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Klimakrise
Fortschritt

Diese Zehnjährige ist auf einem Feldzug gegen Plastikspielzeug

Kinderzeitschriften locken häufig mit kurzlebigem Plastikspielzeug zum Kauf. Ein zehnjähriges Mädchen aus Wales hat die Schnauze voll davon. Ihr Protest brachte nun einen Supermarkt-Riesen zum Einlenken.

Was ein Mensch alleine schon bewirken kann?

Die zehnjährige Skye Neville aus Wales hat der Welt soeben gezeigt, dass man in nur einem halben Jahr zum Beispiel eine Supermarktkette dazu bewegen kann, einen Schritt im Kampf gegen Plastikmüll zu setzen. Mitte Juni wird der englische Supermarkt-Riese Waitrose keine Zeitschriften mehr zum Verkauf anbieten, die mit Plastik-Geschenken versehen sind. 

Es ist ein Thema, das nicht nur Großbritannien betrifft. Ein Blick in die Zeitungsabteilungen der österreichischen Supermarktketten zeigt kaum eine Kinderzeitschrift, die nicht mit einem Geschenk versehen ist: Plastikmäuse, ein Rettungsalarm-Licht, ein pinker Spielzeug-Föhn.

Nutzloses Plastikspielzeug: „Wer braucht das?“ 

Für Skye ist das unverständlich. In ihrem Zimmer im walisischen Küstenort Fairbourne hält sie beim Gespräch eine labbrige, erdfarbene Gummizunge in die Laptop-Kamera. „Wer braucht das?“, fragt sie. „Was mache ich überhaupt damit? Und dann gehen die Dinge ja auch meist gleich kaputt. Das ist ja nur Müll.“

Es war die Zunge, die im November alles auslöste. Sie klebte an der neuesten Ausgabe von Horrible Histories, eines von vielen Magazinen, die Skye abonniert hat. „Ich liebe Zeitschriften.“ Nur die Plastiksachen, die daran kleben, die liebt sie nicht.

Seit Greenpeace für eine Reportage über den Klimawandel vor drei Jahren in den 850-Seelen-Ort Fairbourne im Norden von Wales gekommen war, lässt Skye das Thema nicht los. Sie informiert sich, verfolgt Greta Thunbergs Aktionen und wenn sie und ihre Eltern an den Strand gehen, haben sie es sich angewöhnt, achtlos weggeworfenen Müll aufzuklauben. 

 
Plastik in den Weltmeeren: Die zehnjährige Skye Neville in Wales beim Aufsammeln von Müll am Strand

Skye Neville beim Aufsammeln vom Müll am Strand. Die Verschmutzung der Meere mit Plastik macht ihr Sorgen.

Foto: Skye Neville/Privat

Zur Tat schreiten gegen Plastikspielzeug

“Jetzt reicht’s“, erklärte Skye ihrem Vater damals in der Mittagspause im November und als er nach der Arbeit abends nach Hause kam, hatte sie den Brief verfasst. Ein Schreiben an den Verlag, in dem sie ihre Kritik an dem kurzlebigen Spielzeug-Geschenken zum Ausdruck brachte.

Doch die Antwort fiel lapidar aus: Man arbeite hart daran, das Magazin umweltfreundlich zu gestalten, außerdem werde das Spielzeug öfters verwendet. Enttäuscht entschloss sich Skye für den nächsten Schritt: eine Petition zu starten und Verlage auf diesem Weg dazu aufzurufen, Plastikspielzeug von Magazinen zu verbannen.

Eine Frage der Zeit

Rasch wurden lokale Zeitungen auf die Aktion aufmerksam, Lokalpolitikerin Liz Saville Roberts brachte einen Antrag im Parlament ein, die walisische Regierung lobte sie, mehr als 60.000 Menschen haben die Petition mittlerweile unterschrieben. Skye konnte es kaum fassen.

Am Ende war es dann auch ein bisschen Glück. Nach einem Radiointerview im März meldete sich ein Manager von Waitrose, der den Beitrag zufällig gehört hatte. Das sei ihm davor tatsächlich nicht aufgefallen, meinte er zu Skye, aber sie habe recht: Da sei ja total viel Plastik.
Waitrose hat den Verlagen daraufhin acht Wochen Zeit gegeben, das Plastikspielzeug zu entfernen. 

„Das hat mich sehr glücklich gemacht“, sagt Skye. „Aber dann habe ich auch gedacht, wieso passiert das erst jetzt, wegen mir, einer Zehnjährigen? Warum wurde das nicht längst geändert?“

 
Plastikspielzeug und der Kampagnenaufruf von Skye Neville gegen die Beilage in Magazinen

Von diesem Plastikspielzeug hat Skye die Nase voll. Sie kampagnisiert dagegen.

Foto: Skye Neville/Privat

Supermärkte in Österreich ändern nichts an Plastikspielzeug im Handel

Könnte sich in österreichischen Supermärkten nun vielleicht auch etwas ändern?

Nein lautet die Antwort vom deutschen Verlag Ocean Blue, der mehr als 40 Kinder- und Jugendzeitschriften im deutschsprachigen Raum vertreibt: “Das ist seit mehr als 40 Jahren eine etablierte Produktformel, das bedient kindliche Anforderungen an das Greifen und Erlernen des Lebens. Das gehört dazu.”

Nein, lautet auch die Antwort von Rewe und Spar. „Es gibt bei uns Überraschungseier und Ähnliches, weil diese Produkte stark nachgefragt sind“, schreibt eine Unternehmenssprecherin von Spar. Nachtrag: Es kann sich jeder und jede selbst entscheiden, ob er oder sie wirklich so ein Magazin haben will.

Der Markt löst nichts

Bei diesem Satz schüttelt Ulrike Felt, Leiterin des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung an der Universität Wien, den Kopf: „So leicht ist es nicht. Wir schieben so vieles gerne auf den freien Konsumenten, die freie Konsumentin. Aber wir sind ständig beeinflusst, von Werbung, der Umgebung, Aktionen.“ Nicht immer sei der Markt das beste Regulativ.

“Wir dürfen nicht vergessen”, ergänzt Felt, “Plastik hat unsere Lebenswelt nachhaltig verändert.“ Dass wir Essen mitnehmen, dass wir überall Kaffee trinken können, das sei erst möglich, seit es Plastik gibt. „Es geht also um eine grundlegende Umstrukturierung des Konsumverhaltens.“ Und dafür braucht es neben dem Engagement jedes und jeder Einzelnen: „Politische Maßnahmen.”

Politik am Zug beim Kampf gegen Plastik

Genauso sieht das Lisa Panhuber, Konsum-Expertin der Organisation Greenpeace. „Oft haben die Konsumentinnen und Konsumenten bereits ein höheres Bewusstsein, aber der Handel hinkt hinterher.“ Es braucht Regeln, Gesetze, Vorgaben.

Die Politik ist nicht tatenlos: Erst vergangene Woche hat Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) etwa eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetz präsentiert. Dabei wurden verschiedene Maßnahmen, etwa ein Mehrweg-Angebot bei Getränken im Lebensmitteleinzelhandel oder ein Verbot für bestimmte Einweg-Plastikprodukte vorgestellt. Aber: „Abgesehen von der verbindlichen Mehrwegquote war der Entwurf enttäuschend“, sagt Panhuber. “Es wird viel angekündigt, aber wenig umgesetzt.”

Eine LKW-Ladung Plastik landet pro Minute im Meer

Ein Thema, bei dem das noch einmal dramatischer ist: Müllexport. “Der Handel mit Plastikmüll ist ein dreckiges Geschäft”, sagt Panhuber. Vergangenes Jahr wurden 700 Tonnen gemischter, nicht recycelter Plastikmüll von Elektroaltgeräten aus Österreich nach Malaysia geschickt. 
“Hier braucht es mehr Kontrollen”, sagt Panhuber. Oft wird der Müll im Ausland nicht richtig entsorgt. Und so landet mittlerweile in jeder einzelnen Minute eine weitere Lkw-Ladung Plastik im Meer.

An der walisischen Meeresküste ist Skye Neville deshalb weiterhin aktiv. Ihr Ziel ist es, Magazine mit Plastikspielzeug-Geschenken aus allen Supermärkten des Landes zu verbannen. Dafür schreibt sie derzeit mit der Organisation “Common Sesa” alle Schulen in Wales an.

“Je mehr Menschen sich engagieren”, hofft sie, “desto mehr kann man hoffentlich bewegen.”

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