Gegengelesen: Die “Kronen Zeitung” macht es der “Welt” nach und hetzt gegen EU und NGOs

Erst einmal: Ja, es stimmt, dass NGOs in ganz Europa 7,4 Milliarden Euro an Förderungen der Kommission erhalten haben.
Allerdings hätte man als Medium zum Beispiel schon erwähnen dürfen, dass das über drei Jahren zwischen 2021 bis 2023 passiert ist oder dass der EU-Haushalt in dieser Zeit mehr als 500 Milliarden Euro ausmachte.

NGOs setzen sich als Organisationen aus der Zivilgesellschaft unabhängig von Regierungen für gesellschaftliche Themen oder beispielsweise auch die Umsetzung von Menschenrechten oder Klimaschutz ein. Damit ergänzen sie Organisationen von der Regierung, handeln aber zum Beispiel auch, wenn menschenrechtsverletzende Politik betrieben wird. Das macht sie elementar für Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte.
Und ja, die EU hat ein Transparenzproblem. Der Europäische Rechnungshof gab Anfang April einen Bericht heraus, dass die Vergabe von EU-Förderungen an NGOs zu intransparent sei.
Zwar können Interessierte auf der Website der EU-Kommission unter Finanztransparenzsystem die Vergabe der EU-Gelder nach Land und Bereich einsehen. In der Form, wie die “Kronen Zeitung” eine Liste der unterstützten NGOS zumindest zum Teil in der Printausgabe veröffentlichte, ist nichts öffentlich zu finden. Die Projekte selbst sind in der Datenbank aber zu finden.
Intransparenz als Vorwand
Dabei geht es der “Kronen-Zeitung” aber weniger um die Intransparenz, sondern viel mehr darum, welche NGOs in Österreich gefördert werden, die nicht zu ihrer rechten politischen Ausrichtung passen, aber dazu später mehr.
Dass nur eine Selbstauskunft reichen würde, um von der “freigebigen” EU-Kommission “millionenschwere Förderungen” zu bekommen, ist falsch. NGOs können sich für verschiedene EU-Programme bewerben, um finanziell unterstützt zu werden. Zum Beispiel für den “Europäischen Sozialfonds Plus”, “Kreatives Europa” oder Programme der internationalen Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Erfolgsquote, einen EU-Förderantrag bewilligt zu bekommen, ist für jedes Programm unterschiedlich, jedoch immer mit hohem bürokratischen Aufwand und Personalkosten verbunden.

Die Krone bezieht sich dann auf die deutsche Zeitung “Welt”. Die soll Einsicht in “geheime Verträge” bekommen haben: Die NGO “ClientEarth” soll gegen ein versprochenes Fördergeld von 350.000 Euro eingewilligt haben, gegen Kohlekraftwerke vorzugehen. Ebenso soll die EU-Kommission die NGO “Friends of the Earth” bezahlt haben, um das Freihandelsabkommen Mercosur zu bekämpfen. Das wäre bemerkenswert, denn die EU-Kommission hat immer gegen Widerstände gerade von linken NGOs für Mercosur gekämpft. Ende 2024 besiegelte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das umstrittene Freihandelsabkommen.
Der Vorwurf der “Welt” aber auch von Abgeordneten der CSU/CDU, sowie der AFD: Die EU würde NGOS zahlen und vertraglich binden, damit sie für die Klimapolitik der EU lobbyieren.
Kampagne gegen NGOs in Brüssel
Die EU-Kommission weist die Vorwürfe zurück, im EU-Parlament sei das Thema bereits intensiv aufgearbeitet worden. Die EU-Abgeordneten der Grünen (die Van der Leyens Wahl 2024 zwar unterstützt haben, aber ihrer Kommission nicht angehören) sprechen von einer Kampagne gegen die Zivilgesellschaft, deren Förderungen eh nur ein “Tropfen auf dem heißen Stein” wären.
Rechtsextreme und rechte Parteien und Organisationen versuchen tatsächlich seit geraumer Zeit mit erheblichem Aufwand, unliebsame NGOs in Verruf zu bringen. So haben sowohl die rechtskonservative Union in Deutschland als auch die rechtsextreme AfD und FPÖ in Österreich versucht, mit parlamentarischen Anfragen und Gesetzesanträgen Zweifel über die Finanzierung von ihnen unliebsamen NGOs zu säen.

Auch in der Krone kommt nur die FPÖ in diesem Artikel vor. Wie so oft im österreichischen Boulevard greift man auch hier sehr gern die Themenvorgaben der Blauen und dabei auch gleich ihren Dreh und ihre Sichtweise auf.
So nutzt man hier eine Auswahl der Förderliste für österreichische NGOs, um bestimmte Organisationen als “fragwürdig” zu bezeichnen. Im Text herausgehoben werden zum Beispiel der “Europäisch-Zentralasiatische Lesbenverband“ oder die entwicklungspolitische Organisation “Südwind”. Mit dem Verweis auf “auffallende” Förderungen für Tennisclubs, Kulturvereine oder einen Skateboardclub sollen die Förderungen dann offensichtlich ins Lächerliche gezogen werden. Ein Seitenhieb gegen den Presserat (den die Krone seit jeher ablehnt, weil sie von ihm ständig für journalistische und medienethische Verstöße kritisiert wird) rundet das Segment ab.
Es wird heißer gekocht als gegessen
Wie ein Blick in die Transparenzdatenbank zeigt, sind die Förderungen dann oft gar nicht so mysteriös. Der erwähnte Wiener Skateboardverein nutzte die 15.000 Euro Förderung für städtische Sportprogramme etwa für Jugendaktivitäten. Der Presserat nimmt an einem Programm teil, das Medienräte für das Digitale Zeitalter fit machen soll. Und der “Europäisch-Zentralasiatische Lesbenverband” arbeitet mit Förderungen beispielsweise für die Arbeitsmarkt-Einbindung, Rechte und Gewaltprävention von LBTIQ-Frauen.
Daran kann man sich schon stören, wenn man gewisse Organisationen und Anliegen einfach nicht mag. Andere Menschen stören sich vielleicht auch daran, dass die Krone als eine Zeitung, die einer der reichsten Familien Österreichs gehört, insgesamt in einem einzigen Jahr schonmal über 6,3 Millionen Euro an Förderungen vom Staat (und dazu 17,5 Mio. Euro an öffentlichen Inseraten) bekommt. Viel weiß die Öffentlichkeit über diese Projekte dann aber auch oft nicht.