Berufswechsel als Erwachsener: Ich mach jetzt was anderes
Als junger Mensch muss man sich hierzulande früh für eine Ausbildung entscheiden. Die Entscheidung für eine Ausbildung, eine Lehre oder ein Studium prägt oft den weiteren Lebensweg. Doch im Laufe der Jahre erkennen viele, dass der gewählte Beruf nicht die erwartete Erfüllung oder finanzielle Sicherheit bietet. Immer mehr Erwachsene stehen vor der Herausforderung, einen Berufswechsel anzustreben, um sich persönlich und beruflich neu zu orientieren. Einen „klassischen Weg“ für die berufliche Veränderung gibt es laut AMS nicht. Umfassende Daten dazu, wie oft der Wechsel gelingt oder scheitert, fehlen auch.
Wir haben mit drei Menschen gesprochen, die sich für einen dieser Wege entschieden haben und dann erfolgreich etwas anderes gemacht haben.
Wenn der alte Beruf nicht mehr passt
Andreas, der wie die anderen anders heißt, hat sich für ein Studium entschieden. „Ich habe Politikwissenschaften studiert“, erzählt er gegenüber MOMENT.at. „Danach habe ich einige kleinere Jobs gemacht und bei einer NGO angefangen.“ Der Fokus seiner ersten Berufserfahrungen lag auf interkulturellem Lernen, relativ passend zum Studium. Aber die Arbeit umfasste mitunter auch die „Heilige Dreifaltigkeit der Büroarbeit: Excel, Outlook, Telefon.“ Doch nicht nur das war schlicht „zach“. Der Job war auch nicht immer sicher. Wenn eine Förderung wegfällt, gehen Arbeitsplätze verloren.
Mathilda hat auch die Matura gemacht und dann begonnen, an der Universität für Bodenkultur zu studieren. Neben dem Studium jobbte sie in einer Gärtnerei. Das gefiel ihr – mehr als in Bücher hineinzuschauen. „Entscheidend war bei mir dann das Geld“, erzählt sie. Als sie Mitte 20 war, konnte sie sich ihr Leben mit Studium und Teilzeitjob nicht mehr leisten. Sie verließ die Universität, ein Aufstocken vom 20-Stunden-Nebenjob-Gärtnerei auf Vollzeit wäre möglich gewesen, aber aufgrund des langen Arbeitsweges nicht gut.
Michael wiederum hat eine Lehre als Mechaniker absolviert. Er kommt vom Land, da hat es sich vor einigen Jahrzehnten quasi noch so gehört. In dem Job direkt arbeitete er aber nie. „Nach der Lehre habe ich zwei Jahre als Landschaftsgärtner im väterlichen Betrieb gearbeitet, dann vier Jahre bei einem Autozulieferer“, erinnert er sich zurück. Ohne Matura gab es dort aber keine Aufstiegschancen und „die Arbeit hat mich nicht erfüllt“.
Berufliche Veränderung: Und jetzt?
Keine Perspektive, zu lange Wege, die falsche Ausbildung abgeschlossen, unglücklich sein – Die Gründe für einen Berufswechsel sind unterschiedlich. Der Wunsch nach Veränderung ist aber nur der erste Schritt einer mitunter längeren Reise.
„Ich habe mir das lange überlegt, bin zu Berufsberatungen gegangen“, blickt Andreas zurück. Im Zuge seiner letzten Arbeit war er mit „leiwanden“ Lehrer:innen in Kontakt gekommen: „Eine Bekannte hat mir gesagt, dass man auch als Quereinsteiger Lehrer werden kann. Das hat mir gefallen, mit 20 wäre das für mich noch keine Alternative gewesen, das war zu nahe dran an meiner eigenen Schulzeit.“ In Österreich gibt es verschiedene Programme dafür, er bewarb sich für eines. Nach einer kurzen, bezahlten Grundausbildung arbeitet man dabei zwei Jahre als Lehrer.
Mathilda heuerte zuerst in der Textilbranche an – ein Bürojob, aber immerhin Vollzeit. Die Branche selbst hat sie nicht wirklich interessiert: „Matura und kein Studium, da gibt es nicht unendlich viel Auswahl, wenn man mehr als das Minimum verdienen möchte und halbwegs gute Arbeitszeiten haben will.“ Immerhin: Durch die Büroarbeit wusste sie, dass ihr das gefällt. Nach einiger Recherche stieß sie auf die Ausbildung zur Medizinischen Verwaltungsassistentin.
Etwas anders war es bei Michael. „Meine Frau hat damals schon als diplomierte Krankenpflegerin gearbeitet“, erinnert er sich an die Zeit der Überlegung über seine berufliche Zukunft zurück. Bei einem Eignungstest fand er heraus, dass für ihn ein Sozialberuf sehr passend wäre. Also machte er mit 300 anderen eine Aufnahmeprüfung bei einem Krankenhaus – und war einer von 24 Glücklichen, die genommen wurden.
Herausforderung Umstellung
Wer etwas anderes machen will, stößt allerdings auf eine Vielzahl von Problemen. Alle drei standen schon mitten im Leben. Man hat vielleicht schon einen gewissen Lebensstandard, jedenfalls aber Verpflichtungen und Kosten. Das Umlernen muss da gut durchdacht sein.
„Eine dreijährige Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule wäre sich bei mir finanziell nie und nimmer ausgegangen“, spricht Andreas einen wichtigen Punkt an. Der Vorteil am Quereinstieg in den Lehrberuf war einerseits die Versicherung, dass er dann zumindest zwei Jahre einen sicheren Job hat, andererseits, dass er auch nach zwei Jahren den Hut draufhauen kann: „Damals gab es auf der PH wenig Praxis. So lange zu studieren und nicht zu wissen, ob das Lehren wirklich etwas für mich ist, hat mich einfach abgeschreckt.“
Auch bei Mathilda gab es Überlegungen rund ums Geld. Eine lange Ausbildung neben dem Vollzeitjob kam für sie nicht infrage. Die Dauer, um als medizinische Verwaltungsassistentin zu arbeiten, ist überschaubar. Abhängig von einem Pflichtpraktikum sind es nur wenige Monate, zudem wird die Ausbildung gefördert: „Mit ein bisschen Erspartem kann man so eine kurze Zeit schon überbrücken.“ Dass es danach viele Berufschancen gibt, war ebenfalls ein Pluspunkt.
Schwieriger war es für Michael. Seine Frau und er bauten damals bereits am eigenen Dach über dem Kopf, das erste Kind war schon auf der Welt, weitere geplant. „Ich habe ein Stipendium bekommen – aber nur in der Höhe des Arbeitslosengeldes, also nicht viel“, weiß er: „Ohne die Schwiegermutter hätten wir das nicht geschafft. Meine Frau musste zudem voll arbeiten, damit wir insgesamt genug Geld haben.“
Reaktionen auf Berufswechsel als Erwachsener
Eine unglaublich wichtige Rolle spielt eben auch diese Unterstützung des Umfelds. Das fängt schon bei der Entscheidung an, wenn man etwas anderes machen will. Wir Menschen leben nicht im luftleeren Raum, Familie und Freunde reden auch dann mit, wenn man 30 Jahre alt ist. Es wird bewertet, hinterfragt und zum Glück auch ermutigt oder mitgeholfen.
In Andreas‘ Freundeskreis war die berufliche Veränderung kein großes Thema. Man akzeptierte, dass er etwas Neues lernen möchte. Bei Mathilda gab es „weder positives noch negatives Feedback. Es war eher so: Mach’, was dich glücklich macht.“
Schwenk ins Dorf. Michael, vom Mechaniker zum Krankenpfleger, da musste er sich rückblickend schon einiges nicht Druckreifes anhören: „Ich wurde am Anfang von den Männern schon auch belächelt. Aber eigentlich waren alle eher erstaunt. Wenn man mir mit 19 gesagt hätte, dass ich Krankenpfleger werden will, hätte ich das selber nicht geglaubt.“
Zufrieden nach Jobwechsel: Ankommen im neuen
Letztlich haben alle drei unserer Gesprächspartner:innen die Herausforderung angenommen und konnten den neuen Job anfangen.
Nach einem rigiden Auswahlprozess begann Andreas dann. Die Quereinsteiger:innen seines Programms arbeiten in Schulen, in die viele Kinder und Jugendliche mit wenig privilegiertem Hintergrund gehen. „Der Umstieg von Büro auf Schule war ‚oag‘, zuerst war ich überfordert. Das gesamte erste Jahr war eine enorme Belastung. Aber eben super spannend und ich habe viel gelernt“, sagt er heute. Andreas unterrichtet mittlerweile sein achtes Jahr als Lehrer. Er ist sehr zufrieden
Mathilda ist auch glücklich. Ihre Arbeit in einem Krankenhaus ist in der Regel gut planbar. Das Umfeld, das sie vor drei Jahren vorgefunden hat, gefällt ihr. „Das war mir auch immer wichtiger als eine Karriere. Ein Job finanziert mir mein Leben. Ich lebe nicht, um zu arbeiten, sondern umgekehrt“, sagt sie. Der Gesundheitsbereich ist zudem krisensicher. Verwaltung in Sachen medizinischer Grundversorgung, das brauche es immer. Froh über den Umstieg vor bald 20 Jahren ist auch Michael. Allerdings sei die Krankenpflege auch mehr als nur herausfordernd. „Es sterben Menschen, gibt schwerkranke Kinder, das ist nicht immer einfach“, erzählt er. Allerdings wusste er über seine Frau schon, worauf er sich einlässt. Die versteht er nun auch viel besser: „Sie wollte, als ich noch beim Autozulieferer war, immer über ihre Arbeit reden. Ich konnte nur zuhören, es aber nicht verstehen.“ Es gibt also auch über das Berufliche hinausgehend Vorteile beim Berufswechsel.
Die Herausforderungen beim Berufswechsel
Wer erwachsen ist, überlegt sich schon, ob es im erträumten Berufsfeld auch genügend Jobs gibt und wie es werden kann. Der Mut zum Berufswechsel und zur Erwachsenenbildung bietet aber auch die Möglichkeit, um persönliches Glück und berufliche Erfüllung zu finden – auch wenn man schon ein bisschen älter ist. Das zeigen jedenfalls die Geschichten von Andras, Mathilda und Michael.
Digitalisierung und der technologische Fortschritt bieten neue Möglichkeiten für lebenslanges Lernen und berufliche Weiterbildung. Das ist wichtig, vor allem für den sozialen Bereich. Gerade im Gesundheitsbereich gibt einen großen Personalmangel.
Das spürt eben auch Umsteiger Michael. Die personelle Situation im Gesundheitsbereich gegenwärtig „ein Horror”. Gerade deshalb ist es wohl auch wichtig, dass ihm die berufliche Veränderung dorthin viele nachmachen. Aber egal, ob man in einen Mangelberuf wechselt, oder einfach nur endlich wieder glücklich in einem anderen Job werden will. Um Interessierte dorthin zu bringen ist aus seiner Sicht vor allem eines wichtig: Unterstützung aus der Politik. Michael sagt es so: „Das Finanzielle ist das Um und Auf. Wer sich umschulen lässt, braucht aktuell den familiären Rückhalt und muss auf viel verzichten.“
Hast du auch eine berufliche Veränderung probiert? Welche Erfahrungen mit dem Berufswechsel hast du gemacht oder miterlebt? Wir freuen uns über mehr Erfahrungsberichte den Kommentaren. (Wenn du eine korrekte E-Mail-Adresse hinterlässt, melden wir uns vielleicht für Folgegeschichten zum Thema.)