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Klimakrise

Warum Geoengineering ein gefährliches Versprechen von Reichen, Ölkonzernen und ÖVP ist

Warum Geoengineering ein gefährliches Versprechen von Reichen, Ölkonzernen und ÖVP ist
Geoengineering-Experiment in den USA. Beim Geoengineering werden Stoffe in die Atmosphäre gebracht, die kühlen sollen. CO2 soll unterirdisch gespeichert werden. Die Methoden sind umstritten. Foto: NASA, Marshall Space Flight Center
Milliardäre wie Bill Gates, Jeff Bezos oder George Soros investieren viel Geld in Geoengineering, um die Erde künstlich gegen die Klimaerhitzung abzukühlen. OMV und ÖVP liebäugeln damit, in Norwegen unterirdisch CO2 zu speichern. Beides ist gefährlich, braucht viel Energie und könnte die Klimakrise weiter verschärfen.

Es ist ein Zukunftsszenario, was Kim Stanley Robinson in seinem Bestseller “Das Ministerium für die Zukunft” beschreibt: “Sobald wir oben waren, fuhren wir die Treibstoffleitungen aus und pumpten die Aerosole in die Luft. Es sah aus, als würden wir Kerosin ablassen, aber in Wirklichkeit waren es Aerosolpartikel. In erster Linie Schwefeldioxid, dazu ein paar andere Chemikalien wie bei einem Vulkan, auch wenn es keine Asche gab wie bei einem Ausbruch.”

Das soll laut Robinsons Climate-Fiction Roman im Jahr 2026 in Indien passieren. Tankflugzeuge versprühen Aerosole, um Sonnenlicht zu reflektieren und so das Klima abzukühlen. Die Technologie nennt sich Solar Radiation Management (SRM) und ist neben der Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) eine der meistdiskutierten Formen von Geoengineering.

Superreiche wie Facebook-Mitgründer Dustin Moskovitz, George Soros und Bill Gates investieren viel Geld in SRM-Projekte. Und Jeff Bezos stellt Server von Amazon zur Verfügung, um SRM weiter zu erforschen.

Geoengineering spaltet die Wissenschaft

Anfang Februar haben sich mehr als 100 Wissenschafter:innen in einem Offenen Brief für die weitere Erforschung von “Solar Radiation Management” ausgesprochen. Ein Jahr zuvor forderten dagegen 60 Expert:innen einen internationalen Sperrvertrag, ähnlich wie für Atomwaffen. Dafür setzt sich nun auch die “Climate Overshoot Commission” ein, zu der 15 ehemalige Staatspräsident:innen und Spitzenpolitiker:innen gehören.

Erforschung von SRM? Ja. Austesten oder gar umsetzen? Nein. Es fehle ein internationales Abkommen, das Geoengineering regelt, kritisiert die Kommission. Bevor es losgehen kann, müssten sich die Länder auf ein solches einigen. Kommissionsmitglied Laurence Tubiana warnt jedoch: “Wir kennen die Risiken, das ist kein Allheilmittel”.

 

So funktionieren die verschiedenen Methoden des Geoengineerings. Weitere Infos findest du auf der Website des Deutschen Klimakonsortiums.

So funktionieren die verschiedenen Methoden des Geoengineerings. Weitere Infos findest du auf der Website des Deutschen Klimakonsortiums.
Quelle: nature.com Übersetzung: MOMENT.at

Tubiana gilt als Architektin des Pariser Klimaabkommens von 2015. Darin haben sich fast alle Staaten der Welt geeinigt, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad Celsius und bestenfalls 1,5 Grad zu begrenzen. Derzeit steuern wir aber auf 2,4 bis 2,6 Grad zu – und eben deshalb werden “Overshoot”-Szenarien immer beliebter. Die Idee dahinter: Künstlich das Klima kühlen, um doch noch innerhalb der vereinbarten Grenzen zu bleiben.

Korallenriffe, Ozonschicht und Ernten in Gefahr

Der Weltklimarat IPCC und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) warnen noch deutlicher davor, die Sonneneinstrahlung mit SRM zu manipulieren: Ozeane würden weiter versauern, solange wir weiter Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennen – und damit Korallenriffe absterben (hier siehst du ein informatives 90 Sekunden langes Erklärvideo dazu). Die Ozonschicht könnte beschädigt werden und Ernten einbrechen, da weniger Sonnenlicht die Pflanzen erreicht.

Zudem könnte es schlagartig um einige Grad heißer werden, wenn SRM-Projekte gestoppt werden. Die Folgen dessen sind schwer abzuschätzen, wohl aber katastrophal. Es gibt viele Wissenslücken und noch große Unsicherheiten in der Erforschung von SRM.

“Solar Radiation Management bekämpft nicht die Ursachen des Klimawandels, sondern nur die Symptome”, warnt auch Jessica Strefler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie befürchtet aufgrund der ungeklärten internationalen Rechtslage ein gewaltiges Konfliktpotential. Einzelne Länder, Konzerne oder Superreiche könnten einen Alleingang wagen – an den Kosten würde das nicht scheitern.

Diese wären überschaubar: Eine bis zehn Milliarden Dollar pro Jahr könnte es kosten, die Erde um 1,5 Grad abzukühlen. Das zeigt  ein eigener Bericht über Geoengineering des Weltklimarats IPCC. Eine neuere Studie von Wake Smith – Geoengineering-Experte am Yale College in den USA – rechnet mit 18 Milliarden Dollar jährlich für jedes Grad weniger.

Ende Juni hat sich auch die EU-Kommission zu Wort gemeldet. Sie fordert internationale Verhandlungen um Geoengineering. Derzeit finanziert die EU zwei Projekte, um die Risiken von Geoengineering zu erforschen. Man würde SRM aber weder entwickeln noch testen.

CCS: Ist ein CO2-Staubsauger die Lösung?

Weniger umstritten scheint die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) zu sein. Wie mit einem Staubsauger soll CO2 aus der Luft geholt und unterirdisch gespeichert werden. Laut dem heimischen Klimaforschungsnetzwerk CCCA ist die Technik bereits “ausgereift und weltweit im Einsatz”. Es gebe genügend Platz, das CO2 in Hohlräumen unter dem Erdboden zu speichern. Die Methode sei relativ sicher.

CCS hat allerdings ein physikalisches Problem: Der Anteil von CO2 in der Atmosphäre beträgt durchschnittlich 0,042 Prozent. Das Treibhausgas verteilt sich rasch gleichmäßig. Deshalb muss viel Energie eingesetzt werden, um es herauszufiltern. Das sorgt für  weitere Emissionen.

Das Problem wird verschleppt – und es wird teuer: Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit 100 bis 300 Euro Kosten pro Tonne CO2, die aus der Luft gefiltert wird. CO2 direkt bei Fabriken abzufangen – also dort, wo es anfällt –, würde rund 50 bis 100 Euro kosten. Zum Vergleich: Eine Tonne ausgestoßenes CO2 kostet im EU-Zertifikatehandel derzeit rund 80 bis 90 Euro.

Für viele Unternehmen ist es ohne entsprechende Gesetze eine Kosten-Nutzen Rechnung, ob sie auf klimafreundlichere Techniken umsteigen oder ihre Emissionen durch Zertifikate oder CCS nachträglich begleichen. Für das Klima, und damit für uns, ist der Schaden aber schon angerichtet und schwer rückgängig zu machen.

OMV und ÖVP wollen CCS in Norwegen

Für CCS spricht sich auch die “Climate Overshoot Commission” aus – sowie viele Ölkonzerne. Ein Bericht von Greenpeace aus dem Juni 2023 zeigt: Europas größte Ölkonzerne wie BP, Shell, TotalEnergies und die OMV investieren immer mehr in CCS, während sie erst nach 2030 substantiell ihre Emissionen verringern möchten. CCS soll es ihnen ermöglichen, weiter klimaschädliches Erdöl und Erdgas zu verbrennen. Den CO2-Abfall wollen sie später wieder aus der Luft saugen.

Laut des Berichts möchte die OMV bis 2030 rund fünf Millionen Tonnen CO2 jährlich speichern. CCS sei für die OMV zentral und Kern ihrer nachhaltigen Investitionsstrategie. Zwei der fünf Millionen Tonnen sollen über das südosteuropäische Tochterunternehmen OMV Petrom abgewickelt werden. Zudem gibt es Gespräche mit Norwegen. Im April 2023 erhielt die OMV eine Lizenz, dort CO2 zu speichern. Mehr als fünf Millionen Tonnen pro Jahr wären theoretisch möglich. Das sind umgerechnet sieben Prozent der jährlichen Emissionen Österreichs.

Ende September ist Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach Norwegen gereist. Schon seit Monaten setzt sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für ein Ende des CCS-Verbots in Österreich ein, das seit 2011 besteht. Nun auch der Kanzler. Nehammer schwärmt von Norwegen. “Es ist Zeit, dass auch Österreich das tut”, sagte er im Standard. Brunner hat bereits früher im Jahr einige Journalist:innen zur weltgrößten CCS-Anlage nach Island geführt. Aber auch sie kann derzeit nur so viel CO2 direkt aus der Luft holen, wie 500 Österreicher:innen jährlich verursachen oder weltweit in wenigen Sekunden anfallen.

Warum CO2-Speicherung mit CCS so beliebt ist

Die Wortwahl von Kanzler Nehammer bei seiner Norwegen-Reise passt zu den Debatten um E-Fuels und Wasserstoff. Er bemüht den Innovationsgeist, statt auf Verbote zu setzen. Neue Technologien und Innovationen sollen aus der Klima-Misere helfen. Sie versprechen eine einfache Lösung für eine komplexe Krise – könnten aber genauso eine Ausrede für ein ambitionierteres Klimaprogramm sein. Ein Ablenkungsmanöver, wie die NGO Greenpeace kritisiert. Seit über 1.000 Tagen fehlt in Österreich ein Klimaschutzgesetz. Zudem möchte die ÖVP das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz abschwächen.

Auch die Grünen scheinen die CCS-Ambitionen der ÖVP mitzutragen. Bis 2024 soll gemeinsam eine Carbon-Management-Strategie erarbeitet werden. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Regierung zuerst ein Klimaschutzgesetz oder ein Gesetz zur Symptombekämpfung mit CO2-Staubsauger verabschieden wird.

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