“Industrielle Landwirtschaft soll den Hunger beenden. Doch sie bringt Afrika nur Abhängigkeit”
Die Klimakrise gefährdet die Lebensmittelversorgung – weltweit. Der afrikanische Kontinent ist wegen seiner Lage, hohen Temperaturen und Trockenheit besonders gefährdet. Auch deswegen fließen bereits hunderte Millionen aus dem Globalen Norden in afrikanische Länder. Doch das Geld komme nicht dort an, wo es gebraucht wird, kritisiert Simon Peter Bukenya. Er ist Kleinbauer aus Uganda.
“Afrikas Landwirt:innen produzieren genug Lebensmittel”
Der Großteil der Nahrung in Afrika stamme aus kleinstrukturierter Landwirtschaft, wie Bukenya sie selbst betreibt. Und die funktioniere gut: “Das Problem ist nicht, dass Afrikas Landwirt:innen nicht genug Lebensmittel produzieren. Das Problem ist, die Lebensmittel zu den Menschen zu bringen”, schildert Bukenya.
Natürlich gebe es trockene Regionen, in denen wenig wächst. Andere würden jedoch genügend Lebensmittel produzieren, um auch die trockenen Gegenden zu versorgen – wenn die Lebensmittel dorthin gebracht werden könnten. Was eben oft schwierig sei.
Ein Beispiel: In Uganda ist Mais zu einem der wichtigsten Getreide geworden. Den Großteil produzieren Kleinbauern und -bäuerinnen, die auch den Großteil der armen ländlichen Bevölkerung ausmachen. Im Nachbarland Kenia ist das nicht der Fall. Kenia importiert aber relativ wenig Mais aus Uganda – hat aber Abkommen mit Ländern wie Mexiko dafür.
Diese politischen Entscheidungen und Abkommen seien für die Bevölkerung oft nicht nachvollziehbar und nicht immer zu deren Vorteil. Es brauche Handels- und Logistiksysteme, die den Austausch von Lebensmitteln günstig möglich macht.
Warum der Globale Norden nicht der Retter ist
Deswegen sollten die finanziellen Mittel in den Aufbau der Infrastruktur und an die Landwirt:innen fließen. Doch das passiert laut den Aktivist:innen aus Simbabwe und Uganda nicht, die vergangene Woche in Wien mit Medien über ihre Lage gesprochen haben. Was die Geldgeber:innen des Globalen Nordens, die vermeintlichen “Philanthropen“, stattdessen fördern würden: Industrielle Landwirtschaft. Doch die löse die Probleme in Afrika nicht. Im Gegenteil.
Millionen Menschen sterben jährlich in afrikanischen Ländern an Hunger. Noch mehr sind mangelernährt. Die Klimakrise gefährdet die Ernährungssicherheit zusätzlich. Diese Not soll nicht kleingeredet werden. Gerade deswegen kritisieren Bukenya und die politische Organizerin Melissa Takudzwa Murwira aus Simbabwe das System, das ihnen vermeintlich helfen sollte:
Uns wurde immer erzählt, dass die industrielle Landwirtschaft den Hunger in Afrika beendet. Doch das stimmt nicht. Es macht uns nur abhängig.
Afrika weiß selbst am besten, was Afrika braucht
Mit der industriellen Landwirtschaft kommen große Konzerne und ihr patentiertes, gentechnisch verändertes Saatgut. Wenn Landwirt:innen diese Pflanzen anbauen, müssen sie den Unternehmen, denen die Patente gehören, Gebühren zahlen.
Meist sind das außerdem Samen, die die Region, das Ökosystem und die Bedingungen nicht gewohnt sind. Zusätzlich basiert die industrielle Landwirtschaft meist auf Monokultur. Also auf großen Plantagen, auf denen nur ein Lebensmittel angepflanzt wird. Das ist schlecht für die Böden, weil die immer selben Pflanzen auch immer dieselben Nährstoffe aus ihnen ziehen. Sie werden einseitig belastet.
Es ist außerdem schlecht für die Artenvielfalt und es macht die Landwirtschaft anfälliger für Ausfälle durch Schädlinge. Deswegen braucht es wiederum mehr Eingriffe wie Pestizide oder Dünger. Für viele Pflanzen wie Raps, Mais und Soja verkaufen die Konzerne das zu ihrem Saatgut passende, wirksame Pestizide gleich dazu. Viele der sogenannten Pflanzenschutzmittel stehen immer wieder in der Kritik, weil sie giftig sind. In der EU wurden einige bereits verboten. Ebenfalls stark kritisiert: Konzerne aus Europa verkaufen die in der EU verbotenen Pestizide in andere Regionen – auch Afrika. Melissa Takudrwa Murwira verurteilt:
Sie stellen Profite über Menschen.
Diese Industrialisierung der Landwirtschaft helfe den Menschen nicht, sagen beide Aktivist:innen. Jedenfalls nicht dabei, das Ziel der Aktivist:innen zu erreichen. Murwira: “Wir wollen eine wirtschaftlich unabhängige, gesunde Bevölkerung mit einer gesunden Umwelt, um der Klimakrise zu begegnen.”
Deswegen sind die beiden Expert:innen gerade in Österreich. Auf Einladung von Südwind besuchen sie während ihres Aufenthalts zahlreiche Vertreter:innen aus Politik, Medien, Unternehmen und Landwirtschaft, um einen kleinbäuerlichen Austausch zu fördern und einen Systemwandel hin zum Konzept der Agrarökologie in Afrika voranzubringen. Sie wollen auf die Problematiken durch die Industrialisierung der Landwirtschaft aufmerksam machen und sich darüber austauschen. Dort, “wo wir bereits sehen, was die industrielle Landwirtschaft anrichtet”.
Die Fehler des Globalen Nordens nicht wiederholen
Tatsächlich: In Österreich und der EU geht der Trend hin zu immer weniger und dafür größeren Landwirtschaftsbetrieben. Vom europäischen Modell für Subventionen profitieren vor allem große Agrarkonzerne. Kleinbauern und -bäuerinnen geraten immer stärker unter Druck. Die Monokulturen bedrohen unter anderem unsere Artenvielfalt. Mit dem Renaturierungsgesetz will die EU nun den angerichteten Schaden – zumindest in Teilen – wieder gutmachen. Geschädigte Lebensräume sollen wieder in einen möglichst guten, natürlichen Zustand gebracht werden. Dieses Gesetz wird als das vielleicht wichtigste Naturschutzgesetz unserer Zeit angesehen. Es durchzusetzen war aber ein Kampf – gegen Lobbyist:innen der Groß-Landwirtschaft und Parteien, die sich deren Interessen verschrieben haben.
So weit soll es in Afrika nicht kommen. Sie hoffen, dass die Unterstützung aus dem Globalen Norden die wahren Bedürfnisse künftig besser berücksichtigt. ”Wir haben Systeme, die mit den Bedingungen in Afrika kompatibel sind”, sagt Bukenya. Diese wollen sie erhalten. Und sie wollen Netzwerke bauen, um von den Erfahrungen und dem Wissen anderer zu profitieren, sich über ähnliche Probleme und um Saatgut auszutauschen. „Den notwendigen Wandel hin zu einem nachhaltigen Ernährungssystem schaffen wir nur mit einem breiten Schulterschluss“, sagt dazu Gudrun Glocker, Südwind-Sprecherin für nachhaltige Ernährung.