Warum die Wiener Stadtgärten kaum noch Personal finden
„Ich bin Gärtner geworden, um mit der Natur zusammenzuarbeiten. Die Leute haben einen falschen Eindruck, wenn sie sehen, dass wir Äste wegschneiden, die noch gesund aussehen. Es gibt aber immer einen Grund, warum sie weggeschnitten werden. Wir schneiden nicht willkürlich herum. Wir sorgen für die Sicherheit der Passant:innen, für das Grüne und für das Klima. Niemand möchte, dass die Bevölkerung Wiens unsere Arbeit als selbstverständlich sieht“, sagt Stefan K., Baumpfleger bei der MA 42.
Statt anerkannt und wertgeschätzt zu werden, werden Baumpfleger:innen häufig von Passant:innen angepöbelt. Dabei erfordert die Arbeit der Baumpfleger:innen viel mentale und körperliche Kraft. Die Verletzungsgefahr sei groß, Höhenangst darf man keine haben.
Das tägliche Arbeiten mit schweren Geräten, der Lärm und die schwere körperliche Arbeit hinterlassen langfristige gesundheitliche Schäden: Knie- und Gelenkschmerzen sowie Tinnitus. Oft können Baumpfleger:innen ihren Beruf nicht bis zur Pension ausüben.
Klimakrise verschlimmert Arbeitsbedingungen
Auch von der Klimakrise sind Arbeiter:innen, die draußen tätig sind, stärker betroffen. Während viele in gekühlten Büros sitzen, arbeiten die Arbeiter:innen bei 40 Grad, damit sich Wiener:innen im Schatten abkühlen können.
Die Baumpfleger:innen erzählen, dass sie lieber in der Eiseskälte arbeiten als an Hitzetagen. Das Wetter mache ihnen körperlich und mental zu schaffen. „Die Konzentration nimmt ab. Es ist um einiges anstrengender. Ich brauche im Sommer definitiv mehr Pausen, um durchzuhalten“, so Willy D., Baumpfleger bei den Wiener Stadtgärten. Die Personalvertretung fordert schon seit Jahren bezahlte Ruhepausen bei Hitzeperioden. Durch Ruhepausen könnten langfristige, gesundheitliche Schäden der UV-Strahlung der Sonne und vermehrte Arbeitsunfälle vermieden werden. Umgesetzt wurde die Forderung von der Geschäftsleitung nicht.
„Der Klimawandel betrifft unsere Mitarbeiter:innen direkt, die mit steigenden Hitzetagen und der Verlängerung der Trockenperioden zu kämpfen haben. Da ist eine wesentlich intensivere Pflege und Gießarbeit notwendig, um unser Grün in der Stadt nach gewohnter Qualität zu erhalten“, erklärt Rainer Weisgram, Stadtgartendirektor der MA 42.
Klimafit ohne Personal?
Wien muss klimafit werden. Die Stadt wächst und die Klimakrise macht mehr Grünanlagen als Freiraum nötig. Die Bewohner:innen sollen es nicht weiter als 250 Meter bis zu einer Grünfläche haben. Die MA 42 muss diese aber erst einmal erschaffen und dann auch pflegen und kontrollieren. Bis 2025 soll sie 400.000m² Grünraum errichten. 25.000 Bäume sollen neu gepflanzt werden. Die Hälfte ist bisher geschafft. Das ist viel Arbeit und durch zunehmende Wetterextreme wird diese aufwändiger und intensiver.
Die Stadtgärten versuchen, ihre Ressourcen dafür besser einzusetzen. Sie legen Organisationseinheiten zusammen, bauen die automatische Bewässerung aus. Und sie brauchen mehr Personal. Doch die Suche danach gestaltet sich zunehmend schwierig.
Der MA 42 steht ein Fachkräftemangel bevor
„Zurzeit sind bei den Wiener Stadtgärten alle Fachkräfte-Posten besetzt. Allerdings erweist sich die Nachbesetzung zunehmend schwieriger aufgrund der abnehmenden Bewerbungsdichte“, antwortet die Pressesprecherin der MA 42 Gabriele Thon.
Der Fachkräftemangel soll zum Teil durch die “Effizienz durch intelligente Arbeitstechnik” behoben werden. Damit ist der Abbau von Personal und ihr Ersatz durch Maschinen gemeint.
Momentan sind bei den Wiener Stadtgärten 972 ständige und 507 saisonale Mitarbeiter:innen beschäftigt. 16 Lehrlinge werden ausgebildet, vor einigen Jahren waren es noch 25. Die Lehre wird im Vergleich zu anderen Lehren der Stadt Wien schlecht bezahlt, obwohl sie sehr arbeitsintensiv ist.
Rund 50 % der Lehrlinge bleiben den Wiener Stadtgärten auch nach der Lehre erhalten – viele werden von anderen Firmen abgeworben. Die Konkurrenz zur MA 42 ist nämlich nicht schwer: Nach der Lehre kriegen die Ausgebildeten nur einen Saisonvertrag und müssen jahrelang für die MA 42 arbeiten, bevor sie einen Fixvertrag erhalten. Mittlerweile konnte die Personalvertretung bewirken, dass zumindest 7 Fixverträge an Lehrlinge nach der Ausbildung vergeben werden. Zusätzlich kriegen landwirtschaftliche Gärtner:innen bei anderen Unternehmen bis zu 500 brutto im Monat mehr bezahlt.
Genügend Fachkräfte kann man mit der geringen Anzahl an Ausbildungsplätzen und Bedingungen kaum aufbauen. Auf wiederholte Anfrage, wie viele es zur Aufrechterhaltung der gewohnten Qualität der Grünflächen bräuchten, kam keine Antwort.
Auf die Lösungsvorschläge der Personalvertretung wird nicht gehört
“Wir warnen schon seit Jahren vor der Klimakrise, die die Arbeitsbedingungen teilweise unerträglich macht und viel mehr Personal erfordert. Der Fachkräftemangel war voraussehbar und trotzdem wurde beim Personal eingespart. Wir haben Lösungsvorschläge und Forderungen – nur werden sie schleppend oder gar nicht umgesetzt”, so Marwin W., Facharbeiter bei der MA 42.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Personalvertretung ganz klare Forderungen: mehr Ausbildungsplätze, Imageverbesserung des Berufs mit Kampagnen und einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit, bessere Bezahlung bei der Lehre und beim Beruf, eine Änderung des Berufsbildes, bezahlte Ruhepausen bei Hitzeperioden und vieles mehr.
“Wenn auf die Forderungen eingegangen werden würde, könnte die Attraktivität des Berufs wieder steigen und der Fachkräftemangel behoben werden. Es wird von vielen führenden Positionen, meiner Meinung nach, nicht zukunftsorientiert gedacht”, so Marwin W.