Auch Frankreich zeigt: Wir können die extreme Rechte aufhalten

#1 Der Sieg der extremen Rechten ist kein Naturereignis
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die extreme Rechte schlagbar ist. Ihre Erfolge sind keine schicksalshaften Naturereignisse. Man kann dagegen Strategien entwickeln und ankämpfen. Dazu gehört auch, klar als Gegner:innen dieser extremen Rechten aufzutreten – und nicht etwa als jemand, der im Grunde der extremen Rechten recht gibt, aber es ein bisschen netter formuliert. Eine Frontstellung gegen die extreme Rechte ist deswegen wichtig, weil sehr viele Menschen eben nicht die extreme Rechte wählen wollen. Die sehr hohe Wahlbeteiligung hat gezeigt, dass es vielen wichtig ist, die extreme Rechte an Machthebeln zu verhindern.
#2 Wer redet wie die Extremen, verliert an die Extremen
Die zweite wichtige Erkenntnis ist, dass diejenigen, die genauso reden wie extreme Rechte, auf ihr Konto einzahlen und selbst keine Erfolge einfahren können. Die Konservativen haben zwar zum Teil eine Allianz mit dem RN abgelehnt, aber es mit einem inhaltlichen Rechtsruck versucht. Damit sind sie untergegangen. Wer so redet und die Themen der extremen Rechten bedient, besorgt auch deren Geschäft und verliert mindestens mittelfristig an sie. Wer extrem rechts wählen möchte, hat ein Angebot und braucht nicht noch ein weiteres. Menschen haben die immer selben Kulturkämpfe satt und sehnen sich nach anderen Themen und anderen Angeboten.
#3 Die demokratische Mehrheit hält
Die demokratische Demarkationslinie in Frankreich hält. Sozialisten, Linke und Macronistinnnen haben zwar inhaltlich nur eine relativ überschaubare Schnittmenge. Trotzdem haben sich viele Kandidat:innen aller Parteien zurückgezogen, um diejenigen zu unterstützen, die in der Stichwahl die beste Chance gegen die Kandidat:innen des Rassemblement National hatten. Demokrat:innen konnten sich so hinter einer Person versammeln und zu ihrer Wahl aufrufen. Egal welche krassen Unterschiede man hat, wenn es hart auf hart kommt, stehen Demokrat:innen zusammen gegen die extreme Rechte. Das ist eine beeindruckende Lehre in Sachen demokratischer Antifaschismus, der das eigene Ego, die eigene Befindlichkeit und sogar den Erfolg der eigenen Partei hintan stellt, um die extreme Rechte zu verhindern.
#4 Immer erst in letzter Sekunde abzuwehren, ist riskant
Trotz allem ist das nur eine Atempause. Die Erfolge des Rassemblement National lassen sich nicht wegdiskutieren. Durch das Mehrheitswahlsystem und die mangelnde Allianzbildung des Rassemblement National konnte letzterer noch einmal abgewehrt werden. Aber auf Dauer ist das eine risikoreiche Strategie. Es reicht nicht immer Feuerwehr zu spielen, wenn es heiß wird. Es müssen auch die Ursachen bekämpft werden. Der Erfolg des Rassemblement ist kein Naturereignis, sondern das Ergebnis der Politik der letzten Jahrzehnte. Frustration, Zukunftsängste, Kulturkämpfe und eine Politik des Sozialabbaus befördern Kräfte wie den Rassemblement National. Nicht weil sie es besser machen würden – sondern weil sie populistisch damit spielen.
#5 Die extreme Rechte verfehlt angekündigte Siege
Eine Niederlage der extremen Rechten in Frankreich ist auch eine Niederlage für europäische extreme Rechte (und Wladimir Putin). Angesagte Wahlerfolg der extremen Rechten bleiben aus. Nach Großbritannien bleibt nun auch Frankreich einigermaßen stabil. Das “Horrorwahljahr 2024” könnte sich so als Selbstbehauptungsjahr der Demokratie entpuppen. In den USA, Österreich und bei Regionalwahlen in Deutschland steht diese Feuerprobe noch bevor. Aber es zeigt sich, dass es möglich ist und die demokratischen Kräfte noch eine Chance bekommen. Dieses Mal müssen sie diese aber nutzen, viele zusätzliche Chancen gibt es für so etwas nicht. Der Durchmarsch ist aufzuhalten.
Demokratie muss verteidigt werden, genauso muss aber auch die Zukunft formuliert werden. Es ist schön zu sehen, dass die demokratische Feuerwehr funktioniert, wenn man sie benötigt. Besser wäre es aber, die Brandstifter gar nicht erst wüten zu lassen.