Digitalsteuer vorerst gescheitert: Amazon, Google und Co sparen sich weiterhin 85 Milliarden Euro jährlich
#1 Wie funktioniert die Digitalsteuer?
Internet-Firmen wie Google, Amazon, Apple und Co machen zwar irre Gewinne weltweit, bezahlen in vielen Ländern aber kaum oder keine Steuern. Der Grund dafür liegt darin, dass grundsätzlich nur dort Steuern bezahlt werden, wo sich der Firmensitz befindet – und dieser kann sich in einem Steuersumpf befinden. Durch die Digitalsteuer soll das geändert werden: Firmen sollen auch dort Steuern zahlen, wo der Umsatz gemacht wird. Zudem soll ein globaler Mindeststeuersatz vereinbart werden, um zu vermeiden, dass Unternehmen Gewinne weiter in Steuersümpfe verschieben.
#2 Digitalsteuer muss von 137 Staaten abgesegnet werden
Ein weltweites Gesetz muss von vielen Staaten gemeinsam beschlossen werden. Die Vorlage für die Gesetzesänderung haben die Steuerexperten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, entwickelt. Diese internationale Organisation sammelt weltweit Daten, erstellt Ländervergleiche und will die wirtschaftliche Zusammenarbeit, vor allem zwischen den Industrienationen verbessern. Der Entwurf dieser Experten hätte diese Woche den Finanzministern der 20 größten Nationen beim sogenannten G20-Gipfel in Riad vorgelegt werden sollen. Doch dazu hätte die OECD die Absegnung von 137 Ländern benötigt. Offiziell sind die Pläne zur Digitalsteuer aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten und der Corona-Pandemie vorerst gescheitert. Tatsächlich hat sie vor allem US-Präsident Donald Trump verhindert. Denn die USA kritisiert, dass viele Entwürfe des Digitalsteuergesetzes bislang nur für große Unternehmen greift, also die US-Riesen, während viele kleine europäische Firmen nicht zahlen müssen. Und das sei schließlich ein unfairer Wettbewerb.
Im Rückblick erscheint es nunmehr auch viel verständlicher, warum Deutschland sich so dezidiert gegen die Einführung einer Digitalsteuer auf EU-Ebene ausgesprochen hat. Im Hinblick auf die deutschen Autoexporte in die USA wäre eine verdeckte Diskriminierung von Google, Facebook und Co ein gefährliches Spiel mit dem Feuer gewesen.
Nun hofft die OECD, dass die Digitalsteuer Mitte nächsten Jahres beschlossen werden kann. Das ist Schade – denn die Milliarden aus der Digitalsteuer würden auch für den Kampf gegen die Corona-Krise benötigt werden.
#3 Droht jetzt ein Handelskrieg?
Da es zu keiner gemeinsamen Einigung gekommen ist, drohen jetzt einige Länder mit einem Alleingang. Frankreich hat bereits 2019 eine eigene nationale Steuer eingeführt, dann aber wieder einen Rückzieher gemacht. Offiziell heißt es, dass derzeit nur fällige Vorauszahlungen gestundet werden dürfen. Trump droht den Franzosen jedenfalls mit Strafzöllen, falls sie wirklich Ernst machen.
OECD-Generalsekretär Angel Gurria warnt vor “Handelskriegen”. Sie seien immer schlecht. Bei solchen Auseinandersetzungen wird am Ende die Wirtschaft auf beiden Seiten der streitenden Staaten geschwächt. Derzeit benötigen die Staaten viel Geld, um die Wirtschaft wieder aufzubauen.
#4 Ist die Digitalsteuer erst der Anfang?
Wenn es nach der globalisierungskritischen Organisation Attac geht, so greifen die Reformpläne der OECD zu wenig. Denn großen Konzernen würden noch viel zu viele Steuerschlupflöcher bleiben. Attac rechnet, dass große Firmen rund 500 Milliarden an der Finanz vorbei schummeln. Der NGO sind die von der OECD erhofften 85 Milliarden viel zu wenig.
Attac empfindet den aktuellen Vorschlag als kompliziert. Viel einfacher und effizienter sei die Idee einer Gesamtkonzernsteuer: So soll der globale Gesamtgewinn eines Konzerns auf die Staaten aufgeteilt und besteuert werden. Ein solches Modell fordern unter anderem auch Star-Ökonomen wie Thomas Piketty.