Die Vermessung der letzten ORF-Wahlduelle: Angriffigkeit und gruselige Sager
Welche Themen kamen in den ORF-Wahlduellen zur Nationalratswahl 2019 vor? Und wer sprach wie viel darüber?
FPÖ – Neos
Redezeit Norbert Hofer: 5,7 Minuten Redezeit Beate Meinl-Reisinger: 7,8 Minuten
Im ersten Teil des Duells wurde eine prinzipielle inhaltliche Nähe von NEOS und FPÖ in wirtschafts- und budgetpolitischen Fragen deutlich. Das passte auch dazu, dass die beiden Parteien gemeinsam mit der ÖVP im Nationalrat beschlossen hatten, eine gern als „Schuldenbremse“ verkaufte Investitionsbremse in die österreichische Verfassung zu schreiben. Angesichts dessen entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, dass gerade Meinl-Reisinger vehement „Spielraum für Zukunftsinvestitionen“ einforderte.
SPÖ – Jetzt
Redezeit Jörg Leichtfried: 8,4 Minuten Redezeit Peter Pilz: 7,4 Minuten
Zu Beginn des Wahlkampfs stand kurz die Frage im Raum, ob es nicht doch noch zu einer Wiedervereinigung der Liste Pilz mit den Grünen kommen könnte. Nach dem Duell zwischen Peter Pilz und Jörg Leichtfried, der an Stelle von Pamela Rendi-Wagner für die SPÖ diskutierte, drängt sich die Frage auf, ob nicht eine Vereinigung von Pilz mit SPÖ die viel näherliegende Option gewesen wäre: so harmonisch und freundschaftlich war der Umgang miteinander, so ähnlich der inhaltliche Fokus auf soziale Themen.
Neos – ÖVP
Redezeit Beate Meinl-Reisinger: 8,6 Minuten Redezeit Sebastian Kurz: 7 Minuten
Die Strategie von Sebastian Kurz ist aus dem letzten Wahlkampf nur zu gut bekannt, an diesem Abend verfolgte der Ex-Kanzler sie mit besonderem Nachdruck: egal welches Thema, ich spreche über Migration und Islam. Nach fast zehn Minuten zum Thema Lehre für jugendliche Asylwerber, betonte Kurz dementsprechend auch beim Thema Bildung: „Das wichtigste ist mir die Deutschklasse.“ Dass der von Kurz vertretene Ansatz schulischer Ghettoisierung dem Erlernen der Sprache eher abträglich und deshalb von BildungsexpertInnen klar abgelehnt wird? Meinl-Reisinger wies vergeblich darauf hin.
Grüne – FPÖ
Redezeit Werner Kogler: 7,7 Minuten Redezeit Norbert Hofer: 7,1 Minuten
Das skurrilste Duell des Abends. Den Großteil der Zeit ging es ausschließlich um das Thema Landesverteidigung. Unter anderem Thema: fehlende Hacker für Österreichs „Cyber-Abwehr“, die laut Hofer oft wegen fehlender Matura nicht ins Beamtenschema passen. Kogler blieb nur – ganz entsprechend Kreiskys Motto vom Budget als in Zahlen gegossener Politik – seine Prioritäten in Finanzierungsfragen zu betonen: statt der von Hofer geforderten Verdoppelung des Militärbudgets wünsche er sich eine Verdoppelung der Investitionen in Klimaschutz und Kinderbetreuung.
ÖVP – SPÖ
Redezeit Sebastian Kurz: 7,6 Minuten Redezeit Pamela Rendi-Wagner: 8,3 Minuten
Ihr Eröffnungsstatement benutzte Pamela Rendi-Wagner zu einem frontalen Angriff auf die charakterlichen Qualitäten von Sebastian Kurz. Er habe ein freundliches Gesicht, „wenn die Kamera an ist“, informiere aber über vertrauliche Gespräche unmittelbar im Anschluss die Presse. In dieser Heftigkeit dürfte Sebastian Kurz nicht damit gerechnet haben, er hatte sichtlich Mühe dem etwas entgegenzusetzen. Danach aber knüpfte Kurz nahtlos an seine aus dem Duell mit Meinl-Reisinger wohlbekannte Strategie an und versuchte unabhängig vom Thema über Migration zu sprechen. Gruseligster Satz beim Thema Koaltionsbedingung: Kurz betonte seinen Einsatz für „das Aufrechterhalten der österreichischen kulturellen Identität“. Martin Sellner, der Chef der rechtsradikalen Identitären, hätte es vermutlich nicht anders formuliert.