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Arbeitswelt

Von Freiheit und Freude keine Spur: Wie ein Gap Year zum Desaster wurde

Sophia* ist ausgebildete Hotelmanagerin mit einer Koch- und Servier-Ausbildung. Nach der Matura an einer Hotelfachschule wollte sie für ein Gap Year ins Ausland: neue Leute kennenlernen, Erfahrungen sammeln, das Leben so richtig genießen. Eine Agentur hatte sie dafür angeworben. Die tatsächliche Erfahrung in den USA war dann aber keine Werbung für die Idee.
 
 

„Gap Year“ – so nennt man die Zeit zwischen größeren Stationen im Leben. Sie versprechen Zukunft und Freiheit. Einfach für ein Jahr mal was anderes machen, bevor wieder an der langfristigen Karriere oder am Lebensweg weitergebastelt wird. Sie können überall hinführen, mit den verschiedensten Organisationen hin zu den entlegensten Orten dieser Erde. Auch zum Arbeiten.

Sophia führte es in einen der größten privaten Country-Clubs von Miami – in das Addison Reserve. Dort bediente sie die Reichen und Schönen. Nach rund acht Wochen brach sie ihren Aufenthalt ab.  

Facharbeitskräfte anleiern

Die Idee, nach Amerika zu gehen, hatte Sophia nicht selbst. Dafür kam eine eigene Agentur zu ihnen in die Schule. Diese stellte allen Maturaklassen in einer regulären Schulstunde ihr Austausch-Programm vor. Arbeiten konnte man in New Jersey, Miami oder auch Chicago – jeweils in einem Country Club. Die Agentur fokussiert sich dabei ausschließlich auf ausgebildete Fachkräfte. Diese müssen mindestens eine fünfjährige Tourismusfachschule absolviert bzw. einschlägige Erfahrung und Kenntnisse haben. 

Was genau ein Country Club war, wusste Sophia nicht: “Ich kannte sowas aus Österreich nicht. Ich hab mich darauf eingestellt, so wie gewohnt in einem Restaurant zu arbeiten, mit unterschiedlichen Gästen und viel Abwechslung”, erklärt sie. Das sah in Wirklichkeit aber anders aus. Der Country Clubs bestand aus einem großen Areal mit mehreren kleineren Häusern. In diese mieten sich Mitglieder teilweise auch mehrere Jahre ein – gegen stattliche Summen versteht sich. Die jährlichen Kosten für ein Haus, je nachdem welches Sport-Angebot dazu genommen wird (ob Golf oder Tennis), liegen im hohen fünf- bis sechs-stelligen Bereich.

Dafür wird ihnen aber auch etwas geboten – wie zum Beispiel exklusive Events und Cocktail-Nights. Sophia musste deswegen auch im Eventbereich arbeiten. Anstatt zu kellnern, wurde das bald ihre Haupttätigkeit. “Ich musste bei den Events immer viel auf- und abbauen. Teilweise wurden wir auch zu einzelnen Mitgliedern nachhause geschickt, da mussten wir dann bei Privatpartys kellnern oder Equipment aufbauen.” 

“Girl, dein Ernst?”

Die Gäste bleiben in einem Country Club immer dieselben. Das kann theoretisch sowohl Vorteile als auch Nachteile haben. Bei Sophia war vor allem Letzteres der Fall. “Wenn man gekellnert hat, waren sie oft so oberflächlich zuckersüß. Hintenrum aber dann gehässig. Wenn man mal ein Getränk vergessen oder eine Bestellung nicht verstanden hat, weil es doch eine Fremdsprache ist, war die Reaktion immer: ‘Girl, dein Ernst? Ich wiederhole mich sicher nicht’”, erklärt Sophia.

Eine andere Taktik bestand darin, sich direkt beim Manager zu beschweren. “Dieser Druck, den man generell hat. Der hat mich fertig gemacht. Irgendwann habe ich gedacht, das gebe ich mir nicht mehr”. 

Gap Year: Bilanz Null

Auch vom finanziellen Aspekt hat sich der USA-Aufenthalt für Sophia nicht gelohnt. Sie machte mit Ach und Krach keinen Verlust. Der Stundenlohn betrug 13 Euro. Trinkgeld gab es nicht. Auf der Homepage des Hotels wird mehr geboten. Die Kellner:innen müssten dafür aber mindestens sechs Monate Erfahrung “in Luxushotels” mitbringen. 

Sophia liegt mit zahlreichen Pflichtpraktika, theoretischer sowie praktischer Ausbildung weit darüber. Der jungen Frau gingen im Programm gegenüber einer regulären Anstellung trotzdem pro Monat rund 640 Dollar durch die Finger. Die Agentur begründet das mit den übernommenen Kosten: Für das Visum, Mietprovision, WLAn und ein Shuttle zum Hotel. Die Trainees dürfen einen Pool und ein Fitness-Studio mitbenutzen. Reguläre Angestellte müssten das alles selber zahlen. Außerdem gebe es einen Unterschied zwischen einem „Berufseinsteiger nach der Tourismusschule“ „und einem „langjährigen Mitarbeiter, der bereits viel Arbeitserfahrung hat und lange im Betrieb ist“.

Erleben die ins Gap Year gelockten Arbeiter:innen dafür abseits der Arbeit wirklich coole Dinge? Lohnt sich die Erfahrung deshalb? Leider nicht, berichtet Sophia. “Durch das hohe Arbeitspensum und die Unsicherheit im Dienstplan, konnten wir uns eigentlich kaum etwas anschauen. Ich bin mit einer Freundin hingefahren. Frei hatten wir, wenn überhaupt, sowieso nie gleichzeitig”. 

Warten bis zum Schluss

Aufgrund der hohen Arbeitsunsicherheit kündigte Sophia nicht direkt nach ihrem Entschluss. Zuerst plante sie den Abbruch ihres Aufenthalts. “Ich hatte Angst, wenn ich sage, dass ich in vier Wochen kündige, dass sie mich gleich raushauen”. Das sei nämlich zwei Mitarbeiter:innen passiert. Diese mussten innerhalb von zwei Tagen das Areal anschließend verlassen. “Dann musst du schauen, ob du einen Flug oder eben eine Wohnung bekommst”. Die meisten Angestellten kamen über ähnliche Austauschprogramme aus Italien oder Südafrika in das Golf-Ressort. 

Zimmer zu zweit

Sophia war gemeinsam mit fünf anderen Mitarbeiter:innen in einem Appartement untergebracht. Das Zimmer teilte sie sich mit einer Freundin. Das Bad nutzten die vier Mädchen gemeinsam. Die beiden Jungs hatten ein eigenes Zimmer und Badezimmer. Für die Unterkunft mussten alle Angestellten 75 Dollar pro Woche zahlen. Essen bekamen sie nur einmal pro Tag, bei einer Doppelschicht zweimal. 

Die Kosten für ihr Visum übernahm der Arbeitgeber (2000 Dollar insgesamt). Die Reisen zum Konsulat nach Wien und das Übersetzen aller Dokumente musste Sophia selbst zahlen (160 Dollar). Dazu kommt noch einmal eine Gebühr von 180 Euro an die Agentur dazu. Mit der Gebühr vom Vermittlungsunternehmen, Flugkosten sowie alle weiteren Dokumente betrugen die Kosten rund 2000 Euro. 

Sophia weiß nach ihrem Aufenthalts-Abbruch noch nicht, ob höhere Mehrkosten auf sie warten. Auf der Agentur-Website wird darauf hingewiesen, dass das passieren kann. Sophia wartet noch immer darauf, dass ihr eine Rechnung ins Haus flattert. “Falls jemand abbrechen sollte, verrechnet der Club oft anteilsmäßig die Kosten des Visums.“ Startet etwa jemand im Oktober und fliegt im Jänner nach Hause, obwohl der Vertrag bis Mai läuft, werden die Kosten für die restlichen Monate verrechnet. Manchmal sieht der Club je nach Grund aber auch davon ab. „Bei familiären Notfällen oder Sonstiges wurde noch nie etwas verrechnet”, so die Agentur. 

Überstunden erwünscht

Sophia war für 40 Stunden angestellt. “Ich hab immer unterschiedlich gearbeitet. Offiziell habe ich um neun Uhr angefangen und war dann um vier fertig. Das war aber nur sehr selten der Fall”, erklärt Sophia. Überstunden bekam sie zum 1,5-fachen Gehalt pro Stunde ausbezahlt  – also 19,5 Dollar. Eine Doppelschicht war quasi Pflicht: Mindestens einmal die Woche musste sie von acht oder neun Uhr morgens bis offiziell 23 oder 24 Uhr arbeiten. Aber auch an solchen Tagen können Überstunden anfallen. “Viele Feiern gingen bis zwei oder drei Uhr morgens. Am nächsten Tag musste man dann doch wieder um acht oder neun Uhr dastehen”. Eine gesetzliche Ruhezeit gibt es nicht. Wer keine Doppelschichten machen wollte, „hat nur einen Tag in der Woche freibekommen anstatt zwei, weil man die Stunden nicht zusammenbekommen hat”.

Wann man frei hatte wusste man kaum vorher. Einen zwei-Wochen im Voraus geregelten Arbeitsplan gab es nicht. “Den Arbeitsplan ab Donnerstag bekam man immer am Montag davor. Ausflüge planen oder gar Flüge für einen Wochenendtrip buchen fielen so ins Wasser. “Meine Freundin und ich haben einmal Wochen im Voraus ein paar freie Tage angefragt. Gehört haben wir nichts, dann haben wir es halt irgendwann gelassen”. Der Trip fiel ins Wasser. 

“Das ist es nicht wert”

“Ich bin nicht gegangen, weil ich komplett am Ende war“, erklärt Sophia. „Ich dachte mir nur irgendwann: Das ist es nicht wert.“ Genauso erging es Freund:innen von Sophia. Ihre beste Freundin fuhr eineinhalb Monate später heim, zwei weitere Kolleg:innen kündigten. Sophia hätte den restlichen Trip “durchziehen können”, schließlich war nicht alles schlecht. Die geschlossenen Freundschaften waren dabei der größte Pluspunkt. “Wir waren sicher 15 bis 17 Österreicher:innen”. 

Sophia hat heute noch Kontakt zu ihren Freund:innen in Österreich. Von diesen hat sie auch erfahren, dass Unterkunft und Hotel gerade von Kakerlaken befallen sind. Man kümmert sich darum. Aber es könnte auch einen weiteren Teil dazu bewegen zu denken: „Ich kann, muss aber nicht“. 

*Name von der Redaktion geändert 

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