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Arbeitswelt
Ungleichheit

Ein arbeitsloser Saisonarbeiter erzählt: “Ich stehe vor der Obdachlosigkeit”

Patrick hat als Saisonarbeiter in einem Nobelhotel in Tirol gearbeitet. Mit der Corona-Krise wurden er und seine KollegInnen sofort gekündigt, sie mussten außerdem auf der Stelle ihre Quartiere im Hotel räumen. Patrick wurde fast obdachlos. Nun droht auch der Verlust seiner aktuellen Unterkunft - denn das Arbeitslosengeld reicht einfach nicht.

Drei Tage. Das war die Frist, die sie uns gegeben haben, um unsere Unterkünfte zu räumen. Das war im März, zu Beginn der Corona-Krise. Es war klar, dass die Saison gelaufen ist und das Hotelmanagement hatte Angst, dass das Tal unter Quarantäne gestellt wird – was ja dann schließlich auch passiert ist. Sie haben uns klargemacht, dass sie uns schnell loswerden wollen, damit sie uns nicht noch wochenlang verköstigen müssen. Plötzlich waren wir eine Last. Da gab es nichts zu diskutieren, ihnen war es völlig egal, ob wir schnell irgendwo anders unterkommen können.

Viele Saisonarbeiter wurden praktisch obdachlos

Die meisten meiner KollegInnen waren sehr jung und kamen aus Osteuropa. Sie sind bestimmt zu ihren Familien nach Hause zurückgekehrt. Ich habe keinen Hauptwohnsitz mehr in Deutschland und hätte natürlich notdürftig zu meinen Eltern ziehen können, wollte aber Österreich nicht verlassen. Ich dachte, dass ich bestimmt hier schneller wieder einen Job finde und das Einreisen bei einer – damals ebenfalls schon absehbaren – Grenzschließung kompliziert werden könnte.

Die Herbergssuche war schwierig. Sämtliche Gaststätten in Tirol waren bereits geschlossen oder restlos ausgebucht. Nachdem ich ausziehen musste, konnte ich eine Nacht in der Nähe von Innsbruck bleiben. Danach fand ich mit viel Glück und gutem Zureden eine Unterkunft in Niederösterreich. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Bleibe gefunden habe, ich durfte hier sogar mit meiner Hündin einziehen. Doch nun stehe ich vor einem weiteren Problem.

Arbeitslosengeld reicht nicht aus

Mein Nettoeinkommen betrug bis März 2020 rund 1.850 Euro ohne Trinkgeld, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ich habe übrigens im Durchschnitt sechs Tage pro Woche gearbeitet und bin auf rund sechzig Wochenstunden gekommen. In so einer Saison ist es auch normal, dass dreißig Tage am Stück durchgearbeitet wird. 

Mein Arbeitslosengeld beträgt 33,08 Euro pro Tag. Die Unterkunft inklusive Frühstück kostet jedoch 37 Euro täglich. Ich habe zwar etwas Erspartes, dass ich jedoch so langsam aber sicher aufbrauche. Ich würde gerne eine günstige Mietwohnung beziehen, doch als Arbeitsloser ist die Suche einfach aussichtslos.

Man wird im Unwissen gelassen

Zum Glück habe ich einen Quartierkostenzuschuss von 200 Euro vom Roten Kreuz bekommen. 

Das war es dann aber auch schon mit Zuschüssen und finanziellen Unterstützungen. Leider hat mir niemand gesagt, dass ich mich auch als EU-Bürger um einen Aufenthaltstitel kümmern hätte müssen. Mit diesem könnte ich einen Wohnkostenzuschuss oder ähnliches bekommen. Niemand von meinen KollegInnen wusste das. Und deshalb fallen hier viele Menschen um Unterstützung, die ihnen eigentlich zustände, weil sie ja davor brav Steuern und Abgaben bezahlt haben.

Wenn ich schon als jemand mit deutscher Muttersprache solche Probleme mit der Bürokratie habe, wie soll jemand aus Osteuropa hier durchblicken?

Mühsame Arbeitssuche in Corona-Zeiten

Ich bin eine Fachkraft und habe als Barchef und Weinsommelier gearbeitet. Ich mache mir keine Sorgen, dass ich bald wieder etwas finde. Außerdem habe ich ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und sogar als Unternehmensberater und Softwareingenieur gearbeitet. Aus gesundheitlichen Gründen bin ich wieder in die Gastronomie gegangen, weil das stundenlange Sitzen nicht gut für mich war. Mein Traum ist es, einmal eine eigene Bar zu haben und nebenbei auch meine Software weiterentwickeln zu können.

Ich schreibe täglich unzählige Bewerbungen, habe mich auch als Erntehelfer und Regalschlichter für Supermärkte beworben. Nun habe ich Bewerbungsgespräche und hoffe, bald wieder in der Gastronomie arbeiten zu können.

Meine AMS-Beraterin ist leider gar nicht hilfreich. Sie hat mir zwei Jobangebote zukommen lassen, die beide jedoch sofort anderweitig besetzt waren. Ich fühle mich schon im Stich gelassen, schließlich beweise ich, dass ich motiviert bin und verschicke täglich unzählige Bewerbungen.

Wünsche mir mehr Unterstützung in Corona-Zeiten

Es geht mir nicht nur um mich, sondern um all jene, die völlig unverschuldet und plötzlich ihren Job und sogar das Dach über ihren Kopf verloren haben. Es müsste vor allem in diesen Corona-Zeiten schnelle und unbürokratische Hilfe geben. Viele brauchen Beratung und eine Anlaufstelle um an hilfreiche Informationen zu kommen, auf welche Hilfsleistungen sie Anspruch haben und wie sie diese bekommen.

Das, was Menschen wie ich derzeit bekommen, reicht einfach nicht aus. Und viele werden wohl lange keinen Job bekommen. Sollen sie auf der Straße landen?

 

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