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Die erste trans-idente Kranführerin Österreichs hat ihren Chef direkt gefragt, ob er ein Problem mit ihr hat

Die erste trans-idente Kranführerin Österreichs hat ihren Chef direkt gefragt, ob er ein Problem mit ihr hat
Erika Wieser arbeitet als Kranführerin. Foto: © Nina Strasser
Bauberufe sind männlich dominiert, Frauen sind auch heute auf Baustellen selten anzutreffen. Eine der ersten, die sogar weit über der Baustelle in einem Kranführerhaus gesessen ist, ist Erika Wieser. Sie ist die erste trans-idente Kranfahrerin in Österreich.  

Die Steirerin wusste schon früh, dass irgendetwas an ihr anders war. Aber erst als sie fast 50 Jahre alt war, erkannte sie ihre trans-Identität an. Seit 2015 ist sie auch am Papier eine Frau. Dieser Prozess zu ihren wahren Identität war das Beste, was ihr je passiert war, sagt Wieser heute im Gespräch. Den Kollegen am Bau sagte die Kranführerin damals gleich Bescheid. Das war nicht einfach, aber musste einfach sein. Heute lebt Erika Wieser in Wien, steht kurz vor der Pension und ist Vorsitzende des Vereins trans-Austria.

MOMENT: Erika, du bist transgender, was bedeutet das für dich?

Erika: Ich fang mal von vorne an. Als ich vier Jahre alt war, wusste ich, ich war irgendwie anders. Dabei habe ich mir aber nichts gedacht. Viel später habe ich in meiner Arbeit als Kranführer ein immer größere Problem mit Aggressivität bekommen. Ich war schon so weit, dass ich fast vom Kran runtergeklettert wäre, nur um den Arbeiter unten eine drüberzuziehen. Dann hat meine Bauleiterin mir einmal gesagt: ‘Herr Wieser, machen Sie etwas, so geht das nicht weiter. Sonst sind Sie sehr schnell draußen aus der Firma.’

Ich bin dann zur Psychotherapie gegangen. Bald sagte mir meine Therapeutin, dass es nicht meine berufliche Unbelastbarkeit ist, die das Problem ist. Es gäbe noch etwas Größeres, das dahinterliegt. Dann sagte sie frei raus: ‘Sie sind trans-ident”.

MOMENT: Wusstest du in dem Moment, was das bedeutet?

Erika: Ich wusste, dass es trans-idente Menschen gibt. Aber ich habe es nie auf mich bezogen. Nach einer Nachdenkphase wusste ich, dass ich etwas ändern will. Ich musste etwas ändern. Dabei hat mich die Therapeutin sehr unterstützt. Ich habe mich dann entschieden, eine Hormontherapie zu machen und als Frau zu leben. 2016 wurde ich operiert, ich hatte eine geschlechtsanpassende Operation. Da war ich über 50 Jahre alt. Als Mensch bin ich aber gleich geblieben. Ich habe bis heute keinen einzigen Tag davon bereut. Das war das Beste, was mir passieren konnte. Die Medizin hat korrigiert, was die Natur verpfuscht hat.

MOMENT: Wie wurde deine Entscheidung auf der Baustelle aufgenommen?

Erika: Am Bau habe ich zu den Arbeitern gesagt: Meine Herren, ich hab da was. Ich möchte von jedem auf der Baustelle wissen, was sie ganz ehrlich von trans-identen Personen halten. Die meisten meinten, dass es ist dann ‘dem sein Problem’ sei. Ich habe sie aufgeklärt und gesagt, dass ich genau so eine Person bin.
Und dann bin ich zum Polier und zum Bauleiter gegangen und sie genauso wie die Arbeiter konfrontiert und gefragt, ob er ein Problem mit trans-identen Personen hat. Der Bauleiter meinte, es sei ihm wurscht, was wer wie ist. Die Arbeit müsste gemacht werden und das anständig.

MOMENT: Es ist sehr mutig, dass du auch gleich zum Bauleiter gegangen bist.

Erika: Genau, es ist aber einfach nicht mehr anders gegangen. Der Polier hat gleich wie der Bauleiter reagiert, was mich damals überrascht hat. Und dann gefragt, was sich ändern wird. Ich werde ein bisschen anders gekleidet kommen, habe ich geantwortet. Ok, haben sie gesagt, nur die Arbeitshose haben sie verlangt, dass ich weiter anhabe. Das hat für mich gepasst. Es wussten schlussendlich auch alle Chefs auf der Baustelle Bescheid.

MOMENT: Hast du damals gedacht, dass sie es so meinen wie sie es sagen? Also hast du ihnen geglaubt?

Erika: Es hat mich gewundert, dass alle ähnlich reagiert haben. Immer mit der Argumentation, dass es wichtig sei, dass ich ‘gscheit arbeite’. Bei der Weihnachtsfeier hat der Oberbauleitner am Rednerpult gesagt: “Es gibt Dinge, die man nicht vorhersehen kann, aber die leider vorhanden sind. Wir haben jemanden in unserer Firma, die eine Frau ist, aber als Mann da ist. Die meisten wissen, wen ich meine. Aber bevor wir raten, ich sag es ihnen gleich.” Dann wurde ich beim Namen gerufen. Nachdem die Baustelle zu Ende war, bin ich nicht mehr von dieser Firma angestellt worden. Das war mir dann aber auch wurscht. Ich habe erst hinterher erfahren, dass es ein paar trans-phobe Menschen in der Chefetage gab.

MOMENT: Hattest du auch auf anderen Baustellen mit Diskriminierung zu tun?

Erika: Bei der nächsten Baustelle war ich noch als Mann, bei der nächsten schon als Frau. Ich hatte einen guten Ruf. Da war ich als trans-idente Person sehr anerkannt. Es gab keine Probleme.

MOMENT: Gibt es mittlerweile Frauenklos auf Baustellen? 

Erika: Das kommt darauf an, wie viele Frauen es auf der Baustelle gibt. Für eine können sie das nicht machen, deshalb habe ich Zugang zu den Baustelleneiter-Klos bekommen. Am Kran bin ich sowieso immer oben in der Kabine gegangen.

MOMENT: Gab es damals eigentlich andere Frauen oder trans-Personen am Bau?

Erika: Es gab vier andere Frauen, aber ich war die einzige am Baukran. Ich war die erste Frau in Österreich am Kran, und die erste trans-idente Kranfahrerin. In der letzten Firma, in der ich gearbeitet habe, arbeiten heute vier Frauen als Kranführerinnen. Wie viele trans-idente Personen es heute sind, weiß ich nicht.

MOMENT: Was hat sich verändert?

Erika: trans-idente Personen haben heute insgesamt einen besseren und leichteren Zugang zu Arbeit als noch vor 30 Jahren. Die Einstellung der anderen Menschen hat sich verbessert. Trotzdem sind immer noch einige Baustellen offen.

MOMENT: Was fehlt trans Frauen und trans Männern um wirklich anerkannt zu werden in Österreich?

Erika: Es darf nicht mehr hinter der vorgehaltenen Hand geredet werden. trans-idente Personen müssen als Menschen anerkannt werden. Und die Beschimpfungen und Schimpfwörter müssen aufhören.

Die Biografie von Erika Wieser gibt es hier in unserer Reihe herausragender Österreicherinnen.

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