Die Videokolumne "Moment Mal" von Barbara Blaha zum Thema Pflege. Blaha steht vor einer Ziegelwand, hält ausgesteckte Hand in Richtung Kamera.
/ 19. Juli 2020

Zwei von drei Menschen in Österreich werden irgendwann im Leben einen Angehörigen pflegen müssen: Großeltern, Kinder mit Behinderung oder Partner mit schwerer Krankheit. Das ist eine riesige Belastung mit enormen Auswirkungen auf das Leben. Aber auf so ein großes Problem gibt es doch sicher schon große politische Antworten?

Angehörige pflegen wir - selber. Ja, ganz im Ernst. Fast 1 Million Menschen sind mit der Pflege und Betreuung ihrer Lieben beschäftigt. Die meisten von uns werden irgendwann ein Familienmitglied pflegen. Meistens sind wir da zwischen 46 und 64 Jahre alt, sollten also auch noch voll arbeiten. 4 von zehn pflegebedürftigen Menschen werden derzeit sogar ausschließlich von Angehörigen gepflegt, bei 8 von 10 gepflegten Personen sind Angehörige an der Pflegearbeit beteiligt. Würden wir diese Arbeit bezahlen, müssten wir 3,4 Mrd. Euro locker machen.

Vor allem Frauen springen ein

Wer schultert das? Frauen. An erster Stelle übernehmen die Töchter und Schwiegertöchter den Pflegejob. Und Frauen pflegen mehr Stunden als pflegende Männer. Wenn das Ausmaß der Pflege 20 Stunden pro Woche übersteigt, zieht das psychische und körperliche Folgeschäden nach sich. Wer pflegt, hat zum Beispiel ein höheres Risiko, depressiv zu werden. Und in Zukunft wird sich Pflege sogar noch auf immer weniger Schultern verteilen: Denn die Familien werden immer kleiner. Frauen gehen heute eben auch arbeiten. Dann klappt das nicht mit der unbezahlten Vollzeit-Pflege. Und: Es gibt immer mehr Ein-Personen-Haushalte: dann gibts auch keinen Lebenspartner, der oder die einspringen kann.

Pflegekrise kommt

In Ländern, in denen Pflegetätigkeiten auf mehr Personen verteilt sind, pflegen Angehörige weniger Stunden pro Woche. Es ist übrigens nicht möglich, allen mit großem Pflegebedarf individuelle 24h-Pflege zu organisieren. Das war bisher schon nicht klug, weil es zulasten von Angehörigen und vor allem von Frauen, nämlich der Betreuerinnen aus Osteuropa, ging. Und es wird zunehmend unmöglich. Überall gilt: Wer auf professionelle Hilfe zugreifen kann, hat es schlicht leichter. Und wenn immer weniger Angehörige die Pflege übernehmen können, dann braucht es mehr Profis. Wir müssen in die Pflege investieren, indem wir Pflegeheime bauen, in denen man gern alt wird. Wenn wir qualitativ hochwertige Heime mit Einzelzimmern und gut entlohntem Personal haben, wäre das auch das beste Mittel gegen das mit Heimen verbundene Stigma.

Pflegearbeit ist anstrengend

Wir müssen rasch handeln: Hierzulande fehlen in den kommenden 10 Jahren 76.000 Pflegekräfte, 42.000 allein wegen Pensionierungen. Nachbesetzen wird nicht leicht, denn super Job ist es keiner: Pflegehelferinnen und Pflegehelfer gehen im Monat mit 1.450 Euro nach Hause: Meist wird die Pflege in Teilzeit gearbeitet, weil Vollzeit schafft man den Job kaum. Jeden Tag stemmen Pflegekräfte mehr Gewicht, als sie selbst auf die Waage bringen, zu viele Menschen werden pro Pflegekraft betreut, da zählt jede Sekunde. Jede vierte Profi-Pflegekraft hat arbeitsbezogene gesundheitliche Probleme. Besonders hart sind Nachtschichten in katastrophal unterbesetzten Stationen,

Was es braucht:

  • Investitionen in die Pflege- Infrastruktur: Tageszentren für pflegebedürftige ältere Menschen sollten flächendeckend  und  kostenlos zur Verfügung stehen. 
  • Mobile Dienste müssen für alle, die sie brauchen, da sein – insbesondere für pflegerische Tätigkeiten - und das täglich, soviele Stunden wie es eben gebraucht wird. 
  • Der Pflegeberuf muss endlich anständig gezahlt werden, die Einführung einer 35-Stunden Woche ist dort überfällig.

Links und Quellen

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