Der Gender Pay Gap einfach (weg)erklärt
Heute ist: Equal Pay Day! Das ist Grund zum Feiern, denn statistisch gesehen arbeiten Frauen bis heute gratis. Männer hingegen werden das ganze Jahres bezahlt.
12 Prozent verdient eine Frau weniger als ein Mann.
Das ist nicht nur eine Zahl – das ist ein Weckruf.
Heuer fällt der Tag auf den 14. Februar – das ist ja auch der Valentinstag! Wie praktisch, da können Männer heute beide Anlässe mit EINER lauwarmen Grußkarte abfrühstücken.
„Wir wissen beide, du hast mehr verdient! Nächstes Jahr vielleicht.
In Liebe, Peter“
Ich nenne den Equal Pay Day den „Eh!“-Tag. Jedes Jahr, wenn wir diesen Tag „feiern“, kommen die Sachverständigen von den rechten Thinktanks und Wirtschafts-Beschwichtigungsinstituten daher und rechnen uns vor, dass es EH! nicht so übel ist.
Dass die Frauen EH! nicht so viel weniger verdienen. Und dass, wenn überhaupt, die Frauen EH! selbst schuld sind. Die Unterschiede lassen sich zum Großteil auch erklären.
Gender Pay Gap erklärt: 12 Prozent bleiben
Die 12 Prozent sind das Lohn-Minus, das Vollzeit arbeitende Frauen hinnehmen müssen, einfach weil sie … Frauen sind. Seien wir gescheit, machen wir was mit Technik, raten sie uns ja immer. Ab in den MINT-Beruf. Blöd nur: Wenn wir Frauen die Branche wechseln, dann nehmen wir die Diskriminierung einfach mit. Die pickt an den Frauen wie die ÖVP an der Regierung: 38 Jahre, die kriegst ned weg dort, keine Chance.
In der Technik werden Frauen noch schlechter bezahlt
Nach Tausend „Frauen in die Technik“ Kampagnen sehen wir: Der Gender Pay Gap ist in diesen Jobs AM GRÖSSTEN. Das heißt: Individuell verdienst du mehr als Ingenieurin als in der Altenpflege … aber das heißt nicht, dass du fair bezahlt wirst. Weil der Ingenieur am Tisch neben dir, der bekommt einfach NOCH mehr.
Anderthalb Jahre nach dem Masterabschluss verdienen Frauen im Ingenieurwesen 18 Prozent weniger als die Männer dort. Remember: Im SCHNITT waren es nur 12 Prozent; in der Pädagogik sind es zum Beispiel nur drei Prozent. Die Kampagnen hätten also heißen müssen: Frauen … kommt in die Technik! Damit wir euch dort noch schlechter zahlen können!
Wenn Frauen kommen, sinkt der Lohn
Wenn ihr jetzt denkt’s, na gut. Das ist halt die Männerdominanz in der Branche. Da müssen halt einfach noch mehr Frauen rein, dann sinkt der Pay Gap ja. Weil bei Frauenberufen, das haben wir ja gerade gesehen, ist der Gap ja viel kleiner.
Dann sag ich euch: Auch eine schlechte Idee. Wir Frauen, wir sind … ansteckend. Ja, wirklich. Wenn mehr Frauen in eine Branche drängen, dann sinkt der Lohn in dieser Branche. Langsam … aber stetig. Die Forschung nennt das Abwertungstheorie. Je mehr Frauen in einen Beruf drängen, desto niedriger sind dort die Gehälter. Altenpflege, Reinigung, Verkauf – diese Berufe sind systemrelevant, aber schlecht bezahlt. Sie halten unsere Gesellschaft am Laufen, doch ihr Wert wird nicht anerkannt.
Frauen und der Kipppunkt für den Abstieg
Es gibt sogar so eine Art „Kipp-Punkt“, wie beim Klima: Manche sprechen von 25 bis 45 Prozent; andere Studien sagen, es braucht 60 Prozent Frauen, bis es mit den Löhnen bergab geht. Die genaue Zahl ist aber auch wurscht; Fakt ist: Ab einer bestimmten Anzahl Frauen, da kippt das Klima in der Branche. Dann schmelzen die Gehälter wie die Gletscher.
Passend zum Lohn sinkt – natürlich! – auch das Ansehen der Berufe. Hat man historisch beobachtet bei den Apothekern, am Bankschalter und bei den Lehrern. Früher, ganz früher, ein hoch angesehener Männer-Beruf. Und heute?
Studie zum Ansehen von Lehrern
Mieses Image und jede Menge Hass
Eine neue Studie weist aus, was die Deutschen vom Beruf des Schulpädagogen halten: sehr wenig. Kein Wunder, dass die Schule so ist, wie sie ist. (taz)
Darf man den Lehrerinnen – die meisten mit kleinem i – echt alles ausrichten.
Kommen Männer, kommt das Geld
Übrigens: Wo die Männer HIN gehen, dort STEIGT dann auch das Gehalt. Und natürlich das Prestige. Der genau umgekehrte Effekt wie eben beschrieben. Kann man sich an etlichen Beispielen anschauen: wie bei den Programmiererinnen. Am Anfang war das eine weibliche Branche.
Aber irgendwann hat man gemerkt: Hupsi, das wird immer wichtiger. Also: kommen die Männer, kommt das Gehalt, kommt das Prestige.
Allein können Frauen das nicht ändern
Fassen wir zusammen: Frauen sind in einer „lose-lose“ Situation: Sind sie in einer “Männerbranche”, werden sie krass schlechter bezahlt als die Männer dort. Sind sie in einer “Frauenbranche”, bekommen sie weniger, weil, naja: Frauenbranche halt.
Die Lohnlücke ist nun aber nicht nur eine Zahl, sie wirkt in unser aller Leben hinein – bis in unsere Beziehungen. Denn in den allermeisten Partnerschaften verdient SIE weniger als ER.
Partnerschaften als Lohnlücken-Vergrößerer
Eine Analyse des Momentum Instituts zeigt, dass Frauen in Paarhaushalten im Schnitt 40 Prozent weniger verdienen als ihre Partner. Mit Kindern steigt diese Lücke sogar auf 47 Prozent. Und das ist noch nicht alles: Wenn die Kinder unter 6 Jahre alt sind, wird aus dem Gender Pay Gap, aus der “Lücke”, ein Gender Pay Canyon, eine Schlucht von bis zu 53 Prozent.
Und wer jetzt meint: Na, daran ist aber schon die Teilzeit Schuld. Und Teilzeit, das machen die Frauen ja immer noch freiwillig! Natürlich kriegst dann weniger, wennst weniger hacklst! Drei Viertel der 1,4 Millionen Teilzeitbeschäftigten sind un-frei-willig in Teilzeit. Die Mutter schafft halt nur den 20-Stunden Job, wenn der Kindergarten täglich um 14:00 Uhr schließt.
Aber: Wie gesagt – Auch, wenn man alles andere aus der Statistik “rauserklärt”, gibt es eine krasse Lohnlücke. Und selbst in einem Haushalt, in dem beide Vollzeit arbeiten, bekommt die Frau um 17 Prozent weniger gezahlt. Sind Kinder im Haushalt, sind es 19 Prozent und sind die Kinder unter 6 Jahren alt, bekommt die Frau sogar um mehr als ein Fünftel weniger Gehalt – trotz Vollzeitbeschäftigung.
Geld schafft Abhängigkeit
Diese Lücke ist nicht nur eine Frage des Geldes. Sie ist eine Frage der Gleichstellung. Frauen, die weniger verdienen, sind finanziell abhängiger, was sie anfälliger für Gewalt in Beziehungen macht. Das Risiko von Altersarmut steigt. Und es zementiert alte Rollenbilder: Frauen, die weniger verdienen, übernehmen oft den größten Teil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit.
Bildung löst uns das Problem übrigens nicht. Selbst bei Frauen mit Hochschulabschluss bleibt der Pay Gap enorm. Ein Beispiel: Hat nur die Frau in einer Beziehung einen Hochschulabschluss, verdient sie dennoch 12 Prozent weniger als ihr Partner – und das ohne Kinder. Mit Kindern steigt diese Lücke auf 41 Prozent, bei Kleinkindern sogar auf 49 Prozent.
Was wir gegen den Gender Pay Gap tun können
Um die Lohnlücke zu schließen, brauchen wir strukturelle Veränderungen:
- Leistbare Kinderbetreuung – und zwar flächendeckend in ganz Österreich, ganztägig und qualitativ hochwertig. Damit sich Frauen nicht länger zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen.
- Väterkarenz: Eine verpflichtende Väterkarenz sorgt für eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit von Anfang an.
- Lohntransparenz: Unternehmen müssen offenlegen, wie viel sie ihren Mitarbeitenden zahlen. Wer nicht weiß, dass er schlechter bezahlt wird, als der männliche Kollege, kann sich nicht dagegen wehren.
- Aufwertung von Frauenberufen: Pflege, Kinderbetreuung, Reinigung – diese Berufe verdienen bessere Bezahlung und Anerkennung.
- Arbeitszeitverkürzung: Weniger Arbeitszeit für alle entlastet Mütter und ermöglicht Vätern, sich stärker einzubringen. Dann gäbe es eine Welt, in der sich Mutter und Vater die Erziehung ihres Kindes gerecht aufteilen können, weil beide genug Zeit dafür haben.