Das Playbook gegen Kamala Harris
#1 Zweifel an der Legitimität für das Amt
Harris ist die Tochter zweier Wissenschaftler:innen: einer Mutter aus Indien und eines Vaters aus Jamaica. Also wird Rassismus eine der wichtigsten Komponenten in der Kampagne gegen sie sein.
Dieser kommt aber nicht offen daher, sondern subtiler. Etwa in der Frage, ob sie überhaupt für das Amt der Präsidentin kandidieren darf. Sprich, ob sie in den USA geboren ist oder gar eine andere Staatsbürgerschaft hat. Das wurde genauso bei einem einzigen anderen Kandidaten gemacht: bei Barack Obama. Da wurde die Frage nach der Geburtsurkunde zu einer der wichtigsten Dirty Campaigning-Kniffe.
#2 Sie hat keine Kinder
Selbstverständlich wird die Frage nach Kindern nur bei Frauen gestellt. Harris hat keine leiblichen Kinder, ist aber Stiefmutter für die Kinder ihres Mannes aus einer vorherigen Beziehung. Nichts davon qualifiziert sie mehr oder weniger als Trump, über dessen Vaterqualitäten durchaus Zweifel bestehen.
Das zum Thema zu machen passt gut in die Linie von Trumps-Vize JD Vance, der laut vor kinderlosen Katzenfrauen gewarnt hat. Harris dürfte zum Sinnbild dieser misogynen Anschauung werden.
#3 Ist sie überhaupt eine Frau?
Die extreme Rechte pflegt eine Obsession mit einem sehr eingeschränkten Bild von Weiblichkeit. Transpersonen passen für sie nicht ins Weltbild, weil sie entweder diesem Bild nicht entsprechen oder ihm zu sehr entsprechen und der Unterschied zu Cisfrauen nicht mehr klar ist. (Es gibt kein Gewinnen bei diesem Thema.)
Das führt dazu, dass Frauen ihre Weiblichkeit abgesprochen wird und sie zu Männern oder Transfrauen gemacht werden. Es gibt eine ganze Online-Subkultur, die obsessiv Bilder nach (fiktiven) Markern absucht.
Prominente Opfer dieses Hasses sind Michelle Obama und Brigitte Macron. Da wird nach Penissen und Geburtsurkunden gesucht bzw. diese gefälscht und viral in Umlauf gebracht. Sie werden mit falschen Namen angesprochen und es zeigt sich, dass der Hass auf Transpersonen Hand in Hand mit Misogynie und Hass auf Cisfrauen einher geht.
#4 Sie hat einen weißen Mann geheiratet
Second Gentleman Doug Emhoff könnte schon bald den Rang einnehmen, den vor ihm Michelle Obama oder Jill Biden hatten. Die Ehepartner:innen des Präsidenten bzw. der Präsidentin haben eigentlich keine vordefinierte Rolle. Traditionell sind sie für sanftere, gesellschaftspolitische Themen wichtig (gesundes Essen, Anti-Mobbing, Bewegung für Kinder, …). Hillary Clinton war maßgeblich an der Gesundheitsgesetzgebung beteiligt.
Kinder und Ehepartner:innen sind eigentlich auch ein No-Go bei Attacken. Eigentlich. In ihrem Kulturkampf und Rassenwahn wird der Fakt, dass Harris einen weißen (jüdischen) Mann geheiratet hat, sicher ein Thema. Die damit verbundenen rassistischen und misogynen Implikationen sind Benzin für Online-Kulturkämpfe.
#5 Dating-Historie
Ein Klassiker ist, bei prominenten Frauen zu fragen, wieviel Sex sie in ihrem Leben hatten und ob sie das nicht für alles mögliche qualifiziert. Dazu werden Jugendfotos oder Fotos mit offenherziger Kleidung hervorgekramt. Da werden Ex-Lover gesucht, die ein Urteil über Beziehung oder Sexualleben abgeben können.
All dies ist bei Männern selbstverständlich kein Thema, sonst wäre Trump allein aus diesem Grund der ungeeignetste Kandidat aller Zeiten. Eine Frau in der Öffentlichkeit darf liebende Mutter ohne Ambition, aber bitte mit Qualifikation sein (sonst lebt sie auf Kosten der Steuerzahler:innen und das geht auch nicht). Sie darf ihr Leben (und schon gar nicht das Sex-Leben) nie genossen haben, sonst ist sie unseriös und verdächtig.
Gibt es ein zu weit?
Es ist fad, wie vorhersehbar diese Attacken sind. Und es ist traurig, dass insbesondere Frauen sie erleben müssen. Sie meinen aber nie nur die angegriffene Person, sondern alle Menschen, die auch in der Öffentlichkeit stehen könnten und die aus dieser verdrängt werden sollen.
Es sind übergriffige Attacken, die nichts mit den persönlichen Leistungen und Qualifikationen zu tun haben, sondern diese Wahlkämpfe in riesige Versuchslabarotieren des Kulturkampfs verwandeln sollen. Die Frage ist: Gibt es ein zu weit? Oder überdrehen sie irgendwann. Die Antwort wird sich im November zeigen.