"Friedliche Machtübergabe? Wir werden sehen": Donald Trump und seine Strategie der Überwältigung
#NatsAnalyse
In einer Pressekonferenz am Mittwoch wurde Trump danach gefragt, ob er bei einer Wahlniederlage friedlich sein Amt übergeben würde. Darauf wollte er sich nicht festlegen. Vielmehr deutete er an, dass es zu Wahlbetrug kommen könnte. Das Video geisterte durch alle Zeitungen und sozialen Netzwerke.
Reporter: "Win, lose or draw in this election, will you commit here today for a peaceful transferal of power after the election?"
President Trump: "We're going to have to see what happens." pic.twitter.com/25y622T0bS
— MSNBC (@MSNBC) September 23, 2020
Starker Mann
Denn mit dieser Strategie geht Trump in die Offensive und gibt sich eine starke, aktive Rolle. Er ist derjenige, der die anderen in die Sprachlosigkeit und Untätigkeit treiben kann, während er handelt, entscheidet, weiterdenkt. Alle Anderen müssen auf ihn reagieren. Das führt dazu, dass er immer weiter die legitimierten Sprachgrenzen überschreitet. Dazu muss er diese Ansagen gar nicht einlösen – die Andeutung allein schafft die gewünschte Realität. Es wird so zur selbsterfüllenden Prophezeiung – eine kalkulierte Provokation.
Dass sich dieses ziemlich fade und durchsichtige Muster nicht abnutzt, liegt vor allem an den Reaktionen seiner GegnerInnen, die im sprachlosen Entsetzen erstarren. Als seien sie immer wieder überrascht, dass Trump so ist, wie er ist. Manchmal kommen noch treuherzige Appelle an Rechtsstaatlichkeit und Vernunft hinzu, aber in diesen Kategorien funktioniert die Rolle Trumps nicht. Seine Sprache (und damit seine Politik) funktioniert in Logiken der Aufmerksamkeits-Konzentration und der Provokation.
Damit verbunden ist, dass er sich zu keinem Zeitpunkt verantwortlich für die Aufrechterhaltung demokratischer Standards fühlt, weder sprachlich noch im politischen Agieren. Sein Handwerk ist der Bruch mit allen Usancen, Traditionen und informellen Regelungen des Systems. Das ist genau das, wofür er gewählt wurde.
Appelle, er möge sich nun endlich wie ein Staatsmann verhalten, verhallen deswegen im Nichts. Er ist kein Staatsmann im zentristischen Sinne und er wird es auch nie sein. Er inszeniert sich als „starker Mann“ an der Spitze, der dem Establishment mächtig Angst einjagt und das bei jeder seiner Äußerungen immer bedröppelt schaut und entsetzt ist. Es ist eine Strategie der Überwältigung, die jedes einzelne Mal einen diskursiven Raum eröffnet, der zuvor nicht da war.
Raus aus der Sprachlosigkeit
Dem kann nur entgegengewirkt werden, wenn man nicht jedes Mal die gewünschte passive, sprachlose Rolle einnimmt, sondern eine offensive. Das bedeutet einen Umgang finden, der Demokratie nicht als beliebig verhandelbar ansieht und gleichzeitig nicht immer überrascht ist, dass AutokratInnen tun, was AutokratInnen eben tun: autokratisch sein.
Demokratie wird nicht im Entsetzen und Sprachlosigkeit verteidigt, sondern offensiv und kompromisslos. Gerade dann, wenn das Gegenüber der mächtigste Mann der Welt ist.