Wie Polizei und Arzt nach meiner Vergewaltigung versagten
Ich wachte morgens auf und alles war seltsam. Ich ignorierte dieses Gefühl zunächst. Ich war wie benebelt, musste mich beschäftigen und machte Sport. Einen Tag darauf hatte ich den Mut zu überlegen, Schritt für Schritt: ein Mann, den ich in der Woche zuvor kennengelernt hatte, lud mich am Abend auf einen Cocktail ein und begleitete mich anschließend nach Hause. Zwar hatte ich bis dahin noch nicht übermäßig viel getrunken, fühlte mich aber schon am Weg zu meiner Wohnung sonderbar wackelig. Ab dem Zeitpunkt, als wir meine Wohnung betraten, kam eine lange Sendepause. Ich konnte mich ab da an nichts mehr erinnern.
Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich vergewaltigt wurde. In meiner Verzweiflung rief ich den Frauennotruf an, erzählte meine Geschichte und schämte mich. Ich fragte mich: Was bringt es denn jetzt noch, zur Polizei zu gehen? Immerhin war ich bereits duschen, und konnte ich mich an nichts erinnern. Wieso sollte man mir glauben?
Die Frau am anderen Ende des Telefons war verständnisvoll und ruhig. Sie erklärte mir, dass es wichtig sei, zur Polizei zu gehen. Gleichzeitig riet sie mir aber auch dazu, meine Anzeige genau vorzubereiten. Ich müsste mit Bestimmtheit sagen, dass mir KO-Tropfen verabreicht wurden, weil man mir sonst vorwerfen werde, bloß zu viel getrunken zu haben.
Anzeige nach KO-Tropfen: Von Diskretion war keine Spur
Ich suchte die nächste Polizeistation auf und trat ein. Eine Polizistin stand hinter dem Schalter, zwei Männer standen in der Schlange, einer vor und einer hinter mir. Mich erleichterte, dass ich mit einer Frau, einer Polizistin sprechen sollte. Ich wartete, bis der Mann vor mir den Raum verlassen hatte, schließlich wollte ich nicht, dass er mir zuhört. Die Polizistin wurde allerdings schon ungeduldig. Also trat ich an den Schalter und sagte, dass ich eine Anzeige wegen Vergewaltigung erstatten will.
Hinter mir stand immer noch der Mann in der Schlange. Ich fragte nach einem separaten Raum, damit ich meine Geschichte diskret erzählen konnte. Die Polizistin verweigerte das zunächst und sagte: Erzählen Sie zuerst, was passiert ist, dann sehen wir weiter”. Angespannt erzählte ich daher nur die Kurzfassung: Ein Mann namens Christian gab mir einen Cocktail aus und muss KO-Tropfen oder sonstige Drogen dazu gegeben haben. Denn nachdem er mich nach Hause begleitet hatte, wurde mir schwarz vor Augen. Betrunken war ich schon öfters, aber ein totaler Filmriss, wäre bei der Menge, die ich getrunken hatte, total unrealistisch.
Anscheinend war der Mann der Polizei bereits bekannt, weshalb ich von der Polizistin endlich ernst genommen wurde. Ich durfte schließlich in die Inspektion eintreten und in einem getrennten Raum noch einmal genauer aussagen. Diesen geschützten Raum, in dem ich mich nun befand, zerstörte die Polizistin dann allerdings mit dem absolut unnötigen Kommentar: „Das ist doch allgemein bekannt, dass gerade der so einer ist, wieso wussten Sie das denn nicht?” Das war so surreal. Ich war bei der Polizei, um Hilfe zu bekommen und man begegnete mir dort mit genau jenen Vorwürfen, die ich mir schon selbst die ganze Zeit machte. Ich starrte einfach nur aus dem Fenster.
Vergewaltigung nach KO-Tropfen: Auch schlechte Erfahrung im Krankenhaus
Die Polizistin forderte mich dazu auf, ins Krankenhaus zu gehen, weil sie für die Anzeige ein ärztliches Attest benötigt. Ich ging also in das SMZ-Ost in Wien. In der naiven Hoffnung, dass man sich darum bemühen würde, meinen Aufenthalt dort so kurz wie möglich zu halten, erklärte ich am Empfang kurz, wieso ich da bin. Skeptisch hörte mir die Empfangsdame zu und fragte ganz nüchtern: “Und wieso kommen Sie erst jetzt? Jetzt wird man von einer Vergewaltigung auch nichts mehr feststellen können“.
Stillschweigend setzte ich mich zu den Anderen im Warteraum. Nach und nach rief der Arzt die Patient:innen rein. Nachdem schon eine lange Zeit vergangen war, ohne dass ich beachtet wurde, dachte ich darüber nach, einfach zu gehen. Ich wusste allerdings, dass ich das bereuen würde. Also blieb ich, Patient:in um Patient:in. Irgendwann, ich war die Letzte, rief man mich dann ins Behandlungszimmer. Ich war müde und wollte so schnell wie möglich wieder gehen.
In Erwartung von Sachlichkeit erzählte ich dem Arzt die Geschehnisse. Doch anstatt der erhofften Professionalität bekam ich nur einen weiteren Schlag ins Gesicht von ihm: „Warum haben sie diesen Mann überhaupt mit nach Hause genommen?“ Ich fühlte mich, als hätte mich ein Bus überfahren und antwortete genervt: „Nur weil ich einen Mann mit in meine Wohnung nehme, heißt das noch lange nicht, dass er dadurch das Recht erhält, mich zu vergewaltigen.“ Die Krankenschwester nickte mir zu.
Der Arzt meinte: “Ich bin nicht geschult im Umgang mit vergewaltigten Frauen”
Etwas peinlich berührt entschuldigte sich der Arzt für seine Aussage. Er sei nicht geschult im Umgang mit vergewaltigten Frauen, sagte er. Ich nickte resignierend. Abschließend erklärte er mir noch, dass seine Untersuchungen nichts ergeben haben und dass er das der Polizei in einem Bericht mitteilen wird. „Sicherheitshalber“ verschrieb er mir noch die Pille danach. Ich ging zur Nachtapotheke und dann nach Hause. Diesen schrecklichen Tag wollte ich nur noch vergessen. Meine Anzeige wurde schließlich fallen gelassen. Es gab zu wenig Beweise.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich Frauen dafür rechtfertigen müssen, vergewaltigt worden zu sein. In der weder Polizei noch medizinisches Personal sensibel auf vergewaltigte Frauen eingehen und damit Anzeigen eher verhindern als fördern. Vielmehr wird Frauen damit der Eindruck verschafft, dass Anzeigen sowieso nichts bewirken – außer eine zusätzliche Bloßstellung. Muss ein Arzt ernsthaft zunächst darauf geschult werden, nicht die Schuld bei der Frau zu suchen? Und überhaupt, warum wurde mir dann nicht sofort ein „geschulter“ Arzt zugeteilt? Weil diese Problematik in Österreich nach wie vor verleugnet wird. Ich möchte Frauen verdeutlichen, dass wir nicht alleine sind und dass wir eine Veränderung im öffentlichen Bewusstsein nur bewirken können, wenn wir uns Gehör verschaffen. Ich bin vergewaltigt worden und das ist nicht meine Schuld – also behandelt mich auch nicht so.