällt auf, dass in österreich - vermutlich aufgrund der "angebotenen" lücken in der gesetzgebung - ganz offensichtlich die halbseidenen geschäftsleute bevorzugt werden. die bombardierung mit LasVegasXXXLutz werbung macht das recht hemmungslos öffentlich. die abschreibungs-posse dahinter mit der von sich selbst gemieteten marke drückt das ebenfalls aus. die aggressive betriebsratsfeindlichkeit vereint diese leute mit MUSK in der unseriosität, die offenbar gerade "mode" wird.
    Antworten
    • bugbear
      14.11.2024
      Ein Hoch auf den Neoliberalismus! (Disclaimer: Wer in dieser Aussage Sarkasmus findet, darf ihn gerne behalten.)