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Klimakrise

Mit dem Zug um die Welt: ganz unkompliziert?

Mit dem Zug um die Welt: ganz unkompliziert?
Mit dem Zug um die Welt (c) Daniel Frese
Eine weite Reise mit dem Zug antreten. Dafür entscheiden sich noch wenige. Die Tickets sind meist teurer als beim Fliegen, der Aufwand beim Planen viel größer. Und das, obwohl die Nachfrage für Zugreisen wächst - und wir den Umstieg in der Klimakrise dringend brauchen. Vielleicht entzündet demnächst ein kleines Startup den nötigen Funken zur Veränderung. Ohne die Politik wird das aber wie so oft schwer.

Endgegner: Eine Reise mit dem Zug buchen 

Von Wien nach Barcelona mit dem Flugzeug: kein Problem. Gefühlte drei Klicks brauchst du, um zu buchen. Du gibst Start und Ziel in deiner Suchmaschine ein. Zack. Eine Auswahl an Angeboten ploppt auf. Egal ob du schnell, billig, bequem oder mit Zwischenstopp ans Ziel kommen willst: Das passende Angebot ist dabei. Aus zig Plattformen kannst du auswählen. Nicht einmal 150 Euro musst du für den Barcelona-Trip in die Hand nehmen. Reisen war noch nie so einfach wie heute – aber leider nur mit dem Flieger. 

Von Wien nach Barcelona mit dem Zug: großes Problem. Die Suchmaschine zeigt dir zwar eine Verbindung an. Nach einem Kostenvoranschlag suchst du aber vergeblich. Denn für die Route musst du mindestens bei zwei verschiedenen Zugunternehmen buchen, wenigstens dreimal umsteigen. Was das kostet, musst du dir selber ausrechnen. An die Preise der Fluganbieter kommt es nicht heran. Die Umstiege können dich bis zu 12 Stunden Zeit kosten. Bis du überhaupt die ideale Verbindung zum besten Preis gefunden hast, vergehen schon einmal Tage. Und dabei ist das ja noch eine Reise innerhalb der EU – keine besonders ferne oder ungewöhnliche Destination. 

Keine Klimawende ohne Verkehrswende

Weltweit müssen wir die CO₂-Emissionen drastisch senken. Und einen großen Teil der klimaschädlichen Treibhausgase verursacht der Verkehr. Der größte Klimasünder dabei ist das Flugzeug. Kein Verkehrsmittel stößt pro Passagier mehr Treibhausgase aus. Dennoch boomt das Fliegen unbeirrt weiter.

Und es wird mit massiver Unterstützung des Staates gefördert: In der Coronakrise griff die Politik Fluglinien wie der AUA finanziell kräftig unter die Arme. Noch immer gibt es in der EU keine Steuer auf das Flugbenzin Kerosin. So bezahlen wir alle indirekt den Flugverkehr. Und das, obwohl das Fliegen bei weitem kein Volkssport ist. Am häufigsten in die Luft gehen Wohlhabende und Geschäftsreisende. Rund ein Drittel der Menschen in Österreich fliegen nie.

Einer davon ist Elias Bohun. Er will reisen und auch ferne Orte besuchen, aber damit das Klima nicht über Gebühr belasten. Deshalb nimmt er den Zug. Für seine Reise nach Vietnam bescherte das dem jungen Wiener eine Lebensaufgabe. Mehrere Wochen plante er die 16-tägige Zugreise nach Ostasien. Das muss besser werden, dachte er. Wieder zurück in Wien, entwarf er ein Konzept, wie Reisende ihre Langstrecken-Zugreisen besser planen können.;

Die Leute rannten ihm quasi die Bude ein. Das Interesse war so groß, dass er gemeinsam mit seinem Vater ein Reisebüro gründete. Dort kann man sich individuelle Zugreisen planen lassen oder aus fertigen Paketen auswählen. Das Ziel der Bohuns: Zugreisen so einfach, billig und klimafreundlich wie möglich zu gestalten.

Vom Reisebüro zur App

Schon einige Jahre arbeiten Elias Bohun und sein Vater an einer Buchungsplattform für Zugreisen. “Traivelling” möchte sich von bestehenden Anbieter:innen abheben. Der Algorithmus soll das beste Angebot für die individuellen Bedürfnisse bereitstellen: Fährst du lieber mit dem Nachtzug oder am Tag? Möchtest du möglichst lange im selben Zug fahren oder öfter in besonders attraktiven Städten umsteigen – mit ausreichend Zeitreserven für ein bisschen Sightseeing? Es soll die erste Buchungsplattform für Zugreisende sein, die verschiedenen Verkehrsmitteln anbietet, die alle klimafreundlicher sind als Flugzeuge. Sollte es einmal keine Zugverbindung geben, wird auf Bus oder Fähre ausgewichen. 

Das sei aber kein einfaches Unterfangen, wie Gründer Elias Bohun im Gespräch mit MOMENT.at erklärt. Er wäre gerne schneller mit seinem Projekt. Aber die Probleme seien vielseitig. Es beginnt damit, dass Bahnhofsnamen nicht in allen Systemen gleich sind und Fahrpläne nicht standardisiert. Häufig bieten verschiedene Unternehmen unterschiedliche Preise für denselben Zug an. Dass es immer mehr Privatbahnen gäbe, würde die Planung auch unübersichtlich machen. In manchen Regionen wiederum müssten Reisende auf Busse setzen, weil es keine Zugverbindungen gibt. Das alles mache es schwierig, ein einfaches System zu schaffen – und damit eben auch die Buchung kompliziert. 

Zugfahren ist angesagt 

Trotzdem sagt Bohun: “Die Nachfrage für Zugreisen ist riesig. Sie steigt gerade extrem. Wir müssen aufpassen, dass das Angebot auch der Nachfrage entspricht.” Das bestätigt auch die erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne: Sie brachte ihm 200.000 Euro ein. Damit werden Programmierer:innen finanziert, die das technisch umsetzen. Bis 2025 soll das Projekt verwirklicht werden. 

Um den Umstieg vom Flugzeug auf die klimafreundlichere Bahn einfacher zu machen, muss sich jedenfalls noch einiges tun. Für große Bahnunternehmen ist die Nachfrage wohl noch nicht attraktiv genug, um sich selbst damit auseinander zu setzen. Sie müssen ja nicht nur das Angebot ausbauen, sondern könnten ja auch selbst Standards für Preise, Fahrpläne und Buchungssysteme schaffen. Die Bahnunternehmen ergeben sich vielleicht auch noch den zu billigen Flugpreisen. Eine Nachfrage bei der ÖBB zu den Gründen blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Vielleicht ist das Interesse an Bohuns Zugreisen ein Wink für die Unternehmen – und die Verkehrspolitik.

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