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Demokratie
Kapitalismus

Corona: Die Krisenkommunikation von Sebastian Kurz

Corona: Die Krisenkommunikation von Sebastian Kurz
Grafik NatsAnalyse

Inmitten der Corona-Pandemie fällt der Regierung eine enorme Rolle zu: Ich habe mir die Kommunikation angeschaut.

Inmitten der Corona-Pandemie fällt den Regierenden eine enorme Rolle zu: Sie müssen schnell die sachlich korrekten Entscheidungen treffen und sie müssen der Bevölkerung die Lage vermitteln. Letzteres ist besonders schwierig, da sich die Ereignisse überschlagen, diese Situation für alle Neuland ist und trotzdem und gerade deswegen keine Panik ausbrechen darf. Gleichzeitig muss der gravierende Ernst der Lage unmissverständlich vermittelt werden.

Das ist sehr schwierig. Ich habe mir angeschaut, mit welchen Narrativen das in Österreich vor allem durch Kanzler Sebastian Kurz und die Kanzlerpartei geschieht.

#1 „Team Österreich“

Recht bald wurde das „Team Österreich“ ausgerufen, das parteiübergreifend alle mit einschließen soll. Das ganze Land wird dabei als Sportteam gezeichnet, das nur gewinnen kann, wenn alle auf Ihrer Position das Beste geben. Das Hilfreiche an dieser Metapher ist auch, dass es Zusammenhalt und Teamgeist braucht – wenn EineR sich nicht an die vorgegebene Strategie hält, dann ist das Spiel für alle verloren. Die Team-Metapher ist zudem eine relativ harmlose und eine nicht explizit nationalistische. Die erste Assoziation ist Fußball-Team und da spielen ja auch SpielerInnen verschiedener Nationalitäten zusammen. Das neutrale Team spezifiziert (im Gegensatz zur Mannschaft) auch kein Geschlecht. Eine weitere Assoziation von „Team“ sind Teams im Arbeitsprozess, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten und es zu einem guten Ergebnis bringen wollen. Auch hier wird durchaus an bekannten Vorgängen aus dem Alltag vieler angeknüpft.

Das Team-Narrativ vermittelt also Zusammenhalt, aber auf eine sehr harmlose Art und Weise. Das kann gut und das kann schlecht sein. Gut, weil es Panik verhindert und Spielraum für eigenes Agieren lässt. Schlecht, weil es womöglich der Drastik der Situation nicht gerecht wird. Aus einem Team kann ich aussteigen, ich kann mich auswechseln lassen, ich kann den Arbeitsplatz verlassen. In Sachen Corona schaut es aber viel mehr so aus, dass wir tatsächlich aufeinander auf Gedeih und Verderb angewiesen sind. In den romanischen Ländern ist die Sprache dementsprechend eine andere.

Dort wird unumwunden von „Krieg“ gesprochen. Es ist also kein Spiel mehr, das es durch Teamgeist zu gewinnen gilt, sondern ein Krieg, in dem du nur überleben oder sterben kannst. Das vermittelt ein anderes Gefühl und macht unmittelbar sehr beklommen. Die Drastik, aber eben auch Angst und Panik, sind in diesem Formulierungen viel näher an der Oberfläche. In Österreich und Deutschland sind Kriegs-Metaphern zudem aus gutem Grund viel tabuisierter als etwa in den romanischen Ländern.

Was das schöne Team-Narrativ auch wieder etwas verwässert: die ÖVP tritt schon seit geraumer Zeit als „Team Kurz“ auf. Wenn man hier Kalkül unterstellt, dann würde die Erzählung vom Team Kurz nun zum Team Österreich weiter gesponnen. Und dann wäre plötzlich das ganze Land während einer Krisensituation in der Wahlkampflogik der ÖVP gefangen. Es kann sich dabei aber natürlich auch um einen Zufall handeln.

#2 Türkis

Jede Partei kommuniziert in ihrer Corporate Identity. Das ist auch in Ordnung so. Bei der SPÖ sind die wichtigen Telefonnummern rot hinterlegt und bei den Grünen grün. Die Neos haben ihre pinken Farbtupfer und die FPÖ hat auch bei Corona alle Versatzstücke ihrer üblichen Bildsprache parat.

Interessant ist allerdings, dass bei der Regierung Kurz auch die Kanäle, die jetzt parteiübergreifend und staatstragend agieren müssten (Kanzler, Innenminister) in Partei- und nicht Republiks-Farben agieren. Besonders dreist wird es dann, wenn das beschworene Team Österreich plötzlich nicht rot-weiß-rot, sondern türkis hinterlegt ist. Das wirft zumindest die Frage auf, ob hier wirklich das zuvor gezeichnete parteiübergreifende Team Österreich gemeint ist, oder ob hier schon ein halbes Auge auf Wahlkampf-Logik liegt.

#3 „Liebe Österreicher und Österreicherinnen“

In unsicheren Krisenzeiten ist es sehr einfach mit nationalistischen Ansagen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Alle brauchen etwas, an dem sie sich anhalten können. Für Rechte und Konservative können das Staat, Nation oder Kirche sein, für progressive Kräfte etwa Solidarität. Es ist also interessant zu beobachten, wer sich dezidiert nicht an alle im Land, sondern nur an „Österreicher und Österreicherinnen“ wendet. Klar, das ist die Gruppe, die wählen darf, aber es macht alle anderen unsichtbar. Ein egalitärer Zugang würde auch vermitteln, dass man auch wirklich bereit ist alle Leute, die Hilfe benötigen, zu schützen.

Es geht also in beide Richtungen: Nicht nur österreichische StaatsbürgerInnen sind am aktiven Schutz beteiligt, sondern Menschen mit vielen verschiedenen Staatsbürgerschaften. Das gilt, wenn man sich das Gesundheitspersonal ansieht, aber auch für Handelsangestellte oder spontane Unterstützungsangebote. So wurde die beliebte „Nachbarschafts-Challenge“ (Leute hängen Zetteln im Stiegenhaus und bieten Unterstützung z.B. beim Einkaufen an) von einer in Wien lebenden Slowakin erfunden und von einer in Wien lebenden Deutschen weiter populär gemacht – über Landes- und Staatsbürgerschaftsgrenzen hinweg. So eine spontane und wirkmächtige Organisation von Solidarität vermittelt nämlich auch Sicherheit und zeigt sehr vielen Menschen, dass sie nicht alleine sind und andere Menschen für sie einstehen.

Andererseits würde es vermitteln, dass alle hier im Land Lebenden geschützt werden und eben nicht nur „Österreicher und Österreicherinnen“. Niemand darf in Krisenzeiten (und auch sonst nicht) Angst haben, zurückgelassen zu werden.

Angst ist eine, wenn nicht die, existentiellste Emotion überhaupt. Menschen Angst einzujagen ist deswegen sehr effektiv. Berechtigte und kollektive Angst bedarf dementsprechend einer gleichermaßen behutsamen wie entschlossenen Behandlung. Die Regierung muss zeigen, dass sie bereit ist, dies ohne jedes Kalkül zu tun.

 

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