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Klimakrise
Demokratie
Ungleichheit

Die kleinen Erfolge, die 2019 unsere Welt ein bisschen besser gemacht haben

Zehn gemeinnützige Vereine aus den unterschiedlichsten Bereichen erzählen, was sie in diesem Jahr so richtig zum Jubeln gebracht hat.

Zehn gemeinnützige Vereine aus den unterschiedlichsten Bereichen erzählen, was sie im vergangenen Jahr so richtig zum Jubeln gebracht hat.

An schlechte Nachrichten sind wir gewöhnt: Was noch immer schief läuft in dieser Welt, wem schon wieder nicht geholfen werden konnte, welche neuen Baustellen sich auftun. Zum Glück gibt es Organisationen, die sich – mit unseren Spenden – um all das kümmern. Doch auch sie brauchen Anerkennung. Und es gibt sie sehr wohl, die Erfolgserlebnisse, die dafür sorgen, dass man trotz trister Gesamtsituation gerne weiter macht. Zehn Nichtregierungsorganisationen haben uns berichtet, was heuer ihre großen oder auch kleinen Lichtblicke waren.

 
Das Bild der Diakonie zeigt einen Sportler mit Autismus im Grünen, der auf einer Bank Dehnübungen macht.

Die Diakonie will autistischen Menschen ein normales Leben ermöglichen (Foto: Gerhard Maurer)

Zweiter Asylantrag

„Die Frage ist einfach zu beantworten“, sagt Roberta Rastl-Kircher, PR-Chefin der Diakonie Österreich: „Eines der Highlights dieses Jahres war der Moment, an dem klar war, dass Hossein vorerst bleiben darf.“ Der 20-Jährige absolviert in Schladming eine Lehre als Betriebselektriker und sollte nach Afghanistan abgeschoben werden. „Nun ist er wieder an seinem Arbeitsplatz, der zweite Asylantrag wird geprüft.“ Ein zweites Themenfeld habe der Diakonie ebenfalls große Freude gemacht: „Dadurch, dass Greta Thunberg das Asperger-Syndrom hat, ist es gelungen, das Thema Autismus stärker ins Zentrum zu rücken.“ So wurde nicht nur der Weltautismustag groß gefeiert, sondern auch in Wien konkrete Erfolge mit einem Gymnasium erzielt, in dem auch autistische Kinder die Matura ablegen. „Das ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt Rastl-Kircher.

 
Betreuerin des Neunerhauses mit einem Wohnungslosen bei einem Metallica Konzert

Das Neunerhaus ging mit Wohnungslosen zum Metallica-Konzert (Foto: Neunerhaus)

Der schönste Tag

Dass wenig selbstverständlich ist, ist auch Flora Eder klar. Sie ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Neunerhauses verantwortlich, das obdachlose und armutsgefährdeten Menschen hilft. „Es war toll, dass wir heuer so viel helfen konnten und viele unserer Nutzerinnen und Nutzer bereit waren, dass nach außen hin auch zu erzählen.“ Das Neunerhaus hat zudem in diesem Jahr 20-Jahr-Jubiläum gefeiert. „Und dazu gibt es zwei nette Geschichten“, sagt Eder: „Wir haben dabei einen unserer ersten Nutzer, Helmut, wieder getroffen. Er hat nun eine Gemeindewohnung und ist mittlerweile selbst Spender des Neunerhauses.“ In der zweiten Story geht es um einen anderen Helmut, einen regelmäßigen Nutzer des Neunerhauses. „Die Band Metallica hat uns 25.000 Euro gespendet und außerdem zu einem Konzert eingeladen. Helmut war dabei und hat dieses Erlebnis später als ,den schönsten Tag‘ in seinem Leben bezeichnet“, so Eder: „Bei aller Ambivalenz in unserer täglichen Arbeit mit Wohnungslosigkeit waren das schöne Momente.“

 
Eine Gruppe von Kindern aus dem SOS Kinderdorf bei einer Pyjamaparty mit Büro von Bundespräsident Van der Bellen und seinem Hund.

30 Kinder eines SOS-Kinderdorf feierten eine Pyjamaparty mit dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen (Foto: HBF)

Pyjamaparty in der Hofburg

Tolle Augenblicke gibt es auch anderswo. „2019 war ein ganz besonderes Jahr – ein Highlight jagte förmlich das nächste“, sagt SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser. 70 Jahre lang gibt es die Organisation schon. Da es die Kinderrechtskonvention heuer ebenfalls 30 Jahre gibt, hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Anlass genommen und 30 Kinder aus einem SOS-Kinderdorf zum Übernachten in der Hofburg eingeladen. „Für die 7- bis 14-Jährigen war das ,die coolste Pyjamaparty ever‘, wie sie sagten“, so Moser. Und er ergänzt: „Besonders schön ist mir auch ein anderer Moment in Erinnerung: Im Sommer suchte eine Sozialarbeiterin im Burgenland Platz für drei Geschwister zwischen zwei und 12 Jahren. Sie hatten ihre Mutter bewusstlos aufgefunden und brauchten einen Platz, bis sie wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte.“ Der Organisation war wichtig, dass die Geschwister zusammen bleiben, im SOS-Kinderdorf Pinkafeld haben alle kurzfristig Platz gefunden. Eine Herausforderung: „Drei Kinder, drei Schulen, eine Stunde von Pinkafeld entfernt. Aber alles konnte organisiert werden, um trotz der schwierigen Situation eine Alltagsstruktur bieten zu können. In solchen Momenten bin ich besonders stolz darauf, wie schnell und flexibel wir reagieren können.“

 
Foto von einer Aktion von Global 2000 Kohleausstieg zeigt zwei Aktivisten mit einem Transparent auf dem Raus aus Kohl steht vor einem Kohlekraftwerk stehend. Neben den Aktivisten steht ein übergroßes EVN Logo in Flammen.

Global 2000 hat erreicht, dass es in Österreich kein Kohlekraftwerk mehr gibt (Foto: Global 2000)

Ende der Kohlekraft

Auch Global 2000-Sprecher Martin Aschauer ist „heuer sehr stolz“. So habe man geschafft, dass das letzte Kohlekraftwerk in Österreich abgeschaltet wurde. „Und auch der Reaktor 3 von Mochovce ist dank unserer Bemühungen nicht in Betrieb gegangen.“ Nachsatz: „Das ist schon ein cooler Moment, wenn die Bevölkerung hinter einem steht.“ Außerdem wurden – neben vielem anderen – Giftstoffe in Weihnachtsschmuck und Mikroplastik in Waschmitteln identifiziert und ein Bildungsauftrag an Österreichs Schulen wahrgenommen. „Eigentlich hatten wir einige außergewöhnliche Jahre in den vergangenen Jahren“, so Aschauer.

Beratungsstelle für Sexarbeiter

Wolfgang Wilhelm will seine Organisation hingegen komplett neu aufstellen. Der Obmann der Aids Hilfe Wien sieht 2019 als Haupterfolg die Fertigstellung seines neuen Konzepts für die Zukunft der NGO: „Wir können nicht so weiter tun wie in den 90-igern, wir müssen den Veränderungen der vergangenen Jahre Rechnung tragen.“ Das bedeutet, sich künftig nicht mehr nur auf HIV, sondern auf die „Big Five“ (Syphilis, Tripper, Chlamydien, Hepatitis, Gonorrhö, HIV) zu konzentrieren. „Außerdem wollen wir im Haus nicht mehr nur Tests, sondern auch Behandlungen anbieten“, sagt Wilhelm: „Das bedeutet, dass es hier eine Ordination geben soll.“ Die Aids Hilfe will auch„eine niederschwellige Anlaufstelle“ für männliche Sexarbeiter gründen: „So etwas gibt es in Wien noch gar nicht.“

 
Drei Gewinner des Ute Bock Preises für Asylwerber zeigen stolz ihre Urkunden in die Kamera.

Der Verein Ute Bock holt engagierte Asylwerber vor den Vorhang (Foto: Angelique Wallner)

Ausgezeichnete Asylwerber

Neue Wege beschreitet auch der Verein Ute Bock. Die Organisation unterstützt geflüchtete Menschen in Österreich. Als besonderes Highlight in diesem Jahr beschreibt Sprecherin Ariane Baron den Bock for you-Preis. Mit dieser Auszeichnung werden Asylwerber ausgezeichnet, die sich durch besonderes Engagement ausgezeichnet haben. Neu ist das Bock auf Menschlichkeit-Open Air, dass heuer erstmals unter Mitwirkung vieler Prominenter stattgefunden hat. Doch es sind auch „die viele kleine Dinge, die wir tun“, sagt Baron: „So bieten wir etwa eine Lern- und Nachmittagsbetreuung für Kinder an. Damit ist uns schon mehrfach gelungen, dass Schülerinnen und Schüler von der Sonderschule in die Regelschule wechseln können.“

Bedürfnis nach Sicherheit

Menschlichkeit steht auch für Amnesty International Österreich an erster Stelle. „Das Jahr 2019 hat viele Erfolge für unsere Menschenrechtsarbeit gebraucht – und damit positive Veränderungen im Leben der Menschen“, sagt Geschäftsführerin Annemarie Schlack: „Das sind Dinge, die uns berührt und stolz gemacht haben.“ So wurde die Kampagne „ÖsterGleich“ ins Leben gerufen, die respektvolles Miteinander bewerben soll. Ein weiterer Punkt ist laut Schlack das Kippen des Überwachungspakets durch den Verfassungsgerichtshof: „Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Sicherheit im digitalen Raum und ein Recht auf Privatsphäre. Niemand möchte, dass der private Computer für Behörden und Kriminelle zum offenen Buch wird.“ Es gibt aber auch weltweite Aktionen, die Amnesty International Österreich unterstützt und die Auswirkungen auf Österreich haben: „Fridays for Future haben unglaublich viel in diesem einen Jahr erreicht“, sagt Schlack: „Die Klimakrise ist präsent wie nie und aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken.“ Nachsatz: „Die Klimakrise ist eine der größten menschenrechtlichen Herausforderungen unserer Zeit. Wenn wir Regierungen und Unternehmen zu längst überfälligen Maßnahmen bewegen wollen, müssen wir jetzt zusammenhalten.“

Korruptionsbekämpfung im Lehrplan

Gleiches gilt für die Korruption. Diesem Kampf hat sich Transparency International verschrieben. Der Austrian Chapter der Organisation sei zwar klein, sagt Office Manager Luca Mak, habe aber dieses Jahr doch einiges weiterbringen können. „So gibt es Kooperationen mit Schulen, bei denen wir Schülerinnen und Schülern Korruptionsdelikte erklären.“ Das Ziel ist es, die Korruptionsbekämpfung in den Lehrplan aufzunehmen. Gefreut hat man sich, dass Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bei einem „Get together zu Weihnachten“ teilgenommen hat.

 
Nahaufnahme des WWF zeigt einen fliegenden Seeadler.

Das österreichische Wappentier Seeadler galt bereits als ausgestorben. Der WWF hat es zurückgebracht (Foto: WWF/(C)Justine Pickett, Papiliophotos)

Wappenvogel ist zurück

All diese Bemühungen brauchen vor allem eines: Zeit. Das sagt auch WWF-Sprecher Volker Hollenstein: „Erfolge in Natur- und Umweltschutz erfordern oft einen langen Atem.“ Doch bei einigen Projekten habe sich ausgerechnet 2019 ein Durchbruch oder zumindest eine Trendwende ergeben. So wurde mit den Salzburger Sulzbachtälern ein neues Wildnisgebiet eingerichtet sowie mit der Aktion „Rettet das Wasser“ der Schutz der Flüsse gewährleistet. Weiterhin ein Thema bleibt allerdings die Gletscherverbauung Pitztal-Ötztal: „Doch nun haben sich aber innerhalb weniger Wochen 150.000 Menschen gegen das Projekt ausgesprochen.“ Außerdem, so Hollenstein, werde die Rückkehr der Seeadler unterstützt: „Das österreichische Wappentier galt bereits als ausgestorben. Heuer sind jedoch bereits wieder 70 Seeadler mit 46 Jungen da.“

Neue Lebenssituation

Auch die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser Wien brauchen einen langen Atem. „Viel Schönes erleben wir ja nicht“, sagt Geschäftsführerin Andrea Brem: „Aber mit jeder Frau und jedem Kind, das aus einer furchtbaren Beziehung in eine neue Lebenssituation gehen konnte, haben wir uns wahnsinnig gefreut.“ Zudem sei es heuer geglückt, in Wien ein fünftes Frauenhaus zu eröffnen: „Damit können wir sicher stellen, dass auch weiterhin jede Frau, die einen Platz braucht, auch einen bekommt.“ Nun sei die Platzsituation etwas entspannter. Eine weitere „wahnsinnige Freude“, so Brem, habe sie mit der Zusammenarbeit mit anderen Netzwerken und Institutionen: „Dazu zählt auch immer öfter die Polizei.“ Außerdem, dass immer öfter Anerkennung für die Frauenhäuser auch in Form von Spenden herein komme. 

Der letzte Punkt gilt sicherlich für alle Nichtregierungsorganisationen. Und auch, dass große wie kleine Erfolge die Feiern zum Jahresabschluss erst so richtig schön machen. Und neuen Mut für das kommende Jahr machen.

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