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Klimakrise

„efuel-Alliance“: Warum uns die Industrie Wasserstoff schmackhaft machen will

E-Fuels sollen in der Klimakrise ein Weiter-so ermöglichen. Dafür setzt sich beispielsweise die “eFuel Alliance” ein, die eng mit ÖVP, OMV und der Wirtschaftskammer verstrickt ist und “Technologieoffenheit” fordert. Wo etwas verbrannt wird, geht aber viel Energie verloren – das lehrt uns die Physik.

Die “eFuel Alliance” ist eine europäische Interessengemeinschaft, in der Dutzende Unternehmen für E-Fuels lobbyieren. Darunter: mehrere Ölkonzerne, Porsche, Siemens, der deutsche Automobilclub ADAC. Einen Ableger gibt es auch in Österreich, und er ist einflussreich: 113 Unternehmen sind Mitglied der ”eFuel Alliance Österreich”, beispielsweise die OMV, ÖAMTC, Wiener Linien und der Flughafen Schwechat.

Sie fordern von der Politik Steuervorteile für E-Fuels, Investitionsabsicherungen, Mengenzusagen – und “Technologieoffenheit”. Ein Begriff, mit dem die Wirtschaftskammer auf Plakaten wirbt und den Bundeskanzler Karl Nehammer wiederholt verwendet, wenn er sich gegen Denkverbote und für E-Fuels ausspricht. Zuletzt etwa auf dem von ihm initiierten Autogipfel, zu dem er viele Autoteile-Zulieferer und die OMV einlud.

 

Doch die eFuel Alliance ist nicht nur mit der Wirtschaft verstrickt, sondern auch mit der österreichischen Politik. Bevor wir darauf eingehen, müssen wir klären, warum wir mit E-Fuels bei Autos, Lastwägen und Heizungen unnötig Energie verschwenden würden.

E-Fuels für Pkw und Lkw: Zu teuer, zu schmutzig, zu ineffizient

E-Fuels werden mithilfe von Strom aus Wasserstoff und CO2 hergestellt. Das macht sie in etwa so klimafreundlich, wie es der verwendete Strommix ist. Mit ihnen sollen Verbrennungsmotoren weiter genutzt werden. In der energieintensiven Industrie, bei Frachtschiffen und Flugzeugen, haben solche Lösungen aus Wasserstoff durchaus Potenzial. Die EU verpflichtet beispielsweise Fluglinien dazu, ab 2025 einige Prozent E-Fuel in Kerosin beizumischen. Neue Technologien alleine werden die Klima- und Umweltprobleme allerdings nicht lösen, wie wir in einem weiteren Artikel dieser Serie zeigen.

Ab 2035 verbietet die EU außerdem Neuzulassungen für Verbrenner-Pkw. Auf Druck von Deutschland und später Österreich wurde allerdings eine Ausnahme durchgesetzt: Verbrenner, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden, sollen auch nach 2035 noch zugelassen werden. “Den Verbrennungsmotor ad acta zu legen, wäre ein Fehler”, erklärt Bundeskanzler Nehammer die Entscheidung.

Physik vs. E-Fuels

Ein Diskussionspapier des Fraunhofer-Instituts zeigt aber, dass E-Fuels bei Pkw und Lkw für den großflächigen Einsatz “nicht sinnvoll” sind. Sie verbrauchen viel Strom in der Herstellung, sind teuer, stoßen giftiges Kohlenmonoxid und Feinstaub aus, die Umwandlungsverluste sind enorm. E-Autos sind bis zu fünfmal effizienter und damit die wesentlich bessere Alternative dort, wo Radwege und öffentlicher Verkehr an ihre Grenzen stoßen.

Das lässt sich mithilfe der Physik erklären, genauer mit Thermodynamik: Wenn etwas verbrannt wird, geht immer ein Teil davon als Wärmeabfall verloren. Ein Verbrenner-Fahrzeug hat einen Wirkungsgrad von 20 Prozent. Bis zu 80 Prozent des Sprits verpuffen als heiße Luft. Man könnte damit einen Fisch im Motorraum grillen, schreibt der Journalist Christian Stöcker. Die Energie zurückholen geht allerdings nicht. Sie ist im Chaos verloren.
 

Gasheizungen sind Wärmepumpen unterlegen

Dasselbe Problem hat Wasserstoff auch, wenn er für Gasheizungen verwendet wird. Diese verlieren Wärme und heizen auch den Heizungskeller auf rund 45 Grad auf. Energie, die niemandem nützt. Wärmepumpen verschwenden deutlich weniger Energie und sind längst etabliert. Seit 1938 wird das Rathaus in Zürich mit einer Wärmepumpe beheizt. In Skandinavien ist sie in 40 bis 60 Prozent der Haushalte installiert.

Wärmepumpen funktionieren auch bei Kälte sehr gut. Wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt. Sie heizen mithilfe der Thermodynamik: Warme Umgebungsluft strömt in die Wärmepumpe und so entstehen aus zehn Kilowattstunden elektrischer Energie bis zu 45 Kilowattstunden Wärmeenergie. Gasthermen schaffen damit nur sieben Kilowattstunden.

Es liegt an der Politik, den Umstieg auf Wärmepumpen und weg von Verbrennermotoren sozial gerecht zu gestalten. Besonders herausfordernd ist der Heizungstausch in Mietwohnungen. Derzeit sind in Wien Gebäudeeigentümer:innen oder die Hausverwaltung für den Heizungstausch verantwortlich. Die Bundesregierung möchte mit der Aktion “raus aus Öl und Gas” den Umstieg für Privathaushalte und Betriebe fördern. Wer das machen will, muss aber trotzdem rund 20.000 Euro selbst zahlen. Außerdem muss das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz auf Wunsch der ÖVP neu verhandelt werden. Das Gesetz soll Heizungen bis 2040 klimafreundlich machen und den Umstieg erleichtern.

efuel-Alliance: Lobbyismus und enge politische Verflechtungen

Solange nichts weitergeht, spielt das der Öl- und Gasindustrie in die Hände. Sie profitiert vom Status quo und hat kriegsbedingt und durch höhere Gewinnaufschläge Übergewinne erzielt. “Der Gasboiler ist unser Lebensunterhalt, wenn er verboten wird, haben wir ein echtes Problem”, erklärt etwa ein Gaslobbyist auf einem Kongress in Barcelona.

In Österreich setzt sich das Kompetenzzentrum “Energie.Wärme.Österreich” (EWO) für einen Fortbestand von Ölheizungen ein. Dies soll unter anderem durch E-Fuels möglich werden. In einem Positionspapier fordert die EWO “Technologieoffenheit” und keine Verbote, dafür aber Investitionsförderungen. Sie teilt sich eine Adresse mit der eFuel Alliance Österreich, die sie 2020 selbst ins Leben gerufen hat. Zwei Drittel der EWO sind im Besitz der Wirtschaftskammer (WKO). Die OMV ist einer der größten Geldgeber der EWO. Mitglied der EWO sind wiederum – wenig überraschend – OMV und WKO.
 

EWO, OMV und WKO

Vorstandsvorsitzender von EWO und eFuel Alliance ist Jürgen Roth. Er war früher Vizepräsident der WKO. Mehrere hochrangige Funktionäre der eFuel Alliance sind auch in der Wirtschaftskammer tätig: etwa Geschäftsführer Stefan Schwarzer (früher Abteilungsleiter Umwelt- und Energiepolitik der WKO) oder Kassier Jürgen Rathmann (Bundesgeschäftsführer des Fachverbands Energiehandel der WKO) sowie einige Mitglieder des Fachbeirats.

Es ist ein Netzwerk für eine fossile Zukunft entgegen dem, was uns Physik und Klimaforschung lehren. Und mittendrin: die ÖVP. Viele Funktionär:innen der Wirtschaftskammer kommen direkt aus der ÖVP oder stehen ihr nahe. Deshalb ist es vermutlich kein Zufall, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) dieselben Worte verwendet, wie sie auf einem Plakat der Wirtschaftskammer und in den Forderungen der eFuel Alliance und der EWO stehen: für “Technologieoffenheit”, gegen Verbote – und augenscheinlich auch gegen die Physik.

In unserer Reihe “Die Klima-Verkleber” entkräftet Lukas Bayer die beliebtesten Ausreden, mit denen Klimaschutz verzögert wird.

 

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