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Ungleichheit

Gewaltaufruf im Netz: Diese widerliche E-Mail ist nicht strafbar

Unsere Kolumnistin Natascha Strobl ist von Hassnachrichten und Morddrohungen im Netz betroffen. Die Behörden helfen jedoch bei Gewalt im Internet zu wenig. Diese widerliche E-Mail ist beispielsweise nicht strafbar. Was muss sich ändern? Eine neue Ausgabe von #NatsAnalyse.

 

 

Gewalt im Internet: Diese Drohung ist nicht strafbar?

Ich habe eine E-Mail bekommen. Sie klingt so: „du grindige hur! wann machst du jetzt endlich die kellermayr? schaden würds nicht wenn man dich auch eines morgens tot auffinden würde. ich würde den ganzen tag das lied ding dong die hex ist tot hören so wie ich es auch schon bei der abgekratzten giftspritzerin gemacht habe. endlich ist die hinüber und ich hoff du nimmst dir ein gutes beispiel da dran du schlampe“

Diese E-Mail ist nicht strafbar. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht dafür. Dieser Fall ist nur einer von vielen – und er zeigt die Lücken der heutigen Gesetzeslage gut auf. Hass im Netz ist nicht strafbar. Ganz konkrete Drohungen in einer sehr engmaschigen Definition sind strafbar. Also etwa, wenn mir jemand schreiben würde: „Ich bringe dich um“. Aber das ist selten der Fall. Die Täter verklausulieren und schreiben im Konjuktiv oder in Passivkonstruktionen. „Man sollte dies und das tun…“ „Wenn jemand dir dies und jenes antun würde …“

Hass im Netz: strafbar oder nicht?

Diese Wortfolgen erfüllen keinen Paragrafen des Strafrechts – zumindest, wenn sie per Mail geschrieben werden. Das Bizarre ist nämlich: Hätte mir das jemand auf der Straße entgegen gebrüllt, dann wäre das sehr wohl strafbar, weil es in der Öffentlichkeit stattfindet. Bekomme ich so etwas per Mail oder Direktnachricht, wird es zu meinem Privatproblem. 

Das zweite Problem an einer Nachricht wie dieser ist nämlich der weitere Weg. Ich kann mich also nicht auf das Strafrecht verlassen, aber zivilrechtlich kann ich Ansprüche stellen. Hier muss ich aber eine Anwältin beauftragen und das Kostenrisiko tragen. Das sind schnell einige hundert oder tausend Euro. Wird der Täter verurteilt, muss der diese Kosten tragen. Aber bis es soweit ist, liegt das Kostenrisiko ganz und gar bei mir. 

Auf diesem Weg haben jene Leute, die notfalls ein paar hundert oder tausend Euro in den Sand setzen können, einen Vorteil gegenüber jenen, die das nicht können. Oder anders gesagt: Eine vermögende Unternehmerin und Politikergattin kann schnell einmal einen Anwalt beauftragen, User wegen Lappalien zu hunderten Euro abzumahnen, selbst, wenn sie dafür erst einmal ein paar tausend Euro auslegen muss. Ich kann das nicht mehr. Und andere Leute können das nicht einmal ein einziges Mal. 

Gewalt im Internet ist kein Privatproblem 

Zumal die Erfolgschancen sehr gering sind. Denn hier kommen wir zum dritten Problem bei dieser Nachricht. Es wurde über eine Wegwerf-E-Mail-Adresse geschrieben. Ich müsste mir also ein privates Ermittler:innen-Team zusammen stellen, um dem Täter auf die Schliche zu kommen. Auch diese Kosten liegen bei mir. Nachdem sich der Staat Österreich nicht zuständig fühlt, liegt die Ermittlungsarbeit nun privatisiert und individualisiert bei denen, die sich soetwas leisten können. Ich kann das nicht im großen Stil. Es darf auch nicht sein, dass Betroffene auf die ehrenamtliche und aufopferungsvolle Arbeit von Expert:innen und Aktivist:innen angewiesen sind. Das sind wir nämlich in einem Fall wie diesen.

Das vierte Problem ist, dass bei diesen Diensten schwer ein Täter ermittelbar ist. Die Firmen geben die Daten nicht her. Auch Social-Media-Plattformen machen das nicht, selbst wenn sie müssten. Twitter z.B. weigert sich schlicht. Keine Behörde kann sie zwingen. Verfahren versumpern im Nichts.

Die Realität im Jahr 2022 ist also, dass diese Nachrichten geschrieben werden können. Ohne Konsequenzen. Die Realität ist auch, dass so eine Nachricht im Jahr 2022 mein Privatproblem und mein privates Kostenrisiko ist. Weil eben nicht „Hass im Netz“ bekämpft wird, sondern nur sehr enge Strafttatbestände. „Hass im Netz“ bleibt ohne Sanktionen. 

 

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