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Arbeitswelt

Eine Kindergartenpädagogin erzählt: “War oft alleine mit 25 Kindern”

Eine Kindergartenpädagogin erzählt, warum sie nach 23 Jahren ihren Job hingeschmissen hat. Viele junge KollegInnen sind gar nicht erst so lange geblieben wie sie. Warum sich die Arbeitsbedingungen, das Gehalt und das Ansehen der ElementarpädagogInnen dringend ändern muss.

Vor einem Jahr habe ich meinen Job als Kindergartenpädagogin aufgegeben – nach 23 Jahren. Die Lautstärke in einem Kindergarten ist ohrenbetäubend. Man gewöhnt sich irgendwann daran. Aber der permanente Stress wurde mir irgendwann zu viel. Ich habe in Gemeindekindergärten der Stadt Wien und auch für einen privaten Verein gearbeitet.

Viele KindergartenpädagogInnen schmeißen hin

Ich arbeite nun unter anderem als Legasthenie-Trainerin. Die Arbeit mit Kindern macht mir nach wie vor Spaß – aber nun mache ich das eben nur noch in Einzelsitzungen. Viele jüngere KindergartenpädagogInnen bleiben gar nicht erst so lange im Beruf wie ich. Oft habe ich erlebt, dass sie nach ein paar Jahren im Job wieder studieren gehen und dann etwas ganz anderes machen.

Als Kindergartenpädagogin konnte ich Aufsichtspflicht oft nicht erfüllen

In Wien hat eine KindergartenpädagogInnen oder ein Kindergartenpädagoge die Verantwortung für eine Gruppe von bis zu 25 Kindern. In der Regel wird die Höchstzahl ausgeschöpft. Zusätzlich erhält man die Hilfe von einer Assistentin oder einem Assistenten. Diese sind aber meist nur halbtags da, sie müssen aber auch Putzen. Dafür müsste es eigenes Reinigungspersonal geben.

In der Praxis führt das dann oft dazu, dass du vollkommen alleine in der Gruppe stehst und die Assistentin oder der Assistent nicht da ist, wenn du sie oder ihn dringend brauchst. Zum Beispiel kann es immer passieren, dass sich ein Kind in die Hose macht. Ich muss dann alleine mit dem Kind in die Garderobe gehen, bei der Reinigung und dem Umziehen helfen. Die restliche Gruppe muss ich dann alleine lassen. Nachträglich betrachtet war es ein Glück, dass nie etwas Schlimmes passiert ist. 

Ausflüge waren der pure Horror 

Völlig gerädert war ich jeweils nach Ausflügen. Nach solchen Tagen bin ich halb tot ins Bett gefallen. Du bist einfach dauernd angespannt, wenn du 25 Kinder anziehen musst und dann darauf achten, dass am Weg niemand zurückbleibt. Das erfordert ein ständiges Höchstmaß an Aufmerksamkeit. 

Einmal haben wir etwa bemerkt, dass ein Kind im Winter vergessen hatte, seine Straßenschuhe anzuziehen und mit den Patschen losgegangen ist. Meine Assistentin musste dann schnell zurücklaufen, um die Schuhe zu holen. Ich alleine hätte mit allen wieder zurückgehen müssen. Auch zu zweit kann also im Ausflugs-Stress viel passieren.

Im Kindergarten ist keine individuelle Förderung möglich

Es geht nicht nur um uns PädagogInnen, sondern vor allem um die Kinder. Der Kindergarten sollte endlich als Bildungsstätte begriffen werden. Dazu braucht es aber mehr qualifiziertes Personal. Eigentlich sollten wir ElementarpädagogInnen ja die Kinder auch individuell fördern. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund bräuchten dringend eine Sprachförderung – doch wie sollst du das machen? Das ist unter diesen Arbeitsbedingungen einfach nicht möglich. 

Manche Eltern erwarten sich aber, dass du ihrem Kind nebenbei noch Englisch beibringst. Oder schnauzen dich an, weil du es einfach nicht geschafft hast, mit der Gruppe in den Garten zu gehen und sie mit ihrem eigenen Kind noch eine Runde im Park drehen müssen. 

Die Eltern haben oft keine Ahnung was wir leisten – unser Beruf erfährt allgemein zu wenig Wertschätzung. Und das schlägt sich auch im Gehalt nieder. Ich habe zuletzt nach 23 Jahren rund 1.700 netto verdient. Das Bruttogehalt für BerufseinsteigerInnen beträgt 1.590 Euro, das sind gerade einmal 1.300 Euro netto.

Kinder in Krippen werden immer jünger

Zuletzt habe ich in einer Krippe gearbeitet. Da habe ich mit einer weiteren Pädagogin gemeinsam mit zwei Vollzeit-Assisteninnen auf 15 Kinder unter drei Jahren aufgepasst. Laut Gesetz müssten es nur eine ElementarpädagogIn und einE Vollzeit-AssistentIn sein. Da hatte ich also noch Glück. Trotzdem wurde es mir zu viel – denn die Kinder werden immer jünger. 

Zuletzt bekamen wir sogar ein sechs Monate altes Baby, das immer schrie. Die Mutter war Französin, in ihrem Heimatland ist es ganz normal, dass bereits Babys in Fremdbetreuung gegeben werden. Als wir der Mutter erklärt haben, dass ihr Kind nur schreit, hat sie uns dann ein Tragetuch gebracht. Du sollst dann also den ganzen Tag ein schreiendes Baby herumtragen, hast aber auch noch 14 andere sehr kleine Kinder, die du betreuen musst und die einfach nur noch arm waren. Sie haben die Schreie auch nicht mehr ausgehalten und nur noch die Köpfe eingezogen. Nach diesem Erlebnis habe ich beschlossen, dass ich diesen Job hinschmeiße.

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