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Kapitalismus
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Gute Schulen, Schienen und Spitäler? UM GOTTES WILLEN!

Moment Mal ist der wöchentliche Videokommentar von Barbara Blaha.

Schulden sind böse, das wichtigste Ziel als Staat muss sein, sie zu verhindern. Das sogenannte Nulldefizit ist das oberste Ziel jedes Finanzministers. So ein Glaubenssatz verstellt den Blick auf ein paar simple Zusammenhänge. Schulden sind eben nicht gleich Schulden. Barbara Blaha erklärt das diese Woche in „Moment mal“.

 

Du liest lieber als zu schauen? Hier ist der Text zur Folge:

Bald wird Finanzminister Blümel sein erstes Budget präsentieren. Noch sind nicht alle Details klar, was wir aber sicher wissen: Es wird „ausgeglichen“ sein, er freut sich jetzt schon über sein Nulldefizit.

Aber ist das Nulldefizit überhaupt eine gute Idee?

Schulden sind böse, wir müssen sie verhindern. 

Das hören wir jetzt seit vielen Jahren. Sogar die katholische Kirche rückt aus, um uns das einzubläuen. Soviel religiöser Eifer … und dann mischt sich auch noch die Kirche ein. Das verstellt den Blick auf ein paar simple Zusammenhänge. 

Deutschland zeigt vor, was passiert, wenn man über viele Jahre einen hübschen Budgetüberschuss produziert, wenn der Staat also mehr einnimmt, als er ausgibt … und nichts in Straßen, Schulen oder Schienen investiert, nichts in Krankenhäuser und Kindergärten, nichts in Breitband und Brücken: 450 Milliarden Euro müssen die Deutschen jetzt investieren, um die Brutal-Diät des letzten Jahrzehntes wieder aufzuholen, sagt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft. 

Schulden sind nicht gleich Schulden

Es kommt darauf an, was man mit dem Geld macht, das man sich ausborgt. 
Familien tun es: Weil sie sich zum Beispiel ein Haus bauen wollen. Das ist gescheit – denn der Kredit schafft Vermögen, also das Haus. Davon haben auch die Kinder viele Jahre später etwas. 

Wie würden Sebastian Kurz oder Gernot Blümel das angehen?

Ein Leben lang sparen und sich das eigene Haus erst kaufen, wenn die Kinder längst ausgezogen sind? Und man so viel Platz gar nicht mehr braucht?

Unternehmen arbeiten ohne Nulldefizit

Unternehmen tun es: Weil sie zum Beispiel neue Maschinen anschaffen wollen, damit sie schneller produzieren, mehr verkaufen – und mehr Gewinn machen können. Kein Unternehmer käme auf die Idee, große Investitionen nicht mit einem Kredit zu finanzieren. Zwei Drittel ihrer Tätigkeit läuft über Kredite. Die Tischlerei von Gernot Blümel und Sebastian Kurz würde nach ein paar Jahren zusperren, weil sie statt investieren stur sparen würde … 

Warum ist dann ein Nulldefizit für den Staatshaushalt angeblich wichtig?

Und der Staat? Der sollte es noch mehr tun als alle anderen! Österreich ist weder ein Haushalt noch ein Unternehmen. Der Staat soll uns gemeinsam das ermöglichen, was wir alleine nicht schaffen und was uns auch keine Firma geben kann: ein gut ausgebautes Schienennetz zum Beispiel; Krankenhäuser, die nicht viel Geld machen wollen, sondern möglichst viele Leute gesund; Schulen, die keine Spenden brauchen.

Hätte man die österreichische Infrastruktur ohne Kredit aufbauen wollen, hätten wir heute noch immer keine Autobahnen, kein Schienennetz, keinen Gemeindebau. 

Kredite schaffen eine Zukunft, die mit Sparen nicht möglich wäre

Und das gilt aktuell mehr denn je, denn Österreich kann Kredite derzeit so günstig finanzieren wie noch nie. Aktuell gibt es sogar Negativzinsen: Wenn Österreich sich heute 100 Euro ausborgt, müssten wir in 12 Jahren real nur 80 Euro zurückzahlen. 

Die Behauptung, Staatsschulden gehen „zulasten der künftigen Generationen“, ist schlicht Blödsinn. Wenn wir heute Kredite aufnehmen, um z.B. die Klimakrise aufzuhalten, um Schienen oder Krankenhäuser zu bauen … dann haben „künftige Generationen“ ja den entscheidenden Nutzen davon.

Das soll unsozial sein?

Eine Familie vererbt ihren Kindern dank des Kredites ein Haus … und ein Staat vererbt seinen Kindern dank der Kredite Krankenhäuser, Schulen, Schienen. Derzeit stehen 373 Milliarden Euro an Staatskrediten einem öffentlichen Vermögen von 474 Mrd. gegenüber. 

Und nehmen wir ernst, was uns die Forschung über die Erderhitzung sagt, dann brauchen wir in den kommenden Jahren Milliardeninvestitionen in die Zukunft unseres Planeten: Die EU-Kommission schätzt, dass wir um die Klimaziele bis 2030 erreichen zu können, jährlich 1,2 Billionen Euro investieren müssen. Grüne Jobs fallen ebenso wenig vom Himmel wie eine Energiewende.

Statt weiter das Nulldefizit anzubeten, wäre es Zeit für vernünftige, pragmatische Wirtschaftspolitik. 

 

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