Erdnüsse als Dank in Klinik Hietzing – eine Ärztin erzählt: "Es hat sich wie eine Entwertung angefühlt"
In der Klinik Hietzing wollte die Spitalsleitung den MitarbeiterInnen für die Arbeit in der Corona-Krise danken – und setzte sich mit einer ungeschickten Aktion voll in die Nesseln. Marlene* ist Ärztin dort. Sie erzählt uns, was sie darüber wirklich denkt.
An Zynismus nicht zu überbieten. Als Dank für den Einsatz während der Corona Krise gibt es für eine Abteilung mit fast 200 Personen "12 St. Müsliriegel und 8 kl. Dosen Erdnüsse" und EINE URKUNDE von der Leitung der Klinik Hietzing. pic.twitter.com/QYWdDikDn6
— vassili (@c_vassili) August 28, 2020
Ich weiß nicht, was mit der Spitalsleitung los ist. In den letzten Monaten hat sie mich behandelt, als ob ich an einem Amateurrennen teilgenommen hätte und nicht, als ob ich versucht hätte meinen professionellen Anteil an einer Krise zu leisten.
Zuerst war da ein Dankesbrief. Mit kopierten Unterschriften. Es hätte gleich eine E-Mail sein können. Das wäre zumindest billiger gewesen. So versprüht das keine Wertschätzung. Es ist völlig unpersönlich. Man ärgert sich, aber macht weiter.
Dann die Diskussion um die Öffnungszeiten eines Zusatzausganges. Dieser Eingang verkürzt für einige Mitarbeiter den Arbeitsweg vom Eingang zu dem jeweiligen Pavillion um 15 Minuten. Der Ausgang hat morgens und kurz am Nachmittag offen. Zu Zeiten, an denen Büropersonal den Eingang nutzen kann, aber kein Spitalspersonal, welches mit Patienten arbeitet. Eine Ausweitung ist nicht möglich. Ob das Geld oder das Personal fehlt, ist mir nicht klar. Aber die Leitung hat uns mitgeteilt, dass wir diese Viertelstunde als „wertvolle Freizeit“ nutzen sollen. Man ärgert sich, aber macht weiter.
Besser gar nichts tun
Und dann waren da eben diese Erdnüsse. Zwei Müsliriegel und für jeden eine Urkunde. Ich habe zuerst gedacht, jemand hört auf hier zu arbeiten und hatte zum Abschied einfach nur eine wirklich blöde Idee. Dann habe ich gemerkt, dass das von der ärztlichen Direktion kommt, und habe mich völlig vor den Kopf gestoßen gefühlt. Es hat sich wie eine Entwertung meiner Arbeit und meiner Person angefühlt. Es demotiviert.
Ich kann die gute Absicht dahinter schon erkennen. Aber die Leitung versteht offenbar nicht, dass das was sie da tut und wie sie es tut, alles nicht so ankommt, wie sie sich das vorstellt Niemand findet das gut. Es ist völlig ungeschickt. Da wäre es noch besser, wenn man einfach gar nichts täte.
In der Zeitung habe ich nach dieser Sache gelesen, dass wir zusätzliche Freizeittage bekommen sollen. Das hat mich gewundert. Bisher habe ich davon nichts erfahren. Vielleicht ist es nur noch nicht ganz fixiert. Aber es wäre eine gute Idee.
Was wir leisten, wird als sehr selbstverständlich gesehen
Natürlich habe ich mir meinen Job ausgesucht. Natürlich bekomme ich dafür gezahlt. Und das ist jetzt eine Zeit, wo ich mich intensiver einbringen muss. Ich brauche im Grunde auch gar nicht mehr Bestätigung für meine Arbeit. Aber natürlich hätte ich gerne mehr Wertschätzung. Es fällt mir einfach immer wieder auf – auch bei der Bevölkerung – dass nicht alle wirklich verstanden haben, was wir in dieser Zeit alles tun müssen und leisten. Was sich für uns geändert hat, wie sich das Mehrarbeiten auch auf das Privatleben auswirkt. Man geht sehr selbstverständlich davon aus, dass wir es machen.
Und wenn dann so etwas passiert, dann fragt man sich kurz, wofür man das macht.
Zwei Müsliriegel für eine ganze Station.
Wir waren kreativ und haben die Riegel krümelweise auf die etwa zwei Dutzend Leute aufgeteilt. Nach dem ersten Ärger über sowas, macht man sich immer mehr darüber lustig – und macht dann weiter.
Auch die Leitung hat es nicht leicht
Ich weiß, dass die Spitalsleitung derzeit auch sehr viel leisten muss derzeit. Ich kann mir deren Problemstellungen nicht genau vorstellen. Und sie haben viele Dinge gut gemacht. Nur bei diesen Aktionen frag ich mich, weiß die Leitung, was wir leisten? Nimmt sie mich als wertvolle Mitarbeiterin wahr?
Ich habe die Corona-Krise sehr deutlich mitbekommen. Die Anspannung zu Beginn, die vielen und andauernden Umstellungen, die allgemein intensivere Arbeit. Die psychische Belastung durch schwierige Fragestellungen zwischen Patientenwohl und Gemeinschaftswohl. Die körperliche Belastung durch Maske und Schutzausrüstung. Es ist eine anhaltende Belastung.
Es ist noch nicht vorbei
Und das ärgert mich zusätzlich an diesen Danksagungen. Wir bekommen eine „Urkunde“ für etwas, das noch nicht vorbei ist. Wir stecken mitten drin. Und bereiten uns bereits innerlich auf die Wintersaison vor. Es kommt die Grippewelle. Es gibt noch keine Sars-CoV2-Impfung. Es ist eine anhaltende Ungewissheit. Es ist nicht vorbei.
Insgesamt würde ich mir statt leerer Dankesmeldungen wünschen, dass es einen Dialog von der Führung mit den Abteilungen gibt. Dass die Leitung an der Station vorbeikommt, sich unsere Sorgen anhört und uns fragt was wir wirklich brauchen.
Und dann würden nicht Erdnüsse genannt werden. Sondern die schwierigen Arbeitsbedingungen, welche durch die Personalknappheit an unserer Abteilung intensiviert werden. So sind an unserer Abteilung seit Monaten Pflege- und Arztstellen nicht zu besetzen. Aber um das zu ändern, braucht es meiner Meinung nach ein allgemeines Umdenken – bei der Spitalsleitung, in der Gesellschaft und in der Politik.